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Mrche öer heiligen Klisabeih zu Marburg.
Von W. Dücking.
(Fortsetzung.)
Auf der inneren Seite der linken Flügelthür
ist der Abschied des ins gelobte Land ziehenden
Landgrafen Ludwig von seiner Gattin , seinen
Kindern und seiner Mutter abgebildet. Er hatte
das Kreuz angenommen, um an einem vom
Kaiser Friederich II. veranstalteten Krcuzzuge theil-
zunehmen. Ludwig hatte beim Abschied in Schmal
kalden seinem Bruder Heinrich Raspe die Regierung
des Landes bis zu seiner Zurückkunft übertragen
und ihm insonderheit die Fürsorge für seine
Gemahlin und Kinder warm an das Herz gelegt,
allein die Erinnerung hieran war gar bald seiner
Seele entschwunden. Sobald die Kunde vom
Tode Ludwigs auf der Wartburg angelangt war,
brach der alte Groll gegen seine Schwägerin um
so leidenschaftlicher hervor; er entzog ihr nicht
nur den gehabten Einfluß, wodurch es ihr möglich
war, Barmherzigkeit zu üben, sondern stieß sie
selbst wie eine Bettlerin vor die Thür, welche
Scene das zweite Bild darstellt. Elisabeth wandte
ehre Schritte mit ihren Kindern nach Eisenach, fand
aber überall aus Furcht vor dem neuen Regenten
verschlossene Thüren. Da kehrte sie zunächst in
einer elenden Schenke, genannt „auf der Rolle",
ein und verbrachte hier wachend die erste Nacht;
als aber das Glöcklein im Barfüßerkloster die
Brüder zur Frühmesse rief, eilte sie auch dahin,
den Guardian bittend ein Ts Vsuin anzustimmen
zum Danke gegen Gott für die ihr zugeschickten
Trübsale. Diese Scene in der Franziskanerkirche
stellt das dritte Bild dar. Ein viertes zeigt, wie
Elisabeth in einer schmutzigen mit Schrittsteinen be
legten Gasse Eisenachs von einer ihr begegnenden
Bettlerin, der sie früher öfters Wohlthaten erwiesen,
die ihr aber jetzt nicht ausweichen will, in den Koth
gestoßen wird. Ein fünftes endlichversetztunsinihre
Wohnung in Marburg. Durch ungarischeWallfahrer,
welche in Aachen gewesen waren, hatte ihr Vater,
König Andreas II. von Ungarn, erfahren, daß seine
Tochter in Thüringen, wie eine Bettlerin lebe.
Um ihrer armseligen Lage ein Ende zu machen,
sandte er den Grafen Panias mit Gefolge an
sie ab. Mit dem Briefe in der Hand eintretend,
fand er Elisabeth am Rocken sitzen und spinnen,
Sie weist jedoch den an sie gestellten Antrag mit
den Worten zurück, „daß sie eiu ewiges Reich in
Thüringen erwarte."
Die Außenseiten der Flügelthüren sind bis auf
einige Köpfe zerstört.
Ueber dem Altar befindet sich ein Crncifixus
von Holz, zur Seite auf die Mauer gemalt
Maria und Johannes und die beiden Schächer.
Nebenan (nordwärts) steht der St. Catha-
rinenaltar. Das Innere des Altarschreines
stellt eine Kirche vor. Wir erblicken da aus
Holz geschnitzt nach den Aufzeichnungen der Le-
gcndenbücher die heil. Familie Joachim und Anna,
deren drei Töchter, Maria die Jungfrau, Maria
Salome, Maria Kleophas, und Joseph. In der
Mitte dieser Gruppe sitzt Anna und hält das
Christuskind auf ihrem Schoße, vor ihm steht
seine Mutter Maria, nach der es seine Hände
ausstreckt, hinter dieser Joseph und hinter Anna
Joachim. Rechts neben Anna erblicken wir
Maria Salome, die Frau des Zebedäus, und
hält Johannes auf ihrem Schoße, vor ihr steht
Jakobus d. Ä. mit Stab und Pilgertasche. Links
neben Anna erblicken wir Maria Kleophas, die
Frau des Alphäus mit ihren Kindern Jakobus
d. I., Joses, Simon und Judas, die beiden letzten
sind mit Lesen in einem Buche beschäftigt. Die
Ecken des Altarschreines füllen zwei Statuen aus,
rechts steht die heil. Cathariue, links die heil.
Barbara. St. Catharine, nach der Legende eine
Jungfrau aus königlichem Geschlechte, wurde in
Alexandrien, als sie bei einem Opferfeste des
Kaisers Maxentius den Götzendienst für Thorheit
erklärte, in den Kerker geworfen. Als die Geißel
hiebe selbst auf die Brust, durch welche Maxen
tius sie zur Rückkehr zum Heidenthum zwingen
wollte, nichts fruchteten, sollte sie auf ein Rad
mit spitzen Nägeln geflochten werden, allein das
Märtyrerwerkzeug zerbrach in dem Augenblicke,
als es gebraucht werden sollte. Endlich wurde