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hinterlassenem Werke (Marburg 1881 , Elwert's
Verlag) an seinem Orte nachlesen.
Über die Belehnung des hessischen Landes-
Herren mit der Landgrafschaft Thüringen — die
gemeiniglich grundfalsch dargestellt wird, habe ich in
meinem Nachtrags-Bande zu Vilmars Idiotikon
unterm Titel „Raspe" mich schon ausgelaßen. In
den Melsunger Hess. Blättern nahm ich einst Ge
legenheit, über Gottfried Kinkel's unglaubliche ge
schichtliche Irrtümer zu handeln. Er macht Otton,
der vielleicht nie seinen Fuß über die Werra gesetzt
hat, zu einem thüringischen Fürsten-Sohne.
Bei all dieser thüringischen Romantik, worin die
Gegenwart befangen ist, kömt nur leider hessisches
Volkstum und hessischer Taten-Ruhm zu kurz. Nie
mandes Ehren wollen wir kränken; unsere Geschichte
aber müßen wir beßer lernen — und dann uns
wehren.
Kcrmann v. Nfisler.
— In dem XVI. Jahrhundert blühten in Deutsch
land nicht allein die Wissenschaften, es war ja das
Zeitalter des Humanismus, auch die Kunst des
Weintrinkens hatte zahlreiche Verehrer, ganz
besonders unter den Gelehrten. Was Kelius
Eobanus Hessus in dieser edlen Kunst zu leisten
verstand, haben wir bei anderer Gelegenheit dar-
gethan, ihm standen würdig zur Seite die hessischen
Dichter Eurieius Cordus und Petrus Paganus.
Aber auch unter den Edelleuten gab es große Hel
den in dieser Kunst: so lebte in jener Zeit ein hes
sischer Edelmann aus einem der ältesten und an
gesehensten Geschlechter, dem Vilmar nachrühmt, daß
er ein geistig lebendiger und für die geistigen In
teressen sehr empfänglicher Mann, ein Gönner des
Dichters Burkard Waldis, eines der allerberühmtesten
Hessen, gewesen sei. Ein großer Freund und För
derer lustiger und toller Streiche, besaß er auch einen
unüberwindlichen Hang zum übermäßigen Trinken.
Landgraf Philipp verbot ihm das Weintrinken, da
nahm er eine Hand voll geschälter Gerste, warf sie
in einen mächtigen Topf, goß diesen voll Wein und
aß denselben als Weinsuppe, die zu essen ihm ja
nicht verboten sei, mit dem Löffel aus. Man klagt
heute so oft darüber, und nennt es einen „Fehler
im Schöpfungsplan, daß man das Essen nicht trinken
kann/ die umgekehrte Lösung dieses „Räthsels der
Natur- ist aber sonach vor länger als 300 Jahren
jenem Edelmann gelungen. Wem fällt dabei nicht
das Lied „des Klausners Schwur- von Rudolf
Baumbach, komponirt von Franz Abt, ein, welches
Aufnahme in das Allgemeine Deutsche Kommersbuch
gefunden hat? Jener hessische Edelmann und lustige
Weinfreund erreichte übrigens nur ein Alter von
42 Jahren. Er starb zu Anfang Oktober 1567.
Aus Heimat!) und Fremde.
Am 1. October ist der Prorektor und Gymnasial
oberlehrer an dem Gymnasium zu Fulda, der
Historiker ProfessorI.Gegenbaur, nach 44jähriger
ununterbrochener Thätigkeit als Lehrer an der dortigen
Gelehrtenschule in den Ruhestand getreten. Gesund
heitsrücksichten haben ihn veranlaßt, um seinen Ab
schied einzukommen. In Anerkennung seiner viel
fachen Verdienste um die Fuldaer Studienanstalt ist
ihm der rothe Adlerorden vierter Klasse verliehen
worden. Es kann nicht unsere Absicht sein, die
Wirksamkeit des Professors Gegenbaur als Lehrer
hier zu würdigen, das müssen wir einem Fachmanne
überlassen, wohl aber halten wir es für geboten, seiner
fruchtbaren und erfolgreichen schriftstellerischen Thätig
keit, die schon frühe begann, zu gedenken und die
Hauptmomente aus seinem Leben hervorzuheben.
Jakob Gegenbaue ist am 9. November 1819 zu
Ahl bei Salmünster geboren. Er besuchte vom Herbst
1832 bis zu Ostern 1840 das Gymnasium zu
Fulda und zählte zu den tüchtigsten und talentvollsten
Schülern dieser Gelehrtenschule. Nach rühmlichst be
standenem Maturitätsexamen bezog Gegenbaur die
Universität Marburg, um Mathematik, Geschichte und
Philosophie zu studiren. Am Gymnasium war er
ein Lieblingsschüler Franz Dingelstedt's gewesen, der
seine poetische Begabung wohl zu schätzen wußte. Als
Franz Dingelstedt zu Ende des Jahres 1840 sich
entschloß, den „Salon" herauszugeben, der hier in
Kassel 1841 und 1812 im Verlag und Druck von
Hotop erschien, und zu den besten Zeitschriften zählt,
die Kurhessen je besessen, übertrug er den: jungen Stu
denten Jakob Gegenbaur die Redaktion, und wohl
ein Jahr lang verblieb derselbe in dieser Stellung.
Der Salon enthält eine große Anzahl von Gedichten,
Novellen und Theaterkritiken, die seiner Feder ent
stammen. Mit Franz Dingelstedt blieb Gegenbaur
auch später in sehr vertrauten Beziehungen und
seinem ehemaligen Lehrer hat er stets ein dankbares
Andenken bewahrt. Nach Marburg zurückgekehrt, setzte
er seine unterbrochenen Fachstudien fort. Jener Zeit
entstammen viele Gedichte Gegenbaur's, von denen
u. W. einzelne den Weg in's Deutsche Kommersbuch
gefunden haben. Als im Jahre 1843 die in Mar
burg studirenden Fuldaer am 5. Juni auf der
Spiegelslnst das Bonifatiusfest feierten, das bei allen
Theilnehmern heute noch in bester Erinnerung steht,
da war es Gegenbaur, der das Festlied dichtete,
das mit den Worten anhebt:
„Laßt mir der Heimath trautes Banner wallen,
Das Grüße bringt vom Fulda-Strand!"
Im Frühjahr 1844 bestand Gegenbaur sein Fakul
täts-Examen und im Herbst 1844 trat er beim
Gymnasium zu Fulda als Praktikant ein. Am 17.
April 1845 ereignete sich auf einem dortigen Felsen
keller, der Bachmühle, der entsetzliche Vorfall, daß