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man kann den Enthusiasmus begreifen, de»
namentlich seine Frauenbildnisse erregten. Da
war Alles vorhanden, was die Welt des Puders,
der Schminke und der Schönpflästerchen in Ent
zücken versetzen mußte. Ueber dem blühenden
Kolorit, den meisterhaft gemalten Stoffen und
Spitzen übersah man den Mangel der Wahrheit
und Natur, von der freilich in diesen Kreisen
nicht viel die Rede war. Die prachtvolle Samm
lung Tischbcin'scher Frauenbildnisse im Schlosse
zu Wilhelmsthal bietet wohl das Beste und
Schönste, was wir von dem Meister besitzen.
Tischbein hatte einen zweiten, aber ebenfalls
vergeblichen Versuch gemacht, sich in Rom nieder
zulassen lind begab sich im Jahr 1760 nach
Mainz, um einige Portraits zu malen. Graf
Stadion, sein treuer Beschützer, befand sich in
Frankfurt mit dem Landgrafen Wilhelm VIII.
von Hessen. Beide waren große Kunstfreunde
und eifrige Sammler von Gemälden und ihre
Unterhaltung hatte natürlich die Kunst zum
Gegenstand. Der Graf zeigte dem Fürsten das
Bildniß einer Dame ans Mainz. „Das ist,"
sagte er, „das Werk eines Unterthanen Ihrer
Hoheit, den ich habe reisen und studiren lassen;
nun ist er ein zu großer Künstler für mich ge
worden und ich würde ihn gern Ew. Hoheit über
lassen, damit er sich noch in seiner Kunst ver
vollkommnen könnte." Der Landgraf wollte
nicht glauben, daß das Bild von einem Deutschen
gemalt sei. „Kein Hesse," wiederholte er, „ist
im Stande so zu malen, das Bild hat ein
Franzose gemalt." — Tischbein befand sich in
Mainz, der Graf schrieb ihm, sofort nach Frankfurt
zu kommen und Pinsel und Farben nicht zu ver
gessen. Trotz eines furchtbaren Zahnschmerzes
kam der Künstler dieser Aufforderung nach.
Nachdem ihn der Graf von dem Vorgefallenen
in Kenntniß gesetzt, theilte er ihm mit, daß er
am nächsten Morgen das Portrait des Land
grafen anfangen und sehr schnell beenden müsse,
da der Herr bald abreisen wolle. Tischbein wollte
sich entschuldigen, er sei krank und könne kaum
die Augen aufmachen vor Schmerz. „Das
kann sein," meinte der Graf, „aber Sie dürfen
sich dennoch nicht weigern, ich weiß, Sie können
es, und überdies muß das Portrait morgen
schon fertig sein Ihr Glück, Tischbein, hängt
davon ab und meine Ehre; der Landgraf würde
mich für einen Aufschneider halten, denn er will
absolut nicht glauben, daß Sie der Maler dieses
Frauenportraits sind." Tischbein mußte nachgeben
und brachte trotz der peinigendsten Schmerzen
eines seiner besten Bilder hervor. Der Landgraf,
der im höchsten Grade erstaunt und zufrieden
war, ernannte T. zum Hofmaler. Im Jahre
1806 befand sich dies Bild noch im „Kabinet
Wilhelms VIII.", wo es wie ein kostbares Juwel
bewahrt wurde.
Im Jahr 1776, nachdem der Landgraf Fried
rich II. eine Akademie der bildenden Künste ge
gründet, ernannte er Tischbein zum Direktor und
später zum Professor und Rath.
Unter den religiösen Gemälden des Meisters
ist besonders zu erwähnen das große Altarbild
in der Michacliskirche zu Hamburg. Zahlreich
sind seine Historienbilder, deren bedeutendstes
„die Hermannsschlacht", sich im Schlosse zu
Pyrmont befindet.
Vorzugsweise war es aber die Mythologie,
an welcher er sich zu Gegenständen für seine
Gemälde begeisterte.
Zahllos sind die Kopien, welche nach den
Bildnissen des ältern Tischbein gemacht wurden
und in späterer Zeit hartnäckig für Original-
werke ausgegeben wurden, sie können freilich den
Kenner nicht täuschen, aber sie haben dem Namen
des Meisters entschieden geschadet. — Neben der
Malerei handhabte er auch mit Erfolg den
Grabstichel und reproducirte damit viele seiner
Gemälde.
Von den weniger Bedeutenden der Maler
gruppe Tischbein seien hier noch drei ganz kurz
erwähnt, um eine Uebersicht zu ermöglichen.
Johann Jakob, geb. 1724 und in Lübeck im
Jahre 1791 gestorben, war Landschafts- und
Thiermaler, führte seine Bilder, welche vortrefflich
gezeichnet waren, in sehr kleinem Maßstab aus und
stndirte mit besonderer Vorliebe die Niederländer,
Wouvermann und Berghem. Sein intimer
Freund, der Maler Philipp Hackert, malte ge
wöhnlich den landschaftlichen Theil. Die kleinen
Gemälde wanderten größtentheils nach Rußland,
wo sie für Original-Niederländer galten und
gern gekauft wurden. Der jüngste Sohn des
alten Bäckermeisters, Anton Wilhelm, starb in
Hanau im Jahr 1804. Er war Schüler seines
Bruders Valentin und lebte längere Zeit in
Mainz, wo noch zahlreiche Gemälde von ihm
existiren. Aus der zweiten Generation muß nun
zunächst der jüngere Jvh. Heinrich erwähnt
werden. Sein Geburtsjahr ist 1742 und er
starb in Kassel im Jahr 1808.
Sein Oheim, der ältere Joh. Heinrich, war
sein Lehrer, doch wandte er sich mit Vorliebe
und Erfolg der Landschaftsmalerei zu. Bald
nach seiner Niederlassung in Kassel wurde er
Inspektor der Gemäldegallerie des Landgrafen,
welche sein Onkel und Meister geordnet hatte.
Eines seiner schönsten Bilder, eine Landschaft
mit Thiere», befindet sich in der Sammlung
des alten Schlosses in Nürnberg.
(Fortsetzung folgt.)