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den Burschen auf, eine Weile auf dem Rain neben
ihm Platz zu nehmen, was auch geschah. Dann
erzählte ihm Bast mit zwinkernden Blicken und
schalkhaft wichtiger Miene eine seltsame Geschichte.
Dadurch wurde der Barthel über die Begegnung
mit dem Mädchen vollständig aufgeklärt und ver
anlaßt, den alten Hexenmeister vor lauter Freude
mehrmals wie eine Geliebte herzhaft zu umarmen.
V.
Während beide hier noch eine Weile über das
Zauberkräutlein kicherten, und der Kräuterbast
sich dann anschickte, noch einen wichtigen Gang
zu thun, schritt Marielies erleichterten Herzens
den Waldpfad entlang. Plötzlich meinte sie, die
Erde öffne sich und zaubere einen Geist vor sie
hin; denn wenige Schritte vor ihr stand Berthold
ruhig an einen alten Baum gelehnt und sah sie
betroffen an. Bei dem unverhofften Anblick des
Geliebten war Marielies so heftig erschrocken, daß
sie jetzt wankte wie eine Nachtwandlerin, die man
beim Namen gerufen hat. Kaum brachte sie den
Abendgruß über ihre Lippen und eilte wie betäubt
an Berthold vorüber, nur mit einem flüchtig
scheuen Blick sein plötzlich von jäher Glut über
stimmtes Antlitz streifend.
In der Seele des Burschen regte sich ein heißer
Wunsch, als er das geliebte Mädchen in holder
Verwirrung so nahe an sich vorüberkommen sah.
Mit Gewalt mußte er an sich halten, um nicht
alles Bittere zu vergessen und das zu überwinden,
wonach sein Herz in ungestümer Sehnsucht begehrte.
Schon wollte er beide Arme ausbreiten, um sie
zu umschlingen, aber er dachte zu rechter Zeit noch
au die gestrige Begegnung und wurde Meister
seines Verlangens.
Ein paar Schritte hatte Marielies zurückgelegt,
da siel ihr mit Entsetzen ein, welche unselige
Wirkung das Zauberkräutlein in gewissem Falle
auf das geistige und leibliche Wohl eines geliebten
Menschen ausüben könne. Wie oft hatte sie sonst
über derartige schlimme Verheißungen gelacht,
auch jetzt glaubte sie nur mit halber Seele daran,
allein die bange Furcht, es könne vielleicht doch
etwas Wahres daran sein und dem Geliebten
durch ihren Trotz an Leib und Seele ein Leid
geschehenließ sie schnell alle Scheu, alle wider-
streitenden Gefühle überwinden. Als ob sie in
dem nun gefaßten Vorsatz nicht wankend werden
wolle, blieb sie schnell stehen. Dann wandte sie
dem Burschen halb ihr Antlitz zu und sagte
bittend: „Berthold" —
Freudig erschreckt fuhr der Angeredete zusam
men und trat unwillkürlich einige Schritte näher
an sie heran. „Marielies!" gab er dann bebend
zurück. Er konnte die sich daran schließende Frage
nicht aussprechcn; denn das Herz schlug ihm bis
in die Kehle hinauf.
„Wirst du mich tut, falsch verstehn oder gar
für 'ne keckliche Dirne halten, wenn ich dich bitt',
mir jetzt deine Hand zu reichen?" Während
Marielies sprach, war sie wieder glühend roth
geworden, sie wandte sich seitwärts, um ihn nicht
ansehen zu müssen.
Berthold stand einen Augenblick da, als ob
sich ein unglaubliches Wunder vor seinen Blicken
vollziehe. Unaussprechliches Glück spiegelte sich
in seinen Augen, lag in seinen Zügen, als er
schnell an sie herantrat und ihre bebende Hand
mit der Rechten fest umschloß. Dann entgegnete
er mit verhaltener Leidenschaft: „Wie könnt' ich
dich für kecklich halten, Marielies! — Du hast
mir ja viel tausendmal gezeigt, daß du in allen
Stücken das gerade Gegentheil davon bist. Doch
weshalb begehrst du jetzt meine Hand ?
Die Sinne vergingen dem Mädchen fast. Mit
unsagbarer Wonne fühlte sie, wie seine Hand die
ihrige immer fester drückte, hörte sie sein Herz
laut klopfen und sah, mit welcher Spannung sein
Auge an ihren Lippen hing. Aber sie konnte
ihm doch die volle Wahrheit nicht sagen. Das
hätte ja ausgesehen, als ob sie die alte Sitte auf
den Kopf stellen und aussprechen wollte, was doch
einzig nur dem Burschen zukam. Eine Weile
irrten ihre Blicke verlegen am Boden, dann sagte
sie, weil sie doch auch nicht lügen wollte: „Uni
einen bösen Zauber abzuwenden, verlange ich
deine Hand."
Jetzt siel Berthold ein, daß der Kreisthierarzt
zu seinem Herrn gesagt hatte, der Schimmel, der
dem verstorbenen Jochenbauer vor ein paar Jahren
das Leben rettete, sei durch ein böses Geschwür
nahe daran zu verenden. Wie Hagelschlag in
einen blühenden Garten, so vernichtend fiel die
Erinnerung an die Thatsache in Barthels eben
noch von heißer Liebesleidenschaft erfülltes Herz.
Alles, was er in einem Augenblick unaussprech
licher Seligkeit gehofft, erwartet hatte, es war
jählings zerstört und mit der Wurzel wieder aus
gerottet. Rauh stieß er die Hand des Mädchens
von sich und sagte etwas spöttisch: „Das hätt'
ich mir denken können. So 'ne stolze Erbdirn'
entschließt sich doch nur dazu, von einem armen
Burschen die Hand zu verlangen, wenn sie etwas
Besonderes damit bezwecken will."
Aus dem Antlitz des Mädchens war alle Farbe
gewichen. Wie flehend sah sie Berthold an und
wollte etwas erwidern, aber es fehlten ihr die
rechten Worte.
„Laß das nur", fuhr der Letztere gereizt fort.
„Brauchst dich nit zu exküsir'n, hast mir ja gleich
gesagt, daß ich dich nit mißverstehen soll! In
meiner Tollheit hab' ich's nur überhört. Alleweil