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knecht mit der Flasche kam und sie dem König
reichte. Dieser nahm den Kork ab, warf ihn
zur Erde, setzte die Flasche an die Lippen und
that einen kräftigen Zug, dann reichte er sic dem
Adjutanten, setzte aber gleichzeitig sein Pferd in
Galopp. Der Adjutant nahm die Flasche —
aber stand nun sein Pferd nicht, oder machte der
Dienst es zur Pflicht, dem König unmittelbar zu
folgen, er war noch nicht zum Trinken gekoinmen,
als auch sein Pferd sich in Galopp setzte. Der
Wein spritzte hoch auf — und König, Adjutant
und Flasche verschwanden in einer Wolke von
Staub. —
Dem König mußte der Schluck Wein wohl
gethan habe», denn er hat seiner noch in Kassel
gedacht, und seinem Kellermeister Befehl gegeben,
dem Maire zu Großalmerode für den ihm ge
schickten Wein zu danken und aus dem königlichen
Keller ein Gegengeschenk zugehen zu lassen. Nach
einigen Tagen überbrachte ein Bote aus Kassel
mündlich diese Bestellung des Kellermeisters an
meinen Vater, nebst einem Korb mit Wein.
Hatte nun der Kellermeister die Großmuth des
Königs auf das ihm richtig scheinende Maß be
schränken wollen, oder war der Bote bei dem
heißen Wetter unterwegs sehr durstig geworden,
in dem Korb waren nur zwei Flaschen Wein,
die mein Vater mit pflichtschuldigem Dank ent
gegennahm und die mit dem Trinkgeld, das er
dem Boten für den Rückweg nach Kassel ein
händigte, reichlich bezahlt waren. In der Stadt
wurde erzählt, der König habe meinem Vater
zweihundert Flaschen Champagner geschickt. Wir
sagten, es sei nicht ganz so viel gewesen, wollten
aber weder dem Könige, noch uns die Demüthi
gung zufügen, die Wahrheit zu sagen.
Später habe ich in Kassel und bei militärischen
Uebungen den König noch öfter gesehen. Ich
hätte wohl auch seinen Bruder, den Kaiser, sehen
mögen; es ist aber nicht der Fall gewesen, da er
nie in Kassel war. Sein Weg durch Deutschland
ging immer über Erfurt nach Dresden. Aber
ich erinnere mich lebhaft der Zeit, wo sein Name
und sein Kriegsruhm die Welt erfüllten. Wenn
die Zeitungen verkündeten, daß Napoleon durch
Erfurt kommen werde, oder dort sei, reisten viele
Leute meilenweit, um ihn zu sehen. Dies that
auch ein armer Barbier, Namens Eifer, aus
Helsa, einem Dorf in der Nähe meiner Vater
stadt, und zwar sehr zum Vortheil seines Ge
werbes. Denn so wie er nach Erfurt gewandert
war, um den großen Kaiser zu sehen, so wander
ten nun viele aus geringerer Entfernung nach
Helsa, um den Barbier zu sehen, der den Kaiser
gesehen hatte. Er erzählte mit Gewandtheit und
Begeisterung, während er seiner Zuhörerschaft
nach Alter und Bedarf den Bart abnahm, das
Haar schnitt, Zähne ausbrach oder zur Ader ließ.
«Fortsetzung folgt.)
— c '
Jirgendtraiim.
Dich an mein Herz zu schmiegen,
Das allem Weh und Streit
Des Daseins will erliegen,
Bist Du heraufgestiegen,
Traum meiner Jugendzeit!
Der aus dem Heimattale
Den Weg bis zu mir fand:
Mein Haupt, das sorgenfale,
Rührt tröstend eine schmale,
Dornblüthenweiße Hand.
Pont,
Ge Gesongdheet. l )
(Schwälmer Mundart.)
„Immer lostig ö fidel"
Es meng Liedche; ö meng Schätzche
Es die Schwäster vo de ©cl 2 )
’) Eine Gesundheit (beim Tanze ist es Sitte, daß die
Burschen den Mädchen Gesundheiten spielen lassen, dazu
singen und den Mädchen zutrinken.) 2 ) Gela.
Öso brobber bie ee Kätzche,
Schwenkt die Reck bei jehrem Schreit,
Kemmt im Dahnz net üus demm Drett.
Eij! meng Mäje, schie ö rot,
Heeßt net Frieda örrer Liesel
Sörrern Annleis. 8 ) Bolzegrod
Get es, es kee Schörreschiesel, Z
Ö mer es es tret gesonn,
Weil mer zwee ins freie wonn.
Bann die Kärmes es gewühst,
Voll es Käller, Kammer, Bohre, 5 )
Mache mer ins schie dos Nähst,
Ö zur Hößig wedd gelohre, 6 )
Ber so lostig es bie mer.
Brost, meng Schatz, ich bräng es der!
Kurt Muhn.
3 ) Anna Elisabeth, h Schotenscheusal-Vozelscheuche. '') Keller,
Kammer, Boden. °) Und zur Hochzeit wird geladen.