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Landgrafen Moritz von Hessen stand, hatte von
demselben den freien Durchzug durch Hessen mit
seinem Heer von 10,000 Mann erlangt, um gegen
die Pfalz vorzudringen und sich mit dem im Elsaß
stehenden Grafen von Mansfeld zu vereinen. Letzterer
hatte in der Pfalz 20,000 Streiter geworben, war noch
verstärkt worden: durch Kurpfälzische Truppen unter
Obentraut und englische Hülfsvölker unter Horaz
von Beer. Durch die obige Meldung, wurde Land
graf Moritz wohl zuerst von dem Eintreffen des
Herzogs Christian aufWaldeck'schem und HessischemBoden
benachrichtigt. Derselbe kam von Höxter an der
Weser und speiste am 18. November mit dem
Landgraf Moritz zu Gemünden an der Wohra zu
Mittag. Am 20. Dezember wurde dann der Herzog
von Braunschweig, bei Alsfeld und Homberg im
Busecker Thal, von dem zu seiner Vertreibung vom
General Tilly abgesendeten Obersten Anholt geschlagen
und mußte sich später wieder an der Waldeck'schen
Grenze bis Nach Westphalen zurückziehen.
H. v- W-
Aus Aeimach und Fremde.
Kassel, 30. Juni. Zum letzten Male verkündeten
gestern zur Mittagsstunde die Glocken mit ihrem
ehernen Munde das Hinscheiden des Besten aller
Fürsten. Vor zwölf Tagen, am 18. Juni, sind
die sterblichen Reste des Kaisers Friedrich zur
letzten Ruhe bestattet worden. In der Friedenskirche zu
Potsdam schläft er den Schlaf des Gerechten, an der Seite
seines Onkels, Königs Friedrich Wilhelm IV., dessen
Erdenbahn gleichfalls von schweren Prüfungen und
Leiden heimgesucht war. Ergreifend war die Trauer
rede, welche Oberhofprediger Dr. Kögel am Grabe
hielt, kein Auge blieb trocken, und wie dort an der
Grabesstätte, so war es allenthalben in Deutschland,
tiefste Trauer des Herzens herrschte in den Palästen
wie in den Hütten.
„Amor et deliciae generis humani“ : „Liebe
und Wonne des menschlichen Geschlechtes" nannten
einst die alten Römer ihren Kaiser Titus, dem es
auch nur kurze Zeit beschieden war, den Thron zu
zieren, dessen Namen aber in unvergänglicher Glorie
prangt für alle Zeiten; wer wäre. wohl würdiger des
gleichen Beinamens, als Kaiser Friedrich, der mehr
noch war, als Kaiser Titus! Er gab seinem
Volke Liebe und erntete Liebe, die echt menschlichen
Eigenschaften seiner edlen Seele machten ihn zum
Liebling der deutschen Nation, seine Freundlichkeit,
seine Milde, sein hochherziger Sinn hatten ihm die
Herzen Aller gewonnen, der Hohen wie der Nie
drigen. Er war deutsch in seinem Denken, deutsch
in seinem Fühlen, deutsch in seinem Handeln, ein
Mann aus einem Gusse, und wie sein Inneres, so
war auch sein Aeußeres. Seine imponirende Gestalt,
das männlich schöne Antlitz, der offene aufrichtige
Blick, sie waren ein treuer Spiegel seines Innern,
seiner hohen Tugenden, die nur Wonne verbreiteten.
Und nicht allein die Deutschen, nicht allein unsere Freunde
erkannten dieselben und rühmten sie, auch das Aus
land, auch unsere Feinde wußten sie zu würdigen.
Das beweisen zur Genüge die warmen Nachrufe, die
ihm selbst die Franzosen widmeten. An seinem Grabe
besänftigten sich die sonst so hochgehenden Wogen
politischer Leidenschaft. Er, der Friedensfürst, war
zu Großem berufen, das wußte die Welt, um so
tiefer, um so anhaltender ist denn auch der Schmerz
um den Verlust dieses Herrschers, der einzig dasteht
in der Geschichte. Und daß schon früh sein Werth
erkannt worden ist, dafür bürgt das Zeugniß des
liberalen französisch - schweizerischen Schriftstellers
Victor Cherbuliez, welcher nach Begegnung mit dem
damaligen Kronprinzen Friedrich zu Potsdam im
Jahre 1869 in sein Tagebuch schrieb:
„Dieser zukünftige König ist ein moderner Mensch.
Ein so vortrefflicher Soldat er auch ist, vor Allem
ist er ein Kind der Civilisation, er begreift, daß auch
der Frieden Ruhmesglanz zu verleihen vermag und
daß ein Herrscher, welcher Industrie, Kunst und
Wissenschaft fördert, ein ebenso großer König ist, wie
Derjenige, der immer den Degen führt. Wenn er
einmal auf den Thron gelangen wird, wird er der
Staats-Raison alle nothwendigen Opfer, nicht aber
Alles zum Opfer bringen. Er ist menschlich. Er wird
seinen Ehrgeiz darin setzen, in gutem Einvernehmen
mit seinem Volke zu leben, demselben seine Last zu
erleichtern, ihm seinen Herrn angenehm zu machen.
Er wird nicht dulden, daß man die Kronrechte antaste:
aber er wird sich ohne Ueberwindung den Anforderungen
des konstitutionellen Regiments fügen. Er wird auf
die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen. Er wird
lieber überzeugen, als Machtworte sprechen, er wird
ausgleichende Versöhnlichkeit starrem Hader vorziehen."
Am Sonntag den 24. Juni, dem Johannistage,
dem passendsten Tage zu dieser Feier, denn wenn
Einer, so besaß Kaiser Friedrich die Johannistugenden,
wurde der Tod desselben von den Kanzeln sämmtlicher
Kirchen verkündet durch eine Ansprache, die einem
Nachrufe gleichkommt, die in schlichter Form vom
Herzen kommt und zum Herzen geht. Ihrem Haupt
inhalte nach geben wir dieselbe hier wieder:
Seit mehr denn Jahresfrist hat bange Sorge um
das Leben des Theuren das preußische und das gesammte
deutsche Volk bedrückt. Flammte auch, wenn vorüber
gehend Besserung einzutreten schien, immer von neuem
die Hoffnung auf, nur zu bald mußte sie in Ent
täuschung enden. Menschliches Wissen und Können,
hingebendste Sorgfalt und Pflege, waren machtlos
gegen die tückische Krankheit, welche schleichend die
Lebenskraft des geliebten Fürsten untergrub. Nun hat
der königliche Dulder ausgerungen. Die Kaiserin
und Königin trauert um den geliebten, so treu ge-