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gesagt hatte, daß es die einzige Gelegenheit böte,
geräuschlos in das inwendig getäfelte Haus zu
kommen, wie er am Schabbes, von der Schul aus,
festgestellt habe.
In der darauf folgenden Nacht trafen sie ihre
Spießgesellen: Weidenbaums-Görg, die Kammer-
jügersjungen: Henner und Kaspar, den schwarzen
Hann-Adam, den schwarzen Conrad und den scheelen
Rößler in dem Buchwalde zwischen den Dörfern
Leimsfelde und Gebersdorf. Rupprecht, welcher
nach Alsfeld gegangen war, um die Brüder
Brabänter — Vogelsberger Räuber — herbei
zuholen, war noch nicht zurück. Der schwarze
Konrad übernahm die Führerschaft und theilte
einem jeden der Teilnehmer seine bei dem Raube
zu beobachtende Rolle zu. Nachdem dies geschehen
war, machte man sich auf den Weg, drang durch
den Garten hinten an das Haus heran, der
schwarze Konrad und Mannes stiegen durch das
Küchenfenster ein und öffneten von innen die
Hinterthür. Während nun als Wache der
schwarzeAdam hinter und Kammerjägers „Henner"
vor dem Hause blieben, drangen die andern ein.
Kammerjägers Kaspar und Mannes rannten mit
einem Weidenbaumstumpf die Füllungen der Thür,
welche zur Stube im untern Stock führte, ein
und krochen mit brennenden Lichtern durch die
entstandene Oeffnung. Der erste der beiden Ge
nannten ergriff alsbald die Wittwe Wallach, die
erschrocken aus ihrem Bette gesprungen war und
um Hülse schrie, warf sie auf die Magd, welche
auf dem Sopha schlief und bearbeitete dann die
Schädel der Beiden unbarmherzig mit Faust
schlägen, während Mannes geschäftig das Geld
schränkchen erbrach und leerte.
Gleichzeitig sprengten oben Wcidenbaums-Görg,
der scheele Rößler und Mein die Thür zu dem
Schlafzimmer des Wallach'schen Sohnes Salomo»,
ergriffen den Dreiundzwanzigjährigen, der sich
mit aller Kraft seines Alters wehrte, überwältigten
ihn und schleppten ihn vor die Kammer, wo es
die Aufgabe des scheelen Rößler — gemäß der
ihm zugetheilten Rolle — war, denselben zu
knebeln. Nunmehr gingen Görg und Mein
daran, die Thür zu der Kramkammer mit einem
Balken aufzurennen und das darin befindliche
Comtvir zu erbrechen. Sie entnahmen daraus
verschiedene Beutel mit Geld, viele Werthsachen
und Werthpapiere, machten sich dann über die
Schnittwaaren der Kramkammer her, die haupt
sächlich aus theuren Seiden- und Atlas-Bändern
bestanden, und rafften in Säcke, was sich eilig
zusammenraffen ließ. Rößler war eben damit
beschäftigt, Salomon die Beine zu schnüren, und
die beiden Anderen hatten kaum ihre Hanthierung
begonnen, da drang auch schon der Warnruf des
Kammerjägerjungen Henner: „Marsch!" zu ihren
Ohren und trieb sie zur Flucht.
Die Nachbarschaft, durch den ungewöhnten,
nächtlichen Lärm in dem sonst so ruhigen Wallach'
schen Hause stutzig gemacht, eilte wie ein Mann
herbei, und so rasch erschien die Hülfe, daß die
ersten, welche durch die Hausthür, die die Magd
schnell öffnete, eindrangen, noch die letzten der
Räuber durch die Hinterthür entschlüpfen sahen.
Wie eilig es die Einbrecher gehabt hatten, wird
am besten aus dem Umstand erhellen, daß sich
in der Kramkammer eine hübsche, auf einem Tisch
aufgezählte Summe baaren Geldes, die am nächst
folgenden Tage Salomon zu Einkäufen mit auf
die Kasseler Herbstmesse nehmen wollte, unberührt
vorfand, von den Räubern also nicht bemerkt
worden war.
Der Raub war immerhin ein beträchtlicher,
und wurde von der Wittwe Wallach vor Gericht
auf 2126 Rthlr. baar, ohne die Kupfermünzen,
5 silberne Uhren, viele silberne Eß- und Thee-
Löffel und anderweitige Silber-Gegenstände, so
wie auf 32 Privat- und Staats-Obligationen,
ohngerechnet der Schnittwaaren, angegeben. Aus
einer Schachtel, die unter dem Bett stand und
22 Rollen, ü 50 Laubthaler, enthielt, raubten sie
19 Rollen.
Die Räuber nahmen ihren Rückzug nach dem
Knülle hin. Auf einer versteckten Waldwiese
oberhalb des Gutes Kämmershagen bei Schwarzen
born gingen sie mit des Tages Anbruch an die
Theilung des Raubes. Dem abwesenden Rupprecht
wurde als Antheil der Erlös aus dem geraubten
Silberzeug zugesprochen, die Uhren zu bestimmten
Preisen angeschlagen, das Band vertheilt, die
Obligationen aber, als leicht zu Entdeckungen
führend, zerrissen und die Fetzen davon in alle
vier Winde verstreut. Auscher erhielt als
„Baldower-Lohn", gegen den sonst üblichen
Gebrauch, nichts; weil von dem Geldkasten, der
sich nach seiner Angabe oben unter dem Bette
vorfinden sollte, angeblich nichts gesehen worden
war.
Dieser Raub hätte fast noch den Ruin eines
armen, aber ehrlichen Mannes, des Schlossers
Craß*) aus Ziegenhain im Gefolge gehabt.
Der Mann, der, wie fast alle Feuerarbeiter,
sich eines gesegneten Durstes erfreute, war am
Abend vor dem Raube von der Wirthsbank an
gesäuselt nach Hause gegangen und hatte auf
dem Heimwege seine Mütze in der Nähe der
Wallach'schen Behausung verloren, wo sie andern
Morgens in der Gosse gefunden wurde und den
*) Ludwig Mohr. „Altes Schrot und Korn." Er
zählungen aus dem Lande der Hessen. (Verl. Ernst
Kleimenhagen.) II. Theil. pag. 235. Novellistisch be
arbeitet in der Erzählung „Der wilde Zäger".