——E--&-
Braut so glücklich, daß ich mich seines Glückes
freue." Und zum anderen Punkte: „Es gibt
viele Konflikte im Leben, die oft schwer im Her
zen zu beschwichtigen sind, derentwillen man aber
das Glück Anderer nicht zum Opfer bringen
darf."
Das Schwerste, was die hohe Frau im Leben
betroffen hat, waren jedoch zweifellos jene Prü
fungen, welche das Jahr 1866 über sie brachte.
Das dem eigenen Lande drohende Unglück wurde
ja noch rechtzeitig abgewendet, indem Herzog
Bernhard seine Truppen aus Mainz zurück
zog und die Regierung an seinen Sohn, den
jetzigen Herzog Georg II. abtrat, der dieselbe
am 20. November 1866 übernahm. Aber ihre
alte Heiniath, ihr „geliebtes Hessenland" sah sie
für den theueren Bruder verloren gehn und den
Schnierz des Unterganges des Brabantischcn
Regentenhauscs, dem sie entsprungen war, diesen
Schmerz hat die hohe Frau eigentlich nie über
wunden. Ein Strom von Thränen entrang sich
ihren Augen, als sie den Kurfürsten im Jahre
1869 in Horschowitz besuchte, als sie auf der
sterilen, reizlosen Höhe des dortigen Bahnhofs
das alte Jsabellengespann stehen sab, das sie
gewohnt war, von Kassel nach der herrlichen
Wilhelmshöhe fahren zu sehen, und herzzerreißend
war der Anblick, als sie den über Alles geliebten
Bruder unter diesem Thränenstrom zum ersten
Male in seinem Unglück wieder umarmte. Daun
hat sie den Kurfürsten nur noch einmal gesehen,
als sie denselben nach dem deutsch-französischen
Kriege, gelegentlich einer Badereise nach Teplitz,
in Prag besuchte. Der Kurfürst erwiderte diesen
Besuch in Teplitz, wo beide damals viel hessische
Offiziere und Soldaten, noch leidend an den
Wunden des Feldzugs vom Jahre 1870, trafen
und der Kurfürst nicht müde wurde, zur Freude
seiner Schwester, sowohl Offiziere als Soldaten
in reichem Maße zu beschenken und zu den
Kosten ihrer Badekur beizutragen.
Nur drei Jahre später, im Januar 1875 traf
sie dann der harte Schlag: der plötzliche Tod
des Bruders. „Mein Herz ist zerrissen", schrieb
sie in ihrem Schmerze, „ich habe so viel Liebe,
so viel Hoffnungen mit ihm verloren und werde
ich den Verlust des geliebten einzigen Bruders,
des Letzten unserer Familie, niemals verschmerzen;
aber ich gönne ihm die Ruhe nach Allem, was
er gelitten, ich danke Gott, ihn so sanft und so
unberührt von den Schrecken des Todes aus
diesem Leben hinweggenommen und in die ewige
Seligkeit versetzt zu haben, und freue mich, daß
seine sterbliche Hülle da ruht, wohin er sich im
Leben vergeblich sehnte. Dort ruht er nun in
Frieden neben Mutter und Schwester, umgeben
von der Liebe und Verehrung der treuen Hessen."
Eine wahrhaft rührende Anhänglichkeit bewahrte
sie denn auch Denen, die dem Kurfürsten mit
in die Verbannung gefolgt waren, und wer
immer tzou ihr mit einer Einladung nach Mei
ningen oder dem reizend gelegenen Schloß Alten-
stein beehrt wurde, wird nie die herrlichen Stunden
vergessen, die Herzog Bernhard und Herzogin
Marie dem Gaste zu bereiten bemüht waren.
In den letzten Tagen stickte die hohe Ver
blichene noch an einem Rückenkissen für den
Kasseler Bazar, am 22. Dezember bcschccrte
sie in ihrem Palais, wie alljährlich zu Weih
nachten, 80 alten Fwm,en, fuhr dann in die
Marienschule, um dort den Kindern zu beschcercn,
und der heilige Abend fand sic im Schlosse des
Herzogs, vereint mit diesem und seinen Kindern.
Von hier kam sie mit einer leichten Erkältung
in ihr Palais zurück und sollte von ihrein Lager
nicht wieder aufstehen; in der Sylvcsternacht
verschied sie, und das Land Meiningen wie mit
ihm das Hcssenland betrauert „Eine Herzogin
Marie, die unvergessen bleibt für alle
Zeiten."
In der Scheide voir Frühling und Sommer
des Jahres 1855 trafen sich in Meiningen der
Hofmaler Diez, der Hofbildhauer Ferdinand
Müller, Professor Rauch, der Historienmaler
Andreas Müller und Wilhelm von Kaulbach.
Es handelte sich darum, im Auftrage seiner
Hoheit des damaligen Erbprinzen Georg eine
Marmorbüste der eben verschiedenen Erbprinzessin
Charlotte, sowie eine Apotheose herzustellen.
Zu der letzteren entwarf A. M ü l l e r den Carton.
Die Verklärte, in Leichentücher gehüllt, wird von
vier Engeln gen Himmel getragen. Einer der
Engel trägt das neugeborene, mit der Mutter
verstorbene Kind, während der kleine im Tode
vorangegangene Prinz Georg als beflügelter
Engel der Mutter grüßend entgegenschwebt.
Unter der Gruppe breitet sich die Stadt Mei
ningen aus. — An diese Apotheose wird man
erinnert, wenn heute die Hildburghäuser „Dorf-
zeitung" über den Tod der unvergeßlichen Herzogin
schreibt: „Wollte man ein Bild des
Wirkens dieser Fürstin in allegorischer
Darstellung geben, man müßte sie
als Engel malen, der vor den Thüren
der Armen steht und dieNoth und die
Sorge z u r ü ck s ch e u ch t."
Wir Hessen aber, wir möchten sie als dritten
Engel sehen zwischen jenen beiden, welche an
der Ruhestätte ihrer Mutter, ihrer Schwester und
— unseres letzten Kurfürsten so treue Wacht halten.