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„Gin altes Kicd."*)
Von jenem Fenster tönt leise
Verhauchend zu mir ein Gesang,
Wie klingt so säst die liebe Weise,
Die einst auch nieine Mutter sang.
„Schlaf ein, mein gutes Kind, schlaf ein."
Wie oft hat sie's gesungen
Nun schläft sie selbst, die Mutter mein
Das Lied ist längst — verklungen.
Hdftar Kramer-Aangcrl.
Ans alter und neuer Zeit.
Bemerkenswerthe Grabsteine in der Ruine der
Stiftskirche zu Hersfeld.
Vial bedauert am Schlüsse des trefflichen Lebens
bildes, welches er in dem Hersfelder Gymnasial-
Programm vom Jahr 1864 von dem weiland geist
lichen Inspektor und Rektor des Gymnasiums zu
Hersfeld Dr. Konrad Mel geliefert hat, daß, als
im siebenjährigen Kriege die Stiftskirche zur Ruine
geworden, darin auch Mel's Grab spurlos geworden
sei und Vigelius wiederholt dies in seinen mit
vielem Fleiße verfaßten Denkwürdigkeiten von Hersfeld.
Mel's Grab ist aber keineswegs verschwunden, viel
mehr noch heute vorhanden.
Als die dem 12. Jahrhundert entstammende groß
artige Basilika des Stifts Hersfeld (sie wurde im
Jahre 1144 geweiht) im Jahre 1761 von den Franzosen
eingeäschert wurde, gingen sämmtliche aus Marmor,
Alabaster rc. angefertigte Epitaphien für immer zu
Grunde, während nicht wenige Sandsteingrabplatten
unter den Schuttmassen erhalten blieben. Die meisten
dieser letztern werden aber bei der nachherigen
Räumung der Ruine vom Brandschutt verloren
gegangen sein; sie werden zertrümmert oder werden —
wie dies bei solchen Anlässen meist der Fall ist —
als Baumaterial beseitigt worden sein. Rach ihrer
Reinigung diente die Ruine eine lange Reihe von
Jahren hindurch als städtisches Holzmagazin. Große
Mengen Holzes lagerten dort und wurden ab- und
zugefahren. Die Räder der schwerbeladenen Wagen
und die eisenbeschlagenen Hufe der Pferde haben
während dieser Zeit die verhültnißmäßig wenigen
noch übrig gebliebenen, namentlich die im Haupt
schiffe befindlichen Grabsteine meist arg beschädigt.
Zu Anfang der Dreißiger Jahre wurde das Holz
magazin erfreulicher Weise an einen andern Ort
verlegt und nun erfolgten einige Aufwendungen zur
Erhaltung der Ruine. Die bezüglichen Arbeiten
leitete der damalige Landbaumeister Müller in
verdienstlicher Weise. Hierbei wurde denn auch der
Schutt, welcher sich im Laufe der Jahre allmählich
*) Zn Musik gesetzt von Otto Kaletsch.
angesammelt hatte, gründlich entfernt, was zur Blos-
legung der noch verhandenen Grabsteine führte.
Ich besuchte damals das Gymnasium zu Hersfeld,
und es erregte die Aufdeckung dieser Grabsteine mein
höchstes Interesse. Die Inschriften wurden auf das
Eifrigste und so weit als möglich entziffert, und die
am besten erhaltenen mit Bildnissen versehenen Grab
platten habe ich mit großer Sorgfalt abgezeichnet.
Bei dieser Gelegenheit fand ich etwa in der Mitte
des Hauptschiffs, etwas nach dem südlichen Seiten
schiff hin, die Grabsteine Br. Mel's und seiner
Gattin. Beide liegen dicht nebeneinander. Leider
haben auch diese Steine durch Holzfuhren gelitten.
Doch sind die Inschriften in der Hauptsache noch
leidlich erhalten und deshalb gut zu lesen. Sie folgen
hier. Ich bemerke, daß die Punkte und Striche die ver
letzten, unleserlich gewordenen Stellen bezeichnen. Eine
Ergänzung dieser Stellen wird nicht schwer sein.
Jetzt werden die Steine wohl wieder mit Erde
bedeckt sein.
1) Dr. Mel’s Grabstein.
..... Aeternit . . .
y r!
In hac — — — mba ....
Exuv — — — — — arum
laetam exsp. — — — surrectionem
vir — — — — — doctissimus
— — — m
Conradus Mel.
S. S. Theologiae Doctor, Ecclesiarum
cipat — — Hersfeld. Inspector — — — icae
pastor prim . . Gymnasii Rector, societatum
ut Anglic — — — de Propaganda fide, ita
et scientiarum Berolinens. membrum illustre
qui edidit X . . . . libros, pietate et eruditione
maxime claros.
.... ex
Anna Jurskya, conjuge sua foecundissima,
suavissima XXIV liberos genuit, et in domino
placide obdormivit anno MDCCXXXIII, die
III Maji, postquam summa fidelitate — — —
— — — — populum docuerat XLIII annos et
vixerat annos LXVII X dies.
Abi, mortalis, et ut cras moriturus, vive. Vale.
2) Der Grabstein der Gattin Mel’s.
siste — — — — — —
Heic jacent exuviae
matronae virtuosiss . . .
Annae Mel
natae Jurskyae
quae nupta viro reverendo
Conrado Mel
V. D. M. R. SS. Theolog. Dr. ac Inspector,
cum quo vixerat annos XXXVIII conjux sua