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Kämpfe, welche er hierbei gegen die Ansichten
der protestantischen und namentlich der lutherischen
Prediger zunächst erfolglos zu bestehen gehabt,
nur bei katholischen Kirchenbausachcn, bei welchen
von der Regierung kein Beitrag verlangt wurde,
gelang es ihm leichter, seine Pläne durchzuführen.
In den Briefen fehlt es auch nicht an Beispielen
von dem Barbarismus, mit welchem damals
gegen alte prächtige Baudenkmäler Hessens bei
deren Restaurirnng Verfahren wurde. So er
zählt er von einem Baubeamten, welcher die
Stiftskirche zu Treysa, deren Dach schadhaft ge
worden war, sofort abzubrechen anfing, den Dach
stuhl herunterwarf und dann seine Kunst an den
Gewölben versuchte. Da diese sich nicht gut
willig zerschlagen ließen, so reiste er in seinem
Zerstörungseiser nach Kassel, um Artillerie zu
requiriren, die ihm aber aus militärischen und
hauptsächlich finanziellen Gründen versagt wurde.
Eine ähnliche Zerstörungswuth habe ein an
derer Baumeister gehabt, welcher die reizende
Bonifatinskapelle in Fritzlar habe abbrechen
wollen, um den Dom zu „reinigen". Ein kunst
sinniger Beamter in Fritzlar habe die Helme
von den dortigen prächtigen Mauerthürmen
herunterwerfen lassen, uni dem beurlaubten Land
rath bei seiner Rückkehr eine angenehme Ueber-
raschung zu bereiten.
Ungewitter erwähnt in einem Briefe an
Reichensperger vom 22. März 1861, daß er
seinem gothischen Musterbuche noch einige Sup
plementhefte hinzufügen möchte, in welchen im
Anschluß an die Kirchen von Haina und Wetter
noch andere hessische Kirchen dargestellt werden
könnten. Hierzu bemerkt Reichensperger in
einer Anmerkung Folgendes:
„Der obige Gedanke Ungewitter's ist seitdein
durch den Verein für hessische Geschichte und
Landeskunde verwirklicht worden, beziehungsweise
noch in der Verwirklichung begriffen. Die durch
diesen Verein herausgegebenen, von dem Ober
hofbaumeister von Dehn Rothfelser bearbeiteten
„Mittelalterlichen Baudenkmäler in Kurhessen"
thun in sehr anerkennungswerther Weise dar,
daß das Interesse für die geschichtliche und künst
lerische Vorzeit, sowie für unseren nationalen
Baustyl, insbesondere im Hessenlande fortwährend
Boden gewinnt".
Bei Privatbauten fand Ungewitter nur höchst
selten Gelegenheit zur Ausführung seiner Ideen.
Kassel besitzt nur ein einziges nach seinem Plane
ausgeführtes Gebäude, das Scholl'sche Haus in
der Bahnhofstraße, welches von den Kasselern
bezeichnender Weise die Weinkirche genannt wird
und nicht wenig der Straße zur Zierde gereicht.
Es wiederholte sich hier, was Ungewitter
über den Bau eines Hauses in Leipzig am 30.
August 1850 an Reichensperger schrieb:
„In jetziger Zeit hat man viel zu leiden,
wenn man bei dem Ban eines gothischen Wohn
hauses von der sogenannten modernen Eleganz
abgehen und sich dem Alten zuwenden will. Ich
habe gerade jetzt eine vortreffliche Gelegenheit,
mich hiervon zu überzeugen, indem mein einziger
Bauherr, dessen ich mich erfreue, mir neulich
noch sagte, sein Haus gefalle ihm gar wohl und
er sehe auch ein, daß Alles 31t seinem Vortheil
sei, aber er wünsche doch, daß es lieber so wäre,
wie die Häuser seiner Bekannten, wenn es auch
nicht so lange halte; und dann sehe der moderne
Styl doch auch so nobel aus, und etwas Gyps
hätte er doch auch gern daran gehabt u. s. w."
Größere Anerkennung, als in seinem engeren
Vaterlande, fand Ungewitter außerhalb desselben,
obgleich ihin auch hier vielfache Widerwärtig
keiten nicht erspart blieben, so namentlich bei
seinem Entwürfe zu dem Denkmale Weisse's in
Leipzig. Im Mürz 1862 wurde er nach Jns-
bruck berufen, um in einer Konkurrenz zil dem
dort zu erbauenden Rathhaus Entscheidung zu
treffen, der Bau scheiterte aber daran, daß das
erforderliche Geld nicht zu beschaffen war.
Für seinen Entwurf 311 der Votivkirche in
Wien erhielt er den ersten Preis, die Ausführung
wurde ihm aber als Ausländer nicht übertragen.
DieWirksamkeit Ungewitters greift, wieReichens-
perger schreibt, tief in die neuste Entwicklung
der deutschen Kunstgeschichte ein. Stets war er
eifrig bemüht, von jeder bloß äußerlichen Nach
bildung gothischer Muster sich fern zu halten
und nur die Principiell der alten Meister sich anzu
eignen und in ihrem Geiste Neues, was dem
jedesmaligen Bedürfnisse entspreche, zu schaffen.
Die schriftstellerische Thätigkeit, in welcher er so
Bedelltendes geleistet, war ihm keineswegs Haupt
sache, er bedauerte sogar, so viel Zeit ans seine
schriftstellerische Thätigkeit verwenden zu könlien.
Von seinen zahlreichen Schriften seien erwähnt:
1. Vorlageblätter für Ziegel-und Steinarbeiten
mit 48 Tafeln (in 2. Auflage) 1849.
2. Entwürfe zu Grabsteinen und gothischen
Möbeln mit 48 bezw. 24 Tafeln. (Wurde ins
Französische übersetzt) (1851—53).
3. Entwürfe zu gothischen Zimmerornamenten.
(1854, ebenwohl ins Französische versetzt).
4. Desgl. zu Stadt- und Landhäusern (2. Auf
lage) 1864.
5. Gothisches Musterbuch, im Verein mit Statz
herausgegeben, mit 216 Foliotafeln (1856—61).