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RuPPrecht: „Rechtgern! Adieu, HerrKurfürst!"
Und damit endete die Zusammenkunft. Dem
Kurfürsten hatie das von den ceremoniellen Hofformen
weit entfernte, aber aufrichtige Benehmen des kleinen
verwachsenen, selbstbewußten Mannes, wohl gefallen.
Und da gerade er es liebte, den Künstlern, Hand
werkern und Geschäftslenten seiner Residenzstadt
Kassel seine Aufträge zu ertheilen, so wurden von
nun an für den Kasseler Hof auch die Operngucker
und sonstigen optischen Instrumente von Gustav
Rupprecht bezogen. Ir. Z.
Todesfälle. Wir haben bereits in der letzten
Nummer unserer Zeitschrift gemeldet, daß am 9. Mai
zu Wiesbaden der Generallieutenant z. D. Albrecht
von B a r d e l e b e n, der älteste von den ehemals
kurhessischen Offizieren, im 85. Lebensjahre gestorben
ist. Dank der gütigen Mittheilungen eines hoch
geschätzten Freundes unserer Zeitschrift sind wir
heute in der Lage, folgende Einzelheiten aus dem
Leben des Verblichenen bringen zu können. Albrecht
Goswin Friedrich Heinrich von Bardeleben
war geboren am 10. Juli 1803 zu Kassel als der
älteste Sohn des am 2. April 1856 verstorbenen
Generallieutenants a. D. A L. von Bardeleben, wel
cher im Jahre 1848 kurze Zeit kurhessischer Kriegs
minister war. Albrecht von Bardeleben besuchte von
1815 an, zur Vorbereitung für den Militärdienst, das
kurfürstliche Kadettenhaus zu Kassel, am 25. Mai
1821 wurde er zum Secondelieutenant im 2. kur
hessischen Husarcn-Regiment, welches in Hofgeismar
stand, ernannt; am 1. Dezember 1828 wurde
er zürn Premierlieutenant in demselben befördert und
zum Adjutanten des Kommandeurs der Kawallerie-
Brigade, Generalmajors Scheffer, ernannt. Am 23.
Mai 1830 wurde er, unter Beibehaltung der Stelle
als Brigade-Adjutant, zu der Division Garde du Korps
versetzt. Am 30. September 1838 wurde Albrecht
von Bardeleben zum Rittmeister und Eskadronschef
im Leibdragoner-Regimeat zu Hofgeismar befördert,
18-10 wieder in die Garde du Korps zurückversetzt und
am 8. Dezember 1843 zum Major und Kom
mandeur der Division Garde du Korps ernannt. Im
Jahre 1846 in das 2. Husaren-Regiment versetzt,
war er seit dem I I. Februar 1848 kurze Zeit als
Flügeladjutant des Kurfürsten kommandirt und wurde
am 28. Februar zum Oberstlieutenant befördert.
1850 wurde er mit dem Kommando des 2. Husaren-
Regiments beauftragt, am 22. Januar 1852, unter
Beförderung zum Oberst, zum Kommanddur dieses
Regiments ernannt und am 27. März 1854, unter
Beförderung zum Generalmajor, zum Kommandeur
der kurhessischen Kawallerie-Brigade ernannt. Vom
September 1854 bis 1855 war er auch interimistisch
1. Kommandant der Residenzstadt Kassel. Bei dem
Uebergang der kurhessischen Offiziere in die preußische
Armee wurde er am 16. Oktober 1866, unter Ver
leihung des Charakters als Generallieutenant, mit
Pension zur Disposition gestellt, worauf er seinen
Wohnsitz von Kassel nach Wiesbaden verlegte. —
Während einer nahezu fünfzigjährigen aktiven Dienst
zeit hat der Dahingeschiedene sich hervorragende Ver
dienste um Ausbildung der kurhessischen Kawallerie
erworben und sich jederzeit durch strengste Pflicht
erfüllung, unerschütterliche Anhänglichkeit au seinen
Kriegsherrn, treueste Kameradschaft und die wohl
wollendste Gesinnung gegen seine Untergebenen in
hohem Grade ausgezeichnet. Die allgemeine Liebe und
Hochachtung, welche ihm im Leben von seinen Kame
raden und allen, die ihn kannten, entgegengebracht
wurden, folgen ihm unverkürzt auch über das Grab
hinaus.
— Am 22. Mai verschied nach schwerem Leiden
der Landrichter Heinrich Henkel zu Kassel.
Geboren am 25. November 1649 als Sohn des
Repositars Konrad Henkel in Kassel, besuchte er das
Gymnasium seiner Vaterstadt, das er zu Ostern 1868
absolvirte. Er trat hiernach als Einjährig-Freiwilliger
bei dem 2. thüringischen Jnfanterie-Regimente Nr. 32
ein, dessen Füsilier-Bataillon damals hier in Kassel
lag, widmete sich hierauf dem Studium der
Mathematik uiib der Naturwissenschaften auf den Uni
versitäten zu Marburg und Berlin und wurde beim
Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im Juli
1870 zum Dienste in dem I. niederschlesischen Jn
fanterie-Regimente Nr. 46 einberufen. Beiin Angriffe auf
die Weinberge in der Schlacht von Wörth wurde er
verwundet und nach dem er gefallen, erhielt er noch zwei
Schüsse in das rechte Bein. Diese schweren Verwun
dungen machten eine Amputation des Beines oberhalb des
Kniees nothwendig, die im Diakonissenhause zu Frank
furt a./M. vollzogen wurde. Von nun an trug er
ein künstliches Bein. Für seine Tapferkeit wurde
ihm das Eiserne Kreuz verliehen. Heinrich Henkel
setzte nun seine Universitätsstudien in Leipzig, Göt
tingen und Marburg fort, doch war er von bcui
Studium der Mathematik zu demjenigen der Rechts
wissenschaft übergegangen. Sein Referendarexamen
bestand er 1874, sein Assessorexamen im November
1879 mit der Qualifikation „gut". Zunächst war
er hiernach bei dem Landgerichte zu Frankfurt a./M.,
dann bei der Staatsanwaltschaft in Hanau beschäf
tigt. Im Jahre 1881 wurde er zum Amtsrichter
in Kasselernannt und 1885 zum Landgericht daselbst ver
setzt. Verheirathet war Heinrich Henkel seit Mürz
1879 mit Victorine, geb. Wittich von Kassel, und
nach deren 1881 erfolgten Tode, seit 1886 mit
Clara, geb. Scherb, gleichfalls von hier. Jeder
dieser beiden glücklichen Ehen entstammte ein Knabe.
— Das hiesige Landgericht hat durch den Tod des
Landrichters Heinrich Henkel einen schweren Verlust
erlitten. Der Verblichene, welcher seiner Wissenschaft
mit Leib und Seele ergeben war, zeichnete sich ebenso
durch vortreffliche Persönliche Eigenschaften, wie durch