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dahin, daß die Aburtheilung durch den Kriminal-
Gerichtshof des Fulda-Departements zu Kassel
zu erfolgen habe, weil die, dem Betreffenden zur
Last fallenden Verbrechen zum größten Theil in
diesem Departement verübt worden seien.
So wurde denn dieser grauköpfige Gauner
unter dem 15. März von Marburg nach Kassel
übergeführt, wohin aus gleichem Grunde die
Auslieferung seiner Genossen: des Hann-Jost
Mein; Kaspar Kreuz; scheelen Rößlers; Erkelschen
Schusters; Lieder-Konrads und rothen Beckers
bereits erfolgt war oder noch erfolgte.
Im Gefängnisse zu Kassel befand sich bereits
die ganze Druckersche Familie: die alte Druckerin,
die nach der Gefangennahme des alten Druckers
sich ihrem Galan, dem Erkelschen Schuster, wieder
zugesellt hatte, ihre drei Töchter, Christiane,
Druckers-Dickes (starb dort im Gefängniß), die
schöne Gertrud, die sich in Welle im Waldeckischen
mit dem zurückgekehrten schwarzen Hann-Adam
wieder zusammen gefunden und eine 'zeitlang mit
ihm gelebt hatte, der sechzehnjährige Konrad und
die dreizehnjährige Anne-Marie. —
Im Laufe der Untersuchung wurden noch ein
gezogen oder von auswärtigen Gerichten requirirt:
Wilhelm Reinhold, Michelchen oder der kleine
Michel (Hann-Michel Weißmann aus Laudenbach,
Kreis Eschwege); Franz Megges (Schwager des
rothen Konrad und ein Hauptvertrödler gestohlener
Waaren); der Blankenroder Hüttenmann Lorenz
Kins und die Brüder Philipp und Alexander
Müller. Außerdem wurden noch eine Menge
Wirthe, Herbergierer und jüdische Handelsleute
als Hehler in den Anklage-Zustand versetzt.
Die Gerichtsverhandlungen begannen am 27.
Oktober und währten 14 Tage. Eine hervor
ragende Rolle spielte bei denselben, wie bereits
angeführt, der ehemalige Schwarze Hann-Adam
als „Königs"- oder „Kronzeuge." Am 10. bezw.
11. November wurde das Urtheil verkündet, es
lautete bei der Mehrzahl auf lebenslängliche oder
zeitweise mehr oder minderschwere Freiheitsstrafen,
gegen den alten Drucker aber, Mannes, scheelen
Rößler, Erkelschen Schuster und den kleinen
Michel wurde auf Hinrichtung durch das Schwert
erkannt. König Jerome begnadigte den alten
Drucker mit Rücksicht auf seine grauen Haare und
den Umstand, daß er geständig gewesen war, zu
lebenslänglicher Eisenstrafe; an den vier Uebrigen
kam dagegen das Urtheil am 7. Dezember 1812
auf dem Forste zum Vollzüge.* **) )
Folgen wir an dieser Stelle dem trefflichen
Fr. Müller'schen Werke „Kassel seit siebenzig
*) F. L. A. von Grolmann. Aktenmäßige Geschichte
der Vogelsberger und Wetterauer Räuberbanden. Seite 461.
Jahren."*) Nach ihm wurden die Verurtheilten
zu gleicher Zeit hingerichtet. Man sah dieselben
auf den Todtenschemeln an den vier Ecken des
Schaffots befestigt. An dem jugendlichen, kleinen
Michel oder Michelchen legte der Sohn des
Scharfrichtes**) sein Probestück ab, indem er
ihm kunstgerecht das Haupt vor die Füße legte,
worauf der Vater ausholte und ohne zu pausiren
und ohne das Richtschwert abzusetzen, an den drei
Andern das Gerichts-Urtheil vollzog, welchem scharf
richterlichen Bravourstück das in großer Menge her
bei geströmte, neugierige Volk laut applaudirte.
„So wurde auch das Schrecklichste in dieser
Zeit wie eine Theater-Aufführung behandelt!"
setzt der geehrte Verfasser bedeutsam hinzu. —
Fünf Tage nach dieser schauervollen Hinrichtung
in Kassel, am 12. Dezember 1812, folgte vor
dem Kriminalgerichtshof des Werra-Departements
sodann die Verurtheilung der Andern. Gegen
Weidenbaums-Görg,denschwarzenLiborius, Gilbert
Eller, Leyser, den rothen Konrad und Güul-
Afromche wurde auf Hinrichtung durch das Schwert
und gegen die Uebrigen, früher bereits namhaft
gemachten, auf lebenslängliche oder zeitweise mehr
und minderschwere Freiheitsstrafen erkannt. Der
König begnadigte von den zum Tode Verurtheilten
diejenigen, die sich während der Untersuchungen
geständig gezeigt, so Weidenbaums-Görg und den
schwarzen Liborius zu lebenslänglicher Eisen-
und Leyser zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe,
dagegen fielen die Häupter Gilbert Ellers, des
rothen Konrad und Gäul-Afromche's die bis zum
letzten Moment leugneten, am 1. Februar 1813
auf dem Rabenstein zu Marburg.
Damit war das Land von einer Plage befreit,
die wie ein schwerer Alp über ein Jahrzehnt lang
auf ihm gelastet hatte; denn wenn auch ein großer
Theil der Räuber entwischt war, so das schlaue
jüdische Gesindel, namentlich der gefährlicheFührer
desselben, Mentel Polack, so mieden sie doch für
immer das Land.
Gottlob, daß die Zeiten dahin sind, in welchen
es möglich war, daß derartiges Gesindel zwei
Jahrzehnte hindurch dem waltenden Arm der Ge
rechtigkeit trotzend, das Eigenthum gefährden und
die Bevölkerung großer Landstriche in Angst und
Schrecken setzen konnte. —
*) Fr. Müller. Kassel seit siebenzig Jahren. Seite
51. Dort werden jedoch irrthümlich der „rothe Konrad"
und „schwarze Peter" unter den Hingerichteten aufgeführt.
Der rothe Konrad wurde in Marburg am 5. Dezember
1812 verurtheilt und am 1. Februar '1813 daselbst hin
gerichtet; einen „schwarzen Peter" aber führen die Akten
nicht auf; es dürfte am Ende der große Hann-Peter (je=
meint sein; doch starb dieser vor jeder Verurtheilung im
Gefängnisse zu Marburg. Der Verfasser.
**) Hann-Michel Rademann von Bettenhausen.