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berger," die Perle der deutschen Weine, seine
vorzügliche Güte der rühmenswertsten Sorgfalt,
mit welcher in den Fnldaischen Landen auf den
Befehl des Fürsten die Rebenkultur gepflegt
wurde.
(Fortsetzung folgt.)
WH
Hessische Volkslieder.
Von M. Herbert.
er Abends in der Nähe von Dorf oder
kleiner Stadt unserer engeren Heimath
hinaus tritt, besonders zur lieben Sommers
zeit, der mag auf steinerner Bank oder am Feld
rain sitzeild, vielleicht auch wandernd, in langer
Reihe hessischen Burschen und Mädchen aus dem
Volke begegnen, die wie im Winter in der
Spinnstube es jetzt in der lauen Luft des
Juli-Abends, nicht müde werden durch Stunden
ltnd Stunden Lieder zu singen: Weisen aus
dem Gesangbuch, patriotische Lieder in der Schule
gelernt, zuweilen aber auch und zwar am meisten
Volksklänge, die sich durch Jahrhunderte von
Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt haben, inhaltlich
sich gleich bleibend, wenn auch im Wortlaut sich
verschiebend, wie ein werthvoller Familienschmuck,
dessen Steinen dann und wann ein Enkel neue
Fassung gegeben. Diese Lieder bringen alle, wie
es ja das Wesen des Volksliedes ist, ihre eigene
Melodie mit, und so ungleich oft ihr Reimfall,
so ungleich ist auch ihr musikalischer Rhythmus,
immer aber drücken sie, oft mit ergreifender
Lebendigkeit, das Gefühl, den Gedanken, die
Situation aus, aus welchen sie hervorgingen.
Manch altbekanntes Stücklein trifft da unser
Ohr, wie: Jetzt gang i an's Brünnele" — oder
„Es waren zwei Königeskinder.", „Es wohnte
ein König am tiefen Rhein", auch: „Ich hört'
ein Sichlein rauschen" rc. Aber auch Weisen,
die vielleicht noch keinem Forscher begegnet sind,
tauchen auf, zuweilen tief und mächtig, aber
immer das alte Thema variirend: '
,Es ist ein alt, gesprochen rat
.,Wer man vor hundert Jahren
„unb wer nie laid versuchet hat,
„wie mag der lieb erfahren?"
Das Volkslied, ganz die Geburt einer wirk
lichen Situation „gefunden, nicht erfunden" hat
nichts Kunstmäßiges, Reflektirtes. Fast jedes Volks
lied braucht eigentlich einen Kommentar um ver
ständlich zu sein; aber gerade mit seiner naiven
Voraussetzung, als sei die ganze Welt Mitwisserin
seines Geheimnisses, mit seinen willkürlichen
Sprüngen von einem Gefühl und Gedanken un
vermittelt hinüber zum anderen, schlägt es an
unser Herz mit der Kraft der Wahrheit und
Natürlichkeit. Die Lieder, welche hier mitgetheilt
werden, behandeln alle die Klage der Untreue,
in zweien wiederholt sich sogar der Gedanke mit
den nämlichen Worten. Sie werden im Kreise
Melsungen mit kleinen Varianten ziemlich all
gemein bekannt sein.
Lieblich und originell, trotz des banalen Schlusses,
eine kleine Novelle des Herzenslebens, scheint uns
besonders das folgende:
Er-
»Alle Leute, die Dich kennen,
Sagen dies und das von Dir.
Sagen All', ich soll Dich lassen —
Aber was gilt das bei mir!
Vater, Mutter sind dagegen —
Schatz, Du weißt es selber, wohl;
Darum muß ich Dich befragen,
Wie ich mich verhalten soll?"
Sie:
„ Erste Liebe kommt von Herzen,
Zweite aber brennt zu heiß!
O wie glücklich ist das Mädchen,
Das von keiner Liebe weiß.
Laß sie reden, laß sie fragen!
Angcbroch'ne Blum' laß stehn!
Magst getrost mit all' den And'rcn,
Schatz an mir vorübergehn.
Sollt' ich aber unterdessen
Auf dem Todbett schlafen ein,
O so pflanz auf meinem Grabe
Rosen und Vergißnichtmein!"
Alte, ewig neue Geschichten sind alle diese
Klänge:
I.
, Stets in Trauer muß ich leben,
Stets in Trauer muß ich sein,
Denn mein Schatz ist untreu worden,
Gab die alte Liebe drein."