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Stoff beneidet, den er aus dem Kehricht der
Straßen schnupperte, Monate lang mich in Schnee
und auf Steinen gebettet; verschmachtend vor
Durst meinen Mund auf den grünlich schim
melnden Pfuhl gelegt; das Eis des Ebro hat
meine Weichen durchschnitten, das Meer meine
Kleider durchnäßt, die Schakale haben sich heu
lend nach dem ausgehungerten Leib Iber Schild
wache auf dem Fort Santa Cruz gesehnt. Der
Tod war mein täglicher Gast und hat rings um
mich 7000 meiner Kameraden hinweggenominen,
aber aus seinem Auge habe ich ein Leben ge
sogen, das mich gelehrt hat, das Leben zu ver
achten und den Tod zu lieben."
Dabei litt er schwer unter der Sehnsucht nach
der Heimath und die Sehnsucht im Herzen, die
Thräne im Auge und eine dunkle Zukunft vor
sich, suchte er mit Gewalt jeden Gedanken im
Keime zu zerdrücken, welcher nach .Vaterland,
Mutter und Liebe klang.
Außer der erwähnten Erzählung „Aus dem
Leben eines bösen Jungen" verdanken wir seinem
Aufenthalt bei der Fremdenlegion noch zwei Er
zählungen „Der Königin Gemahl" und „Maria
bitt' für mich." Sie waren zuerst in Dingel
stedts Zeitschrift „Salon" abgedruckt und fanden
eine sehr günstige Beurtheilung. In den Zeit
schriften „Morgenzeitung" und „Gutzkows
Telegraph" wurden sie als das Beste bezeichnet,
was seit langer Zeit auf dem deutschen Bücher
markt erschienen.
Koch war bei den Gefechten in Algier
mehrfach verwundet worden und auch schwer am
Lazarethfieber erkrankt, hatte aber, was selten
eintrat, Heilung in einem Lazareth gefunden.
Auch in Spanien war er gegen Ende seiner
Dienstzeit erkrankt und im Lazareth zu Pam-
pluna geheilt worden. Hier trat er zur katho
lischen Kirche über. Den ihm dadurch gewor
denen Anfeindungen trat er später durch einen
Artikel „Eine Bekehrung" in den Mainzer „Ka
tholische Sonntagsblätter" Nr. 28 Jahrg. 1846
entgegen. Ueber seine nach Entlassung der
Fremdenlegion erfolgte Rückkehr nach Kassel
schreibt Henrion: „Es war an einem September
abend des Jahres 1837, da schritt ein bärtiger,
von der Sonne tief gebräunter Fremdling auf
das Haus des Kreisraths Koch in Kassel zu.
Mit pochendem Herzen klopfte er an. Ein gutes,
alterndes Mütterchen öffnete ihm die Thür. In
dem fremden, bestäubten Mann erkennt sie
plötzlich den langvermißten Sohn und.mit dem
Rufe „Mein Ernst!" stürzt sie ihm laut auf
weinend in die Arme. Der Verirrte wurde mit
aller Liebe aufgenommen. Die Versöhnung mit
den Eltern war nach langen Jahren der erste süße
Tropfen in dem Wermuthskelche seines Lebens."
Da seine Bitte um Wiederaufnahme in den
Staatsdienst vom Kurfürsten nicht gewährt
wurde, sah er sich genöthigt, zur Bestreitung
seines Unterhalts auf dem Büreau des Ober
gerichtsanwalts Rösing zu arbeiten. Daneben
begann er eine Darstellung des hessischen Privat
rechts, auf welche er großen Fleiß verwendete,
die aber unvollendet blieb.
Eine Annäherung an die frühere Geliebte hat
nicht wieder stattgefunden. Der Lebensgang
beider hat sie auf immer getrennt. Henriette
von Bosse vermählte sich mit einem älteren
Ofsicier, dem braunschweigischen Obristlieutenant
von Buttlar, welcher früher in hessischen und
westphälischen Dienst gestanden hatte. Nach
Mittheilung einer ihrer Anverwandten ist sie
Verfasserin des Buchs „König Jorüme und seine
Familie im Exil", zu welchem ihr der Aufent
halt ihres Vaters bei dem entthronten König
den Stoff geliefert. Da auf dem Titelblatt des
oben erwähnten Buches „Palast und Bürger
haus" , dessen zweiter Theil unter dem Titel
„Eines Dichters Liebe", den Briefwechsel der
Liebenden und Briefe der Eltern der Braut
enthält, angegeben ist „Von der Verfasserin von
König Jeröme und seine Familie im Exil" so
ist aus verschiedenen Gründen nicht daran zu
zweifeln, daß sie auch Herausgeberin dieses
Buches ist. Der erste Theil enthält nämlich
eine große Anzahl amtlicher, geringes Interesse
bietender Berichte ihres Gemahls als Abge
sandten des Herzogs Karl von Braunschweig
an die deutschen Höfe in seinem Streite mit
Hannover aus den Jahren 1828 und 1829, und
im zweiten Theil spricht schon der Besitz der
Briefe und andere Andeutungen im Buche dafür,
daß die Herausgabe derselben durch sie geschehen
ist. Sie hat sich damit ein großes Verdienst
erworben, indem die Veröffentlichung der Briefe
viel zum Verständniß des Dichters, insbesondere
seines von Vielen, namentlich allen allzu
prosaischen Seelen, so vielfach verkannten Prinz
Rosa-Stramin mit beigetragen hat und außer
dem manche dunkle Stelle im Lebensgang des
Dichters aufzuklären geeignet war. Henriette
von Buttlar lebt verwittwet seit 8 Jahren in
Pisa.
Koch verlebte zwei Jahre in Kassel sehr still
und zurückgezogen, als ihm ein Schreiben seines
früheren Gönners Hassenpstug, welcher im Jahre
1839 zum Chef der Verwaltung des Groß
herzogthums Luxemburg ernannt war, zuging,
in welchem ihm die Stelle eines dortigen Re-
gierungssckretars angeboten wurde. Er säumte
nicht, die Stelle anzunehmen und vermählte sich
im Mai des nächsten Jahres in Luxemburg mit
einer Fräulein Möllendorf. Er führte eine sehr