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ein uralter, höchst einfacher, krippenartiger Stcinsarg
ohne Deckel und Inhalt. Ich glaube, daß er im
Schutte der Krypta gefunden worden ist. Dann ist
es ja möglich, daß in ihm einst Lull's Gebeine
ruhten — oder die Ueberreste Wittas (Albuins),
Lulls treuen Freundes; denn Lullus bereitete Witta
in seiner Stiftung die letzte Ruhestätte. Im Jahre
780 hatte er übrigens bereits die Gebeine des
heiligen Wigbert von Fritzlar nach Hersfeld versetzt,
und ist es wohl auch denkbar, daß jener alte Stein
sarg die Reste dieses Heiligen einst umschlossen hat.
Kd. Wdstdt.
Aus Acimath und Fremde.
Verein für hessische Geschichte und
Landeskunde. Der am 29. October im
„Verein für hessische Geschichte und Landeskunde" von
cand. hist. Hermann Diema r gehaltene Vor
trag über „Das Wappen als Zeichen recht
licher Verhältnisse" führte im Titel den Zu
satz: „mit besonderer Berücksichtigung
Hessens." Denn die allgemeinen Thatsachen und
Fragen des Wappenwesens und seiner Geschichte,
die zur Erörterung kamen, wurden belegt und ge
stützt, erhoben und begründet mit Hülfe einer Reihe
von besonderen Beispielen, welche, entsprechend dem
Vortragsort, großentheils der Hessischen Geschichte
entnommen wurden.
Von diesen Hessischen Bestandtheilen des Vortrags
inhaltes sind wir nun in der Lage das meiste aus
führlich wiedergeben zu können, während wir außer
dem nur soviel andeuten wollen, als zum Verständ
niß nothwendig erscheint. Wir schlagen gemäß den
Zwecken dieser Zeitschrift diesen Weg ein, obgleich
wir wissen, daß der Schwerpunkt der Ausführungen
des Vortragenden in deren allgemeinem Theile
lag, indem dieser vielfach Einzeluntersuchungen
heraldischer Quellen voraussetzte und in Anordnung
des Stoffes, Aufstellung der Gesichtspunkte, Begrün
dung Persönlicher Ansichten völliger Selbstständigkeit
bedurfte, während dem besonderen Theile anders
geartete, d. h. unmittelbarer ergiebige, eigentlich
historische Quellen flössen, und seinem Zwecke auch,
namentlich gerade auf Hessischem Gebiet, Unter
suchungen Anderer nutzbar gemacht werden konnten.
Der Vortrag hatte sich besonders die Betrachtung
des mittelalterlichen Wappenwesens zur Auf
gabe gesetzt. Denn dieses sei, im Gegensatz zu dem
der späteren Jahrhunderte, innig verwachsen mit dem
ganzen geistigen Leben seiner Zeit und gewähre oft
tiefe Einblicke in dessen Fühlen und Denken. Vor
allem eignet dem Wappenwesen eine hervorragende
Stellung in den Rechtsverhältnissen und im Rechts-
bcwußtsein des Mittelalters, und darum eben konnte
die Idee des Wappens als rechtlichen Zeichens
zu Grunde gelegt werden und den Ausgangspunkt
bilden für die Umschreitung und Durchstreifung des
jenigen Theilgebietes der Heraldik, das sich von dem
Gesichtspunkt jener Idee aus im Sehwinkel befindet.
Den Umfang dieses Theitgebietes galt es zunächst
zu bestimmen. Das geschah durch Trennung von
Wappenkunde und Wappenkunst, durch Ausscheidung
dieser und durch Theilung jener in Kunde (oder
Wissenschaft oder Geschichte) der 3 verschiedenen
Gegenstände: Einzelwappen, Wappenwesen und
Wappenkunst. Wie die heraldische Kunst, mußte
auch die heraldische Kunstgeschichte ausfallen. Die
Einzelwappenkunde dagegen erwies sich als gewichtige
Hülfswissenschaft der Geschichte des Wappenwesens,
und diese selbst, insoweit sie der Rechtsgeschichte zu
getheilt werden kann, ergab sich als das gesuchte
Gebiet.
Auf ihm war nun Ursprung und Bedeutung des
Wappens zu erörtern, dessen Begriff daher erst ein
Ergebniß der Untersuchung, keine Voraussetzung bil
dete. Als die 3 Grundlagen für die Entstehung
der Wappen wurden erkannt: die ritterliche Waf
fenrüstung, die Fahne und das Siegel; und als ent
scheidend für die Ausbildung der rechtlichen Seite
des Wappenwesens wurde die jeder dieser Grund
lagen an sich schon innewohnende Rechtsbedeutung
angesehen. —
Die Wappen stehen im allgemeinen ganz eben
sowohl wie im einzelnen in mannigfachen Beziehungen
und in enger Verwandtschaft mit den Namen und
den Titeln. Dieser Grundgedanke, wenn auch nicht
zu einem leitenden gemacht, trat immer wieder zu
Tage, bei der Betrachtung der Ritterattribute, der
Wappensymbolik (redende Wappen u. s. w.), der
Erbezeichen, der Bruche (Brisuren), der Amts- und
Würdezeichen, der Anspruchswappen, der Wappen
gruppen u. s. f. Er veranlaßte schon gleich bei der
Besprechung der Ritterattribute, daß der Nachweis,
wie streng das ausgebildete Ritterthum sich abschloß
als ein neuer, die alten Rangverhältnisse selbst bis
zum obersten Heerschilde durchbrechender Stand, außer
am Wappen auch am Titel gegeben wurde.
Denn wie der Hochadlige und der Priester nannte
sich auch der Ritter „Herr". Selbst seine Gattin
ward durch des Gatten Würde eine „Frau", und
nicht lange dauerte es, so nahm auch der Knappe
den Titel „Jungherr" in Besitz, seine Gattin wurde
eine „Jungfrau", wie etwa die Tochter eines Dynasten
oder wie eine Kanonisse. Allerdings wird noch im
14. Jahrhundert beim niederen Adel vielfach der
Knappe nur als Famulus, nicht auch als Do-
micellus bezeichnet, während der Ritter schon als
MiJes auch Dominus ist. So war in Hessen der
Gebrauch des Junkertitels beim niederen Adel derzeit
noch sehr beschränkt. Geführt ward er namentlich
in der freien Familie der Löwensteiner, die wir noch