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ein,, Stück Brot" oder „Handel" d. h. die
Gelegenheit zu einem Raube durch den
„Baldower" — Kundschafter — ausgemacht,
so fanden sie sich auf Benachrichtigung, die nicht
selten durch die Wirthe vermittelt wurde, auf
dem bestimmten Sammelplatz, dem sogenannten
„bezinkten Emmes" ein, von dem der Marsch
— oft stundenweit — nachdem vorher Einer die
Führerschaft übernommen und die Rollen vertheilt
hatte, nach dem Orte angetreten wurde, wo der
Diebstahl, Einbruch oder Raub ausgeführt
werden sollte.
Dos hauptsächlichste Terrain, von dem aus
dieses Gesindel seine Streif- und Raubzüge
unternahm, war die durch Wälder und Gebirgs
züge vielfach durchschnittene Gegend zwischen der
unteren Diemel und unteren Ed der und dem
Waldeck'schen Gebirgsland, welche ihnen noch
dadurch größere Sicherheit bot, daß dort drei
Reichskreise aneinander stießen, es somit für sie
ein Leichtes war, von dem einen in den andern
zu kommen, wo des ersteren Gerichtsbarkeit
aufhörte.
In vielen kleinen Wirthen fanden diese
Menschen verschwiegene Herbergierer, Warner
und Hehler, auch Vermittler zur Erlangung von
Pässen, Zeugnissen rc. So hatten die christlichen
Mitglieder in Volkmarsen ihre Niederlage im
„Weißen Roß" bei dem Wirthe Hülseberg;
während die jüdischen im „Stern" beim Rabbi (!)
verkehrten. Weitere Absteigequartiere hatten sie
beim Wirthe Börger zu Zwergen; bei Heisterhagen
auf dem Keller zu Marburg; im Halben Monde
zu Peckelsheim; im Feldscheershause zu Scherfede
und bei dem Hüttenmanne auf der Eisenhütte
des Klosters Bredelar.
Bei dem Wirthe Börger zu Zwerge war es,
von wo aus, nachdem sich der alte Drucker
wieder eingefunden hatte, in rascher Folge die
nachverzeichneten Räubereien begannen:
1. am 25. oder 26. Januar der Raub bei
dem siebenundsiebenzigjährigen Pastor
Schimmelpfeng zu Hümme;
2. vom 10. auf 11. Februar der Raub bei
dem Handelsmann Judas Meyer zu Madfeld;
3. am 13. Februar der Raub in dem Pfarrhause
zu Alme;
4. vom 15. auf 16. Februar der Raub bei
den Herren von Wrehde zu Menne;
5. vom 20. auf 21. Februar der Raub auf
der untersten Oelmühle bei Naumburg im
Niederhessischen;
6. vom 25. auf 26. Februar der versuchte
Raub auf der Reichshosmühle zu Vacha;
7. vom 23. auf 24. März der Raub bei dem
Lehrer Nagel zu Otterbach im Groß
herzogthum Hessen;
8. vom 25. auf 26. Mürz der Straßenraub
an dem Handelsmann Moses Levi aus
Gemündeu an der Wohra im Walde
zwischen dem Kloster Haina und dem Dorfe
Löhlbach;
9. vom 16. auf 17. April der Raub bei betn
Pfarrherrn Rappe zu Welda unb
10. vom 17. auf 18. April der Raub bei den
Müllersleuten Striepecke auf der Steinmühle
an der Diemel bei der Stadt Rohden.
Als der alte Drucker in Zwerge anlangte,
fand er seine alte Anne-Marie nicht dort; auch
wollten seine Spießgesellen ihren Aufenthaltsort
nicht kennen, obgleich sie recht wohl wußten, daß
sie auf einem Dorfe nahe bei Volkmarsen mit
dem „Erkel'schen Schuster" kampiere. Denn als
der alte Drucker zu Braunschweig „in der Karre"
ging, hatte sich die Alte mit Jenem, der mit
seinem Tauf- und Familien-Namen Philipp
Günterberg hieß, und aus Erkel, wo er das
Schuhmacherhandwerk betrieben, gebürtig war,
daher der Spitzbubennamen „Erkel'scher Schuster",
zusammengethan, welchem mütterlichen Vorbilde
auch die schöne Gertrud nachahmte, indem sie
Ersatz für den schwarzen Hann-Adam in dem
Gilbert Eller, einem Matador der Bande suchte.
Da die Räuber das cholerische Temperament
des Alten fürchteten, so verschwiegen sie ihm
vorläufig die Untreue seiner Anne-Marie, und
dem großen Hann-Peter blieb es vorbehalten,
eine gelegentliche Verständigung herbeizuführen.
Zur Zeit des Raubes im Pfarrhause zu Alme
(13. Februar) war jedoch diese noch nicht erfolgt.
Als Stelldichein zu diesem Raube war dazumal
die Eisenhütte des Klosters Bredelar nugegebeu,
und auf dieser Hütte war es, wo der alte Drucker
den Erkel'schen Schuster, in welchem er seinen
Nebenbuhler noch nicht ahnte, zum ersten Male
wiedersah. Hann-Peter, der Alles vermeiden
wollte, was den beabsichtigten „Handel" hätte
stören können, hielt seinen Schwiegervater unter
irgend einem Vorwände von der Theilnahme
und auf der Eisenhütte zurück. Indessen war
das nur eine Galgenfrist, denn am nächsten
Tage erhielt er doch Aufklärung und das machte
ihn so wüthend, daß er erklärte, er werde an dem
nun geplanten Raube bei den Herren von Wrehde
nur darum Theil nehmen, weil er hoffe, dabei
seinen Todfeind treffen und züchtigen zu können.
Da der „Handel" durch solches Gebühren leicht
gestört hätte werden können, ging der rothe
Konrad zeitiger, als verabredet, nach dem be
zeichneten Sammelplatz, der kleinen Kapelle in
der Nähe von Menne, um den Erkel'schen Schuster
zu warnen. Dieser war schon am Platze, hörte
den rothen Konrad in größter Ruhe an und schien
es darauf ankommen lassen zu wollen, ja er