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Hochschule hat durch Berufungen nach auswärts in
diesem Jahre eine ganze Reihe Verluste erlitten.
Nachdem im Frühjahr Kanzler Gareis, der scharf
sinnige Jurist, dessen Weggang auch in gesellschaftlicher
Beziehung viel bedauert wurde, auf besonderen Wunsch
des Ministers v. Goßler den Lehrstuhl Felix Dahn's
in Königsberg eingenommen, werden ihm zum Herbst
drei weitere Gießener Hochschullehrer nach auswärts
folgen: der Neuphilologe Professor Braune, welcher
einem widerholten Rufe nach Heidelberg folgt und
hier durch Professor Behaghel von Bafel ersetzt
wird; der Physiker Röntgen und der Frauenkliniker
Hofmeier. Die letzteren beiden gehen nach Würz
burg, Röntgen an Stelle von Kohlrausch, der jetzt
in Straßburg wirkt, Hofmeier an Stelle des seit
dem vorigen Jahre in den Ruhestand getretenen
Scanzoni v. Lichtenfels. Professor Hofmeier's Vor
gänger in Gießen, Kaltenbach-Halle, hatte für Würz
burg abgelehnt und so wir- Gießen den noch jungen
Frauenkliniker verlieren, der, langjähriger Assistent
des verstorbenen Schröder-Berlin (dessen Schwieger
sohn er auch geworden ist), hier erst seit drei Semestern
wirkt. Möglicherweise ist damit die Liste der Ab
gehenden noch nicht geschlossen, da von der Bonner
medizinischen Fakultät als Ersatzmann für den ver
storbenen Rühle auch der Leiter der hiesigen medi
zinischen Klinik, Professor Dr. Franz Riegel, vor
geschlagen ist. — Auf den neubegründeten Lehrstuhl
für Hygiene ist Dr. Graffky vom Reichsgesundheits
amt berufen worden und hat den Ruf angenommen.
— Zum Rektor der Universität Gießen für das
Studienjahr 1888/89 ist der Professor der Medizin
Dr. Eugen Bostroem gewühlt worden.
Hessische Kücherschau.
Denkwürdigkeiten von Hersfeld. Nach
„Piderit", städtischen Akten, archivalischen und
anderen Quellen bearbeitet und bis zur neuesten
Zeit fortgeführt von I. C. Vigelius, Post
direktor in Hersfeld. Hersfeld 1888. Ver
lag von Hans Schmidt.
Der Umstand, daß Fr. C. Th. Piderits Denk
würdigkeiten von Hersfeld (Hersfeld 1829), das ein
zige Buch, in dem man sich bequem über die Ge
schichte des seiner Zeit nicht unbedeutenden Ortes
unterrichten konnte, nur noch selten aufzutreiben waren,
hat zu einer Neubearbeitung des überlieferten Stoffes
und zur Fortführung desselben bis zur Gegenwart
Veranlassung gegeben. Das Material ist leider nicht
reichlich vorhanden: die Geschichte des dortigen
Benediktinerklosters, die der bekannte Lambert um
das Jahr 1074 verfaßte, ist verloren gegangen, und
nur ein dürftiger Auszug hat sich erhalten, dem
wenig an interessanten Einzelheiten zu entnehmen ist.
Auch über der späteren Hersfeldischen Geschichtschreibung
hat ein ungünstiges Geschick gewaltet: die von Wigand
Gerstenberger erwähnte und (freilich nur wenig) be
nutzte ältere Chronik der Stadt ist verloren gegangen.
Ein ähnliches Werk schrieb gegen das Ende des
15. Jahrhunderts Johannes Nohen oder Nuhn, ein
Zeitgenosse Gerstenbergers; dasselbe ist aber ebenso
wie eine von demselben Verfasser herrührende Ge
schichte des benachbarten Edelgeschlechts v. Wallenstein
verloren gegangen und nur in dürftigen Auszügen
und Bruchstücken erhalten. Nach dem Gesagten ist
es begreiflich, daß wir in der Darstellung der älteren
Geschichte von Hersfeld, etwa bis zum Bauernkriege,
nicht viel interessantes Detail erwarten dürfen; aber
auch für die späteren Jahrhunderte empfinden wir
diesen Mangel. Daraus soll jedoch dem Verfasser
kein Vorwurf gemacht werden: es war seine Absicht
nicht, alles in Archiven und Bibliotheken etwa noch
Vorhandene herbeizuschaffen und ein an neuen Er
gebnissen reiches Werk zu verfassen; er wollte nnr
ein Buch schreiben, welches dem Freunde vaterlän
discher Geschichte die Denkwürdigkeiten der Stadt
in lesbarer Darstellung vor die Augen führt. Und
dieser Zweck wird erreicht. — Von besonderem Inter
esse sind in den Abschnitten, welche die jetzigen Ver
hältnisse der Stadt (Ackerbau, Viehzucht, Forstwesen,
Märkte, Handel und Industrie u. s. w.) betreffen,
die Bemerkungen über das Verkehrswesen des Ortes
in älterer und neuerer Zeit, hinsichtlich deren der
Verfasser in der Lage war, aus guten Quellen zu
schöpfen. — Die Ausstattung des Buches, das mit
zwei hübschen Lichtdruckbildern (Hersfeld zu Anfang
des 17. Jahrhunderts und die Stiftsruine) geziert
ist, genügt allen billigen Ansprüchen, der Subscriptions-
preis (2 M. 50 Pf. für ein broschirtes, 2 M. 75 Pf.
für ein kartonnirtes Exemplar) ist ein mäßiger. Wir
wünschen dem Werkchen weite Verbreitung. Z->.
Briefkasten.
H. v. Pf. Melsungen und G. v. P. Marburg. Die be
treffenden Artikel finden in einer der nächsten Nummern
unserer Zeitschrift Aufnahme.
D. B. Wehlheiden. Erhalten und mit Interesse gelesen.
Näheres brieflich.
Ch. Sch. Bruchköbel. Wird im Oktober zum Abdruck
gelangen. Besten Dank. Bitte den Artikel „Waldensberg"
einzusenden.
L. M. Nordhausen. Mußten wegen Mangels an Raum
den Schluß des Artikels „Geschichte der Räuberbande des
alten Druckers" für die nächste Nummer zurückstellen.
Freundlichsten Gruß.
Verantwortlicher Redakteur und Verleger F. Zwenger in Kassel. — Druck von Friedr. Scheel in Kassel.