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von Setjen er (Gr. Lichterfelde) erklärte sich gegen
den Antrag, Regierungsrath von Mühlenfels
(Braunschweig) stellte den Unterantrag, man solle
sich mit dem Journalistenverein in Verbindung setzen.
Dem gegenüber erklärte Prof. Riegel, in Ueber
einstimmung mit von Leixner, man müsse den Schein,
als ob man einen Zwang ausüben wolle, jedenfalls
vermeiden; er stellte als allgemeinen Grundsatz auf,
daß alle derartigen Schritte zunächst vertraulicher
Natur sein müssen; man möge es dem Gesammt-
vorstand überlassen, welche Schritte er weiterhin in
dieser Sache zu thun für gut fände. Nachdem das
selbe auch von Inspektor Dr. Schulz (Halle) be
fürwortet war, wurde der Antrag für erledigt erklärt
und die erste Hauptsitzung hiermit geschlossen.
Der Nachmittagsausflug nach Wilhelmshöhe, für
welchen durch das dankenswerthe Entgegenkommen
der Bauverwaltung das Anlassen der Wasserkünste
ermöglicht war, wurde leider vom Wetter wenig be
günstigt. Abends fand eine Festvorstelluug im
Königl. Theater (die Karlsschüler) statt und nach
Schluß derselben vereinigte der Stadlpark noch eine
große Zahl der Fremden und Einheimischen in
zwangloser Geselligkeit.
Die zweite Hauptsitzung begann Sonntag früh um
10 Uhr im Festsaale des Wilhelmsgymnasiums. Das
Wort erhielt zunächst Prof Dr. Wätzold (Berlin)
zur Verkündigung einer Preisaufgabe. Es werden
aus Vereinsmitteln 1000 Mark ausgesetzt für die
beste Lösung der Aufgabe: „Unsere Muttersprache,
ihr Werden und ihr Wesen Die Arbeit, für die
der 1. Dezember 1889 als Ziel gesetzt ist, soll auf
sicherer wissenschaftlicher Grundlage beruhen, aber
nicht gelehrt, sondern gemeinverständlich sein. Sie
soll nicht eine theoretische Darstellung der deutschen
Sprache sein, sondern eine anschauliche Schilderung
derselben nach ihrer Entstehung, ihrem Wesen und
ihren Eigenthümlichkeiten, ihren Vorzügen und
Schwächen, wobei andere lebende Sprachen zum
Vergleich heranzuziehen sind. Im geschichtlichen
Theil sollen das 16. und 18. Jahrhundert besonders
berücksichtigt werden. Weiterhin ist das heutige Ver
hältniß zu den anderen Sprachen klar zu stellen.
Als Ergebniß des Ganzen sollen die Grundbedingungen
für richtigen, klaren und edlen deutschen Ausdruck
gefunden werden. Der Bearbeiter muß somit nicht
nur Sprachforscher, sondern in gewissem Sinne
Dichter sein. Reicher Beifall folgte den nach
Inhalt' und Form glänzenden Ausführungen des
Redners.
Es folgte der Vortrag des Bibliothekars Dr.
Loh meyer (Kassel): „Unsere Vornamen, ein Stück
deutscher Sittengeschichte". Der Redner ging davon
aus, daß bei der Reinigung der deutschen Sprache
mit aller Vorsicht zu Werke gegangen werden müsse;
wenn wir für einen Begriff keinen völlig deckenden
deutschen Ausdruck finden können, so muß das Fremd
wort stehen bleiben. In einem Falle aber ist
jegliche Zurückhaltung fallen zu lassen, wenn es sich
nämlich um die Benennung von etwas Neugewordenem
handelt; dann soll man nicht das griechische Wörter
buch wälzen, sondern frisch hineingreifen in den
reichen Schatz unserer Muttersprache. Zu dem
Edelsten vor Allem, was neugeworden, namenlos in
die Welt tritt, rechnen wir unsere Kinder. Der
Reichthum der deutschen Sprache an Eigennamen
(Vornamen) ist unendlich. Alles, was unseren Vor
fahren als schön und edel und begehrenswerth erschien,
legten sie in ihre Namen hinein, und indem sie in
den stets zweistämmigen Namen die Freiheit immer
neuer Verbindungen von Begriffen hatten, wuchs deren
Fülle in's Unermeßliche hinein. Von allen diesen
Tausenden und Abertausenden deutscher Namen sind
nur klägliche Trümmer — im Ganzen etwa ein
Schock männlicher und weiblicher Namen übrig.
Griechischen, lateinischen, slavischen, romanischen Ur
sprungs ist die Mehrzahl unserer heutigen Vornamen
— nicht zu gedenken der elenden Entstehungen durch
fremdartige Umgestaltung. Aber unsere Edelsteine,
die um glitzernde Glasperlen vertauscht sind, sie sind
noch nicht unwiederbringlich verloren, nur eine Schicht
Staub verdeckt sie; noch ist fast alles Verlorene
wiederzugewinnen. Dazu bedarf es aber des Muthes
der That, die allein schöpferisch ist. Haben wir ein
Uebel als solches erkannt, so müssen wir es durch
die That bekämpfen. Der Mensch kann alles, was
er will; wollen wir also!" Anhaltender Beifall
folgte dem hier nur im gröbsten Umriß angedeuteten
Vortrag. Der sich stofflich daran schließende Antrag
des Zweigvereins Graz, sich mit Herausgebern von
Kalendern wegen Zufügung eines deutschen Namen
verzeichnisses zu den vorhandenen (kirchlichen) in
Verbindung zu setzen, führte zu einer von Herrn
Dr. von Leixner beantragten Entschließung, dem
antragstellenden Zweigverein einstweilen die Aus
führung zu überlassen. Professor Dr. Dünger
(Dresden) regte die Herstellung eines deutschen
Namenbuches mit Angabe der Bedeutungen der ein
zelnen Namen an, welche dem Zweigverein Kassel
übertragen wurde.
Daran schloß sich der Vortrag des Oberlehrers
Dr. Saalfeld (Blankenburg a. H.): „Deutscher-
Spruch, deutsche Art". Da der Vortrag jetzt im
Druck erschienen ist (Sprachreinigendes und Sprach-
vereinliches. Splitter und Balken. Berlin, Reinecke,
1888) mag eine Angabe des Inhaltes hier unter
bleiben; es handelte sich, wie der Vorwurf zur Genüge
ausdrückt, um ein farbenreiches Bild von deutscher
Sitte und Art, einen Kranz, geflochten aus deutschen
Dichterworten.
Nachdem das Ergebniß der Neuwahlen zum Ge-
sammtvorstand (bestehend aus 36 Mitgliedern) mit
getheilt und die Bestimmung des nächsten Versamm
lungsortes — es lagen mehrere Einladungen vor —