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Der Obrist Breul war ein furchtloser und dabei
umsichtiger und erfahrener Kriegsmann, der den
Platz bis auf den letzten Mann zu halten beschloß
und die auf die Veste geflüchteten erschrockenen
Bürger derartig für sich zu gewinnen wußte, daß
sie sich ihm ermuthigt anschlössen. Darauf hin traf
er seine Anstalten und besetzte die wichtigsten Punkte
mit seinen kriegsgewohnten Jägern, während er den
Bürgerschützen die Schießscharten anwies.
Graf Götz ließ nicht lange auf sich warten. Auf
dem nahen, südwestlich von dem Schlosse gelegenen
sterilen Hügel, dem Stellberge, ließ er drei Bat
terien auffahren und seine Kriegsvölker sich zum
Sturme vorbereiten. Am Morgen des 18. Juli! 636
eröffnete er in aller Frühe das Feuer. Es war
gerade ein Sonntag. Bis zum Mittag währte der
Kanonendonner und spien die Geschütze Eisenballen
auf Eisenballen gegen das Schloß. Am Mittag gab
es Bresche und sofort trieb er seine Völker den
Berg hinan zum Sturm. Unabsehbar erschien den
Belagerten die Anzahl der Stürmenden, die sich mit
Leitern und sonstigem Sturmgeräth die Bergböschung
hinaufwälzte, so daß die Höhe unter ihrem Kampf
ruf und Getöse schier zu beben schien.
Inzwischen war die Burgbesatzung nicht unthätig
gewesen. Mit Sandsäcken und Bauholz hatte sie
die Bresche verrammt und empfing nun mit sicheren,
wohlgezielten Schüssen, die vom Aufstieg athemlosen
Gegner. Das Getümmel wurde groß; Jäger und
Bürgerschützen wetteiferten miteinander und selten
verfehlten ihre Rohre das genommene Ziel; selbst
die Homberger Frauen griffen thätig in den Kampf
ein, ja eine warf mit einem Steine dem Kaiserlichen
Obristen Steinacker von der Mauer aus sogar den
Schädel ein. Schade, daß uns die Geschichte nicht den
Namen des heldcnmüthigen Weibes aufbewahrt hat!
Als der Tag zu Rüste ging, sah sich Götz genöthigt
— wenn auch höchst unwillig — vom Sturme ab
zulassen. Zwölf Offiziere und sechshundert Mann
Todte und Verwundete kostete ihm dieser Tag. Er
zog sich in die Gegend von Zennern zurück, wo er
Lager bezog und seinen Unmuth durch Sengen und
Brennen ringsum austobte. Eine Abtheilung seines
Heeres ließ er zur Umzingelung der Veste zurück.
Als in den vierziger Jahren die terrassenartig an
gelegten Gärten und Länder an der, dem Stellberge
zugekehrten Böschung des Schloßberges gerodet wur
den, fanden sich bei diesen Arbeiten zahllose Spreng-
stücke von Hohlgeschossen und eine Menge Vollkugeln,
welche bezeugten, wie groß die Menge der Eisen
massen gewesen war, welche nach dem Schlosse ge
schleudert wurde. Der Verfasser erinnert sich noch
sehr wohl, als Knabe mit einer solchen Vollkugel,
die auf dem Grundstück seines seligen Vaters ge
funden worden war, und die die Dicke einer halben
gewöhnlichen Kegelkugel hatte, gespielt zu haben.
Trotz seiner ruhmwürdigen Vertheidigung aber
war das Schicksal der Veste doch bei diesem Sturme
besiegelt, sie siel 11 Tage nach dem Sturm — nicht
durch Waffengewalt, sondern durch Mangel jeglichen
trinkbaren Wassers, in die Hände der Kaiserlichen.
In dem Gedränge des Sturmes war nämlich eine
Dienstmagd in den achtzig Klaftern liefen Schloß
brunnen, dem einzigen des Platzes, gefallen und
konnte nur in Stücken herausgeholt werden. Das
Wasser, das so wie so für die Menge Volkes, das
der enge Raum beherbergte, sehr spärlich bemessen
war, ekelte fortab die Besatzung an; doch ging alles
noch leidlich, so lange man nächtlicher Weile aus
dem am nördlichen Fuße des Berges gelegenen „Haus-
brunnen^ — aus welchem der Verfasser als Knabe
noch manchen Krug für die im Felde beschäftigten
Arbeiter seines Großvaters schöpfte, der aber zur
Zeit gänzlich versiegt sein soll — Wasser holen
konnte. Als aber dieses Auskunftsmittel Götz ver
rathen worden war, und er diesen Born durch
Hineinwerfen fauliger, thierischer Kadaver und an
derer Unreinlichkeiten ungenießbar hatte machen lassen,
zwang der Mangel an trinkbarem Wasser die Be
satzung zur Uebergabe. Es war eine ehrenvolle
Kapitulation, die sie einging. Mit klingendem
Spiele zogen die Hessischen Jäger ab, die Bürger
aber durften nicht eher vom Schlosse herunter in
die Stadt, bis sie 2500 Thaler Kontribution bezahlt
hatten. Ein Kaiserliches Corps, Irländer unter
dem Obristen Hugo Tirelle, bildete von da ab zu
nächst die Besatzung der Burgveste.
Zum Angedenken an den abgeschlagenen Sturm aber
wurde jahrhundertlang am 18. Juli jeden Jahres jenes
Eingangs erwähnte Dankfest abgehalten. L. M.
Der Fr eim a ur er - K o n g r eß in Wil-
helmsbad. Am 16. Juli 1782 fand zu Wil
helmsbad bei Hanau unter dem Vorsitze des Herzogs
Ferdinand von Braunschweig, des Großmeisters aller-
deutschen Logen, die Eröffnung des Freimaurer-Kon
gresses statt, auf welchem die moralische Vervollkommnung
auf Grundlage der christlichen Religion festgesetzt und die
s. g. strikte Observanz auf neue Grundsätze zurückgeführt
wurde (Wilhelmsbader oder rektificirtes System). Der
Kongreß dauerte bis Ende August. Mehr als 30 Sitzungen
wurden abgehalten. Das Verzeichniß der damals in Wil
helmsbad anwesenden Kurgäste weist 380 Personen nach,
von denen ein nicht geringer Theil blos des Kongresses
wegen sich daselbst aufhielt, darunter nicht nur
Männer aus allen Theilen Deutschlands, sondern
auch aus England, Frankreich, Italien, Dänemark
und Schweden, aus der Schweiz, aus Ungarn, Ruß
land, selbst einige von Batavia und vom Kap der
guten Hoffnung. Von fürstlichen Personen betheiligten
sich an dem Konvente außer dem Gründer von Wil
helmsbad, dem Erbprinzen Wilhelm von Hessen, dem
nachmaligen Landgrafen Wilhelm IX. und Kurfürsten
Wilhelm I., und dem Großmeister Herzog Ferdinand