Außer den bereits eingetrosienen auswärtigen Fest-
theilnehmern hatten zahlreiche Gäste aus unserer
Stadt, namentlich auch das schöne Geschlecht, der
Einladung des Kasseler Zweigvereins Folge geleistet
und bezeugten an diesem Abend, wie bei allen
folgenden Theilen des Festes durch ihre Anwesenheit
ihre rege Antheilnahme an den Bestrebungen des
deutschen Sprachvereins. Gymnasialdirektor Dr.
Heußner begrüßte die Versammlung mit warmen
Worten; er wies als auf eine günstige Vorbedeutung
für die Verhandlungen darauf hin, daß dieselben
stattfinden sollten auf dem Boden, wo die Brüder
Grimm gelebt haben, sie, die leuchtenden Sterne
deutscher Wissenschaft, deren ganzes Leben dem deut
schen Volke und seiner Sprache geweiht war. „3>u
ihrem Geiste möge unsere Arbeit gefördert werden,
in ihm heiße ich Sie willkommen!“ Es wechselten
nun Vorführungen mannigfacher, vorwiegend musi
kalischer Art miteinander ab: vierstimmige Männer
chöre, Einzelgesang und Violinspiel. Von sonstigen
Vorträgen ist noch hervorzuheben, die Vorführung
einer hübsch erfundenen Dorfgeschichte in nieder
hessischer Mundart durch Pfarrer Opper. Die
Zwischenpausen wurden durch allgemeine Lieder und
Streichmusik der 83er ausgefüllt und bis in die späte
Mitternachtstunde blieb die Versammlung in an
geregtester Stimmung zusammen.
Die Verhandlungen begannen mit der ersten
Hauptsitzung Sonnabend früh 10 Uhr im großen
Stadtparksaal, wo schon vorher eine vom Kasseler
Zweigvorstand veranstaltete Ausstellung einschlägiger
Bücher und Zeitschriften vielseitigen Zuspruch ge
funden hatte. Herr Professor Dr. Riegel er
öffnete die Versammlung, indem er darauf hinwies,
daß eine Bewegung wie die des Deutschen Sprach
vereins erst möglich geworden sei durch die Wieder
geburt des deutschen Reiches; er gedachte der beiden
großen Kaiser, welchen diese verdankt wird und der
tiefen Trauer, in welche ihr Abscheiden das deutsche
Volk versetzt hat. Doch blickt es nicht mit Bangen
in die Zukunft; sehen wir doch auf dem Throne
den Enkel, den Erben nicht nur seiner Väter Krone
und ihres Ruhmes, sondern auch ihrer hohen
Herrschertugenden. Begeistert stimmte die Versamm
lung ein in den Ruf: „Hoch lebe der deutsche Kaiser,
König Wilhelm II.!" Der Vorsitzende des Zweig
vereins Kassel, Geheimer Regierungsrath Fritsch,
begrüßte sodann die Versammlung Seitens des
hiesigen Zweigvereins, Herr Oberbürgermeister Weise
Namens der Residenzstadt Kassel. Es folgte die
Erstattung des Geschäftsberichts durch den Vorsitzenden.
Der Verein zählt jetzt 106 Zweigvereine mit über
7000 Mitgliedern, sowie 4—500 unmittelbare Mit
glieder. Die Zweigvereine vertheilen sich meist auf
das östliche Deutschland und Oesterreich; im Westen
und in Süddeutschland sind sie noch dünn gesät.
Doch ist der Boden überall gut und es kommt meist
nur auf die Anregung durch geeignete Männer an,
deren Gewinnung von höchster Wichtigkeit ist. Für
die nächste Zeit ist die Gründung einer Anzahl
von Zweigvereinen in Bayern in's Auge gefaßt.
Der Deutsche Sprachverein ist unbedingt parteilos;
jeder Deutsche ist zur Mitarbeit herzlich willkommen.
Die Bestrebungen, bei den Behörden Boden zu ge
winnen, wurden vielfach von Erfolg gekrönt.
Eine Monatsschrift, welche auf wissenschaftlicher
Grundlage volksthümlich gehalten ist, dient zur För
derung der Vereinszwecke.
Die neuausgearbeiteten Satzungen, deren Auf
stellung Oberlehrer Dr. S a a l f e ld (Blankenburg
a. H.) begründete, wurden einstimmig angenonunen.
Auch der Antrag des Zweigvereins Neichenberg
(Böhmen), eingeleitet durch den Vertreter desselben,
Schriftsteller Sedlack, daß in Zukunft für die
Geldbeiträge der österreichischen Zweigvereine nicht
der wechselnde Tageswerth der österreichischen Wäh
rung, sondern ein bestimmter Werthansatz maßgebend
sein solle, wurde dahin angenommen, daß von jetzt
an der Gulden ein für alle Mal gleich zwei Mark
zu rechnen ist.
Es folgte der Bericht des Professor Dr. Dünger
(Dresden) über die von: Verein unternommenen
Verdeutschungsarbeiten. Fertig gestellt und heraus
gegeben ist die Verdeutschung der Speisekarte, davoll
ist auch ein Auszug in Anschlagform zum Aufhängen
in Küchen u. s. w. hergestellt worden. Viele andere
Gebiete finb von einzelnen Zweigvereinen in Arbeit
genommen (die Volks- und höhere Schule, die Hoch
schule, der ärztliche Beruf, das Gerichtswesen, der
Handel, Eisenbahnen, öffentlicher Verkehr, Musik,
Theater, Fachwesen u. s. w.). Der Berichterstatter
hält es für geboten, zusammengehörige Gebiete nicht
zu trennen, oder doch, wenn einzelne Zweige für sich
bearbeitet werden, diese Behandlungen nachher in das
größer Gebiet hineinzuarbeiten. Nützlich und noth
wendig ist es, für jedes Fremdwert lnehrere Ver
deutschungen anzugeben, auch falls es in gewissem
Zusammenhang unersetzlich ist, es als erste Verdeut
schung selbst noch ein Mal zu setzen, dann aber
möglichst in deutscher Schreibung (Likör, Bote). Auch
ist es ersprießlich, kurze Beispiele anzufügen. Ueber-
all ist große Vorsicht geboten; Uebereifer kann nur
schaden. Das Endergebniß muß ein allgemeines
Verdeutschungswörterbuch sein, das dermaleinst ein
bleibendes Ehrendenkmal für den Verein darstellen
werde.
Den Beschluß der Sitzung bildete der Antrag des
Zweigvereins Marburg a. Drau: „Der Gesammt-
vorstand wolle mit den wichtigsten deutschen Zeitungen
Verdeutschungen für die sich regelmäßig wieder
holenden fremden Ausdrücke, wie Redakteur, Expedition,
Abonnement, Feuilleton u. s. w. vereinbaren, und
darnach alle deutschen Zeitungen veranlassen, sich
derselben ausschließlich zu bedienen". Dr. Otto