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suchsweise in der alten Heimath auf und be
rührte auch Kassel in der Absicht, daselbst die
Erlaubniß einzuholen, in dem dortigen Staats
archiv nach Familien-Dokumenten forschen zu
dürfen. Er hatte zu dem Ende um Audienz
nachgesucht und war darauf hin nach Schloß
Wilhelmshöhe befohlen worden. Etwas vor der
bestimmten Zeit dort angelangt, erging er sich
noch in dem unvergleichlichen Parke jenes welt
berühmten Göttersitzes, als sich ein unbekannter
Herr ihm zugesellte, ein Gespräch anknüpfte und
ihn mit vieler Liebenswürdigkeit auf einige der
größten Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte.
— Im Laufe der Unterhaltung kam die Rede
auch auf die bevorstehende Audienz und deren
Zweck, als der freundliche Fremde plötzlich er
klärte, dieselbe sei nun nicht mehr von Nöthen,
es würde alsbald Verfügung getroffen werden,
dem bewußten Anliegen zu entsprechen und nun
stellte es sich heraus, daß der so gütige Unbe
kannte niemand anders war, als — Friedrich
Wilhelm, der letzte Kurfürst von
Hessen.
(Fortsetzung folgt.)
)etru§ Wotichius II.
von Is. W. Sungljans.
(Schluß.)
Nach vierjährigem Aufenthalt in Frankreich
kehrte Lotichius mit seinen Pflegebefohlenen nach
Deutschland zurück. Sie wählten den Weg durch
die Schweiz, um den alten Stibarius, auf dessen
Kosten sie vier Jahre in Frankreich zugebracht
hatten, zu besuchen. Dieser war'nämlich vom
Schlag getroffen worden und weilte in Baden,
wo er durch den Gebrauch der dortigen warmen
Quellen Heilung suchte. Hier schrieb Lotichius
die zwei Gedichte, von denen das eine im 1. Buch
der Oden „an die Nymphen" überschrieben ist,
das andere aber im 3. Buch der Elegien „an
Erasmus Neustetter, genannt Stürmer." In
dem ersten gelobt er den Nymphen des Heilquells
sechshundert Kränze, wenn sie Stibarius gesund
nach Hause zurückkommen ließen, und verspricht
sein Gelübde zu lösen da, „wo die Kinzig unter
dichten Erlen rausche", in dem andern spricht er
den Entschluß aus, da er des Krieges halber nicht
in die Heimath zurückkehren könne, nach Italien
zu gehen. Diesen Entschluß führte er auch aus.
Nachdem er mit seinen Schülern das vom Kriegs-
lürm beunruhigte Franken durchreist, um in Leipzig
die alten Freunde Camerarius und Melanchton
zu begrüßen, trat er, von dem älteren Stibarius
wieder mit reichlichem Reisegeld versehen, die
Reise über die Alpen an. Diesmal begleitete
ihn sein Freund Hagen, als Führer eines jungen
fränkischen Edlen Bernhard von Thüngen. Marius
war schon vorausgeeilt. Der Weg ging über
Innsbruck und Trident. Unterwegs weilten sie in
Verona, das Ziel aber ihrer Reise war Padua,
die berühmte Universität. Hier setzten sie das
Studium der Medizin fort. Häufig wurden Aus
flüge gemacht, sei es nach den Euganeischen Hügeln,
um zu botanisieren, sei es nach der nahe gelegenen
Jnselstadt Venedig, welche sie durch ihre Pracht
und ihren Reichthum und durch das viele Neue
und Ungewohnte, was sie hier sahen, in Ver
wunderung setzte; besonders aber interessirte sie
als Gelehrte die reiche aus Konstantinopel dahin
gebrachte Bibliothek.
Beim Ausbruch der Pest in Padua zerstreuten
sich die Studierenden theils nach Bologna, theils
nach Venedig. Hagius ging nach Venedig, Lotich
und Marius wählten Bologna zu ihrem Aufenthalt.
Bologna war damals die berühmteste Universität
der Welt, so daß es für einen Gelehrten die beste
Empfehlung war, in Bologna studiert zu haben.
Hier begegnete nun unserem Lotichius ein Unfall,
der ihn, den gesunden, kräftigen jungen Mann nach
schwerer Krankheit zum frühen Greise machte und
auch seinen allzufrühen Tod veranlaßt haben mag.
Ein junger Mann aus Bayern war Lotichs
Hausgenosse. In diesen verliebte sich die Haus
wirthin und suchte ihm, um seine Neigung zu
gewinnen, einen Liebestrank beizubringen. Sie
mischte ihn unter die für den Jüngling bestimmte
Suppe. Lotich bekam die seine nach der Sitte
des Landes in besonderem Gefäß. Da nun der Letztere
nicht gern fett aß und ihm die Suppe zu fett
schien, so vertauschte er die seine mit der des
jungen Bayern, weil diese magerer war. Als er
seiner Gewohnheit nach dem Wolfshunde, welcher
unter dem Tisch lag, einen in die Suppe getauchten
Bissen hinwars, gerieth dieser sogleich in Wuth
und rannte wider die Wand. Alsbald fühlte
auch Lotichius die Wirkung des Gifts in seinen
Adern. Er fiel vom Stuhle. Bald aber raffte
er sich aus, eilte in die Kammer und ergriff seine
Wehr, womit er auf den erschrockenen Gefährten
eindrang, in der Meinung von diesem vergiftet