381
Nachdem sie geschehen, hatte übrigens das große
Banner noch seine ganz besonderen Schicksale, von
denen uns hier zum Schlüsse, — indem wir für
unseren Zweck an dieser Stelle darauf verzichten
können, den Gedankengang des Vortrags weiter zu
verfolgen, - die Quelle selbst ihre hübsche Erzählung
geben mag.
„Wenn dann die Fürsten ihre Lehen empfangen
hatten, so warf man die Panier vor den königlichen
Stuhl. Nun hatte der König mehr denn 100 Kriegs
knechte mit Helparten, die allezeit vor, beneben und
hinter ihm gingen, es wäre in der Kirchen, in der
Stadt oder auf dem Feld. Dieselben stunden um
den königlichen Stuhl, auch viele andere Gesellen,
Herolde und Abentheurer, auch mancherlei Gesinde, und
ropfen sich um die Panier, welcher ein groß Stück
kriegen konnte, der behielts. Also wurden die Panier
zerrissen.
„Als nun das große, herrliche Panier kam, da
ward ein großer Zulauf und Gedränge um den
königlichen Stuhl, denn ein jeder hätte gern ein
groß Stück gehabt. Das versprachen sich zusammen
bei 60 Kriegsknechte und wollen das Panier ganz
behalten und gleichmäßig unter sich theilen oder
zusammen verkaufen.
„So cs nun vorn Stuhl geworfen ward, da
kriegen sie es alsbald und ruckten es auf in die
Höhe. Da fielen andere Gesellen daran, wollen es
niederreißen, und geschah 3 oder 4 mal,, daß sie es
beinahe niederbracht hatten, so war es als wieder
aufgericht. Nun hatte das Panier auch gar eine
hohe Stange, nach seiner Größe, darum konnten
sie es nicht mit Helleparten erreichen. Und war
viel Gerichts und groß Gedränge um das Panier,
denn alles fremde Volk wollte wissen, welches Fürsten
solch schön Panier gewesen wäre.
„Zuletzt machten die Kriegsknechte ihre Spitze,
führten das Panier in die Höhe, -drungen mit
Gewalt durch das Volk und wurden raths (dieweil
es also schön war): daß sie es opferten Unserer lieben
Frauen zu Worms. Nahmen ihren Trommenschlag
und gingen je 2 und 2 bei einander. Da folget
ein groß Schaar Volks nach. Denn etzliche meinten,
der König käme; etzliche wollten sehen, wo sie mit
dem Panier hinkämen. Also brachten sie es mit
großen Ehren in den Dom zu Unserer lieben Frauen,
da steckt es, in dem Münster." —
Der Vortrag, welchen der Vorsitzende des Ver
eins für hessische Geschichte und Landeskunde, Major
C. von Stamford, in der Versammlung des ge
nannten Vereins am 26. November über „das
1. Bataillon des 2. kurhessischen Infanterie-Regi
ments , Landgraf Wilhelm, in den Septembertagen
1848 zu Frankfurt a. M." hielt, hatte seine Veran
lassung in einer abfälligen, höchst verletzenden
Aeußerung, die in dem 1. Band des Werkes „Aus
meinem Leben und aus meiner Zeit" von Ernst II.,
Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, enthalten ist.
In einem daselbst (S. 313 flg.) abgedruckten „früh
Morgens am 19. September", also einen Tag nach
den bekannten Excessen in Frankfurt a. M., in
welchen Fürst Lichnowsky und General von Auers
wald ermordet wurden, geschriebenen Briefe des
Kabinetssekretürs von Mcyern an den Herzog heißt
es: „dem kurhessischen Bataillon, jetzt Fuldaern, hat
mau nicht getraut und sie zurückgehalten." Es ist
dies eine frivole Verdächtigung, die doppelt schwer
wiegt, weil der darin liegende Vorwurf der Unzu
verlässigkeit einer durch ihre Tapferkeit und Mannes
zucht ausgezeichneten Truppe gemacht wird. Wer
das 2. knrhessische Infanterieregiment, das stets seine
Pflicht und mehr wie seine Pflicht gethan und eine vor
treffliche Schulung seinem langjährigen hochverdienten
Kommandeur, Oberst August Schirmer, später General-
lieutenant (f zu Kassel am 15. Juni 1870) ver
dankte, dessen Stamm-Bataillone sich schon in
frühesten Zeiten in allen Schlachten, in welchen sie
gekämpft, durch ihre Tapferkeit Ruhm erworben hatten,
— beredtes Zeugniß von den Kämpfen geben die
in dem hiesigen Fahnensaale aufbewahrten zerfetzten
Fahnen — gekannt hat, für den konnte es niemals
zweifelhaft sein, daß der Vorwurf des herzoglichen Ka-
binetssekretärs ein leichtfertiger, durchaus ungerechtfertig
ter ist. Daran ändert auch nichts, daß sich noch andere
Schriftsteller, wie Wichmann und Laube in ähnlicher
Weise wie von Meyern ausgesprochen haben. Herr
von Stamford hat nun in seinem fast zweistündigen
Vortrag, der ganz besonderes Interesse bot und von
den zahlreich erschienenen Zuhörern mit großem Bei
fall aufgenommen wurde, auf Grund der Aussagen
und im Auftrage der betheiligt gewesenen noch leben
den Offiziere, sowie nach Tagebüchern und sonstigen
zuverlässigen Quellen erschöpfend nachgewiesen, daß
der verletzende Vorwurf nicht nur in nichts zerfällt,
daß vielmehr das 1. Bataillon des 2. kurhessischen
Infanterieregiments auch hier wie immer seine volle
Schuldigkeit gethan, auch ein Grund zum Mißtrauen
in keinerlei Weise vorhanden gewesen, überhaupt und
ein solches nicht bestanden hat. Eine Genugthuung
ist denn auch bereits erfolgt. Der Herzog Ernst von
Coburg-Gotha hat brieflich erklärt, daß in einer-
späteren Auflage seines Werkes eine Berichtigung
erfolgen werde.
Wie wir vernehmen, ist ein einaktiges Lustspiel
des hochgeschätzten Mitarbeiters unserer Zeitschrift
D. Saul: „Die Stoiker", von der K. Intendanz
des Schauspielhauses in Kassel zur Aufführung an
genommen worden.