200
Der Alte sah Marielies an, als ob er seinen
Ohren nicht traue. Nach den letzten Schilderungen,
die er ühMMMesen gehört, hätte er sicher so
viel Liebe ste ll Thier nicht von ihr erwartet.
Eine Weile schloß er nun die Augen zu und zog
die Stirn in so krause Falten, als denke er über
etwas scharf nach, dann war es plötzlich, als fliege
etwas Blitzendes über sein Antlitz. Man sah es
an dem schmunzelnden Ausdruck der runzligen
Züge, Bast hatte nicht vergeblich gegrübelt und
etwas recht Wirksames gefunden.
„Sag einmal, Dirn'", begann er dann, „hast
du denn auch wirklich so viel Kurasche, wie man
von deiner Gestalt erwarten sollt'?"
„Ei freilich, Bast", gab das Mädchen beherzt
zurück. „Wann's gilt den Schimmel zu retten,
der mein' Vater selig vor dem Geschoß vom
Wilderfritz fortgetragen hat, dann mach' ich
selbst 'nen Gang in den Geisterschlag.,,
„Na, das ist grad uit nöthig. Aber du mußt
morgen abend gegen halber sechs vorm Geläut
durch den stillen Grund gehen und nachher auf
dem Woddensberg 'ne schwarze Nießwurz langen.
Kennst doch das Gewächs, das mitten im Winter
die schönen weißen Blumen hat?"
„Gewiß, Bast, ich kenn's ganz genau. Aber
was soll dann mit der Nießwurz geschehn?"
„Die läßt du den Hannes in den drei höchsten
Namen dem Schimmel mit 'nem Heftpflaster au
das Geschwür kleben. Wann das nit hilft, dann
ist naut mehr zu machen. Morgen gegen Abend
will ich einmal selbst nach dem Gaul gucken."
Marielies dankte dem Alten herzlich für seinen
guten Rath und fragte nach ihrer Schuldigkeit.
Der Kräuterbast erklärte jedoch, erst dann einen
Lohn nehmen zu können, wenn das Mittel dem
kranken Pferd etwas genützt habe. Anfangs wollte
das Mädchen nicht darauf eingehen, als aber der
Alte sagte, er pflegte selbst bei den Reichsten
nicht von seiner gewohnten Regel abzulenken, er
hob sie sich, um fortzugehen.
In diesem Augenblick faßte Bast ihre Rechte
und sagte , indem er einen erstaunten Blick über
sie hingleiten ließ: „Bist doch 'ne statiöse Dirn',
Marielies! Warum freist du denn nur nit, hast
doch gewiß schon längst das Geriß?"
Das Mädchen wurde über und über roth und
strich sich vor Verlegenheit die Schürze glatt.
Erst nach einer Pause entgegnete sie: „Der Rechte
ist halt noch nit dagewesen, Bast."
„Schau, schau, der Rechte war noch nit da!"
erwiderte der Alte schmunzelnd. „Das ist natür
lich nur ein Bursch, der ebensoviel einbringt, als
dem Jochenhauues selig seine reiche Erbdirn'?"
„Wo denkt Ihr denn hin!" versetzte Marielies
wahrhaft erschrocken. „Ich habe Geld und Gut
genug und nehm' nur einen, der mich zuerst ein
bissel lieb hat. — Freilich, der wird wohl nimmer
kommen!"
„Ei, weshalb denn nit, wenn ich fragen darf,
Dirn' ?"
Um die frischen Lippen des Mädchens spielte
ein schmerzliches Lächeln. Dann entgegnete sie
mit einem Anflug- leidenschaftlicher Gereiztheit:
„Weil ich ohne mein Geld und Gut gewiß keinem
Bursch' im ganzen Kirchspiel in die Augen stechen
thät. — Aber als Zugab' laß ich mich nun ein
mal nit freien, lieber bleib ich all mein Lebtag
ledig. Hab' ich nicht recht, Bast?"
„Gewiß", hast grad so recht wie en armer
Bursch, der einmal zu mir gesagt hat, er hätt
'ne reiche Erbdirn' so über die Maßen gern, daß
er sie der Reichsten vorzög' und wenn sie so blutarm
wär' wie die lahme ©ritt im Gcmeindshaus.
Weil aber nun grad das Gegentheil davon der
Fall ist, dcrnthalb thut er sich, grad wie du auch
naut vergeben."
Marielies hatte sich bei den Worten des Alten
entfärbt. Ihre Brust wogte heftig, die Finger
verschlangen sich fest ineinander, während sie den
Kräuterbast gespannt forschend ansah und mit
unsichrer Stimme fragte: „Darf ich wissen, wer
der Bursch ist, der das zu Euch gesagt hat?"
Der Alte tupfte sich mit dem Zeigefinger in
die Augenwinkel, als ob ihm etwas hineingeflogen
sei. Wäre Marielies nicht so erregt gewesen,
sic hätte bemerken müssen, daß es ihm trotz dieser
Bewegung nicht gelang, ein schalkhaft heiteres
Lächeln zu verbergen. Dann erwiderteer: „Nein,
Dirn', das kann ich dir nit sagen, ohne mein
Wort zu brechen, und so aut hab ich all mein
Lebtag noch nit gethan. Aber was liegt dir denn
auch an dem armen Bursch! Wir wollen lieber
noch 'eu wink von dei'm Rechten schwätzen."
Ganz verlegen wußte Marielies nicht, was sie
darauf erwidern solle. Gar gern hätte sie den
Namen gekannt, aber sie schämte sich nach der
entschiedenen Abweisung des Alten noch weiter
zu forschen. Bast aber that, als merke er nicht,
was in ihr vorging, und fuhr fort: Ein Mittel
giebt's schon, Dirn', damit du dir dein' Rechten
ausfindig machen kannst. Ich hab's schon mehr
Weibsleut von deiner Art gerathen." ,
(Fortsetzung folgt.)
.vn>