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(744). Die eigentliche Gründung von Abtei
und Stadt Hersfeld geschah durch Lullus,
ebenfalls Schüler des Bonifacius und wie dieser
aus Britannien stammend (geb. 702) und von
demselben zum Nachfolger bestimmt, in der Zeit
von 769—775, nämlich von dem Beginn der
Regierung Karls des Großen bis zur Abfassung
der ältesten Urkunde über Hersfeld, 5. Juni
775, Uebertragung des Stifts an den König
auf einem Reichstage in der Pfalz gegen Ver—
leihung von Privilegien. Königliche Schenkungen
775—786 erweiterten das Stieftsgebiet. Im
Jahre 780 wurden die Gebeine des heiligen
Wigbert hingebracht und dieser zum Schutz-—
heiligen von Hersfeld erhoben. Lullus, 782 so—
zar Erzbischof von Mainz, wandte doch seine
Hauptthätigkeit seiner Lieblingsschöpfung, der
Abtei Hersfeld, zu und starb auch dort 16. Ok—
tober 786. Zum Gedächtniß seines Todestags
wird zu Hersfeld alljährlich das Lublusfest
gefeiert, ein Fest, wie es wenigen Städten eigen,
bestehend in großen Umzügen und Anzündung
von Freudenfeuern. Bei seinem Tode zählte
das Kloster 150 Mönche und hatte durch seine
ausgedehnten Besitzungen großen Einfluß in
Hessen und Thüringen. Es scheint sich der
kaiserlichen Gunst sehr erfreut zu haben. Ludwig
der Fromme hielt sich dort auf bei seinem Kriege
mit seinen Söhnen (840), und Ludwig der
Deutsche entschied daselbst den Streit des
Abtes Brunwart mit den Diöcesanen zu
Gunsten des Ersteren (845). Die Klosterschule
zu Hersfeld blühte damals wie die zu Fulda,
und die sich um dieselbe allmählich bildende
—A
Vom 10.—13. Jahrhundert sind die Schicksale
Hersfelds mit denen des Kaiserhauses verbunden.
Von Konrad J. wurde die Wahlfreiheit der
Aebte bestätigt (915), desgl. von Heinrich J.
(925), unter dem 2 Aebte zu Bischöfen von
Hildesheim erhoben wurden, und Otto J. dem
Großen, welchen auf seinem Römerzuge der Abt
Günther begleitete (962).
Abt Agilulf unterwärf das Kloster Hersfeld
dem päpstlichen Stuhle (968), die Klosterzucht
purde von da ab gelockert durch die großen
Schenkungen und durch die Römerzüge der Kaiser
Otto II. und III., und verkam vollends unter
dem Abte Bernhari, indem die Mönche gleich
den Kanonikern besondere Wohnungen hatten,
Pferde hielten, in Ueppigkeit lebten und die
Klostergüter vergeudeten. Abt Bernhari zog
sich in Reue über das geführte Sündenleben in
das auf dem Petersberge bei Hersfeld gestiftete
Kloster zurück. Kaiser Heinrich II. der Heilige,
stellte die Ordnung wieder her und übergab die
Abtei Hersfeld dem Abte Godehard von
lteich in Baiern, dessen Werth er schon als
Herzog von Baiern schätzen gelernt hatte, welcher
ie aber erst nach dem Tode Bernhari's annahm
1005). Die Wohnhäuser der Mönche wurden
ibgebrochen, die Zierrathen eingeschmolzen. 50
Mönche verließen das Kloster, kehrten jedoch
zrößtentheils zurück. Godehard legte, seine Sen—
ung für erfüllt ansehend, das Amt des Abtes
tieder (1012), um nicht lange danach den
ischöflichen Stuhl von Hildesheim zu besteigen.
Die Klosterschule blühte von Neuem auf, es
jatte aber das Kloster wiederholt Fehden mit
Fulda zu bestehen. Einer ruhigeren Zeit unter
daiser Heinrich III. folgten unter seinem Sohn
ind Nachfolger Heinrich IV., der sich zu Hers—
eld wiederholt aufhielt, infolge von dessen
dämpfen, besonders mit den Sachsen, verworrene
Zustände. Ein Streit Hersfelds mit Mainz
iber Zehnten in Thüringen wurde von dem
daiser auf dem Reichstage zu Erfurt zu Gunsten
»on Mainz entschieden (1073).
Größerer Glanz herrschte unter dem Hohen—
taufischen Kaiserhause, unter welchem sogar Abt
Zermann den Gebrauch der bischöflichen
Ittribute erhielt (1162), jedoch nicht lange, in—
dem die von den Kaisern eingesetzten Vögte
zes Klosters nach und nach eine eeht
ztellung einnahmen und in ihren deshalbigen
Bestrebungen von den Kaisern, namentlich
Friedrich J. Barbarossa, begünstigt wurden.
Redner gab darauf eine ausführliche Zusam—
nenstellung des Güterbesitzes des Klosters
Zersfeld auf Grund eines Verzeichnisses aus
»em 9. Jahrhundert, von welchem eine Abschrift
zus dem 11. Jahrhundert erhalten, das Bre—
iarium 8. Lulli. — Danach betrug derselbe
107 Hufen 576 Mansi, nach heutiger Berech—
iung über 60,000 Morgen, vertheilt auf 195
Ortschaften in Hessen, Thüringen, Baiern und
im Rheine — und schloß mit einem kurzen Abriß
»er Geschichte der Stiftskirche. Dieselbe
uerst 835 erbaut, abgebrannt und neu erbaut,
sann 1037 zum zweitenmale durch Feuer zer—
tört, wieder aufgebaut und 1144 unter Kaiser
donrad III. eingeweiht, ist Jahrhunderte hin—
‚urch eine der schönsten romanischen Kirchen
deutschlands gewesen, bis sie beim Abzuge des
ranzösischen Marschalls Broglio am 19. Fe—
ruar 1761 in Folge Anzündung der darin an—
Jehäuften Vorräthe in Flammen aufging und
iunmehr nur als Ruine die herrliche Vergangen—
seit bezeugt.
An diesen äußerst anziehenden und mit großem
Beifalle aufgenommenen Vortrag schloß sich nach
einer Frühstückspause sachgemäß die eingehende
Besichtigung der Stiftskirche an,
deren bauliche Verbältnisse im Näheren Herr