12
v. Hutten", „die humanistisch erneuerte Latinität in
Erasmus ihren Prosaisten hervorgebracht hatte, so
hatte sie nun in Eoban ihren Poeten. War jener
der moderne Cicero, so war dieser Virgil und Ovid.
Die letztere Bezeichnung ist in so fern nicht blos
Phrase, als Eoban mit diesem Römer die Leichtigkeit
gemein halle, die Verse nur so hinzuschütten, wes
wegen von ihm gesagt wurde, er sei der einzige
Poet, der seine Verse zugleich mache und schreibe.
Eoban war aber nicht blos ein glücklicher Dichter,
sondern auch ein fleißiger und tüchtiger Gelehrter;
seine Vorlesungen an den Hochschulen zu Erfurt und
später zu Marburg, wie in der Zwischenzeit seine
Lehrthätigkeit an dem Gymnasium zu Nürnberg,
wurden hoch geschätzt; von Johann Lange und
Joachim CamerariuS lernte er Griechisch und über
setzte in der Folge den Theokrit und die Ilias in
lateinische Hexameter, wie auf Luther's und Melanch-
thon's Wunsch die Psalmen in lateinische
Distichen."
„Dabei war Eoban ein Mensch von der seltensten
Gutherzigkeit. Ein großer, schöner, wohlgebauter
Mann, mit prächtigem Bart und martialischem
Gesichtsausdruck (Albrecht Dürer pflegte zu sagen,
wenn er ihn nicht kennte, und ein Bild von ihm
zu sehen bekäme, würde er es für das eines Kriegs
mannes halten), ein ausgezeichneter Fechter, Tänzer,
Schwimmer und leider auch — Trinker, Künste, zu
deren Ausbildung ein mehrjähriger Aufenthalt an
dem Hofe des Bischofs Hiob von Dobeneck zu
Riesenburg an der Weichsel ihm die beste Gelegenheit
geboten hatte, war er zwar rasch und derb aber arg
los wie ein Kind. Nichts war ihm mehr zuwider,
als Verkleinerung anderer, und er duldete nicht, daß
in seiner Gegenwart von Abwesenden übel gesprochen
wurde. List und selbst Vorsicht waren ihm fremd.
Bei spärlichem Einkommen, wachsender Familie und
seiner poetischen Sorglosigkeit für alles Oekonomische,
ging es ihm stets knapp, bisweilen wirklich elend,
aber nie verlor er den heiteren Lebensmuth. Patientia!
pflegte er sich bei widrigen Begegnissen zuzurufen.
„Wir haben zahlreiche Briefe von Eoban, welche
zu den gemüthlichsten, herz- und temperamentvollsten
gehören, die aus seiner Zeit übrig sind. Ganz
Briefe, durchaus persönlich, nichts Studirtes, alles
Stimmung und Eingebung des Augenblicks. Darunter
eine Menge Zettel an Freunde, die im gleichen Orte
wohnen, Einladungen zum Baden, zum Mittagessen
auf ein paar Fische mit Knoblauch, ein Stück Wild-
pret, das er geschenkt bekommen, gewürzt durch ein
heiteres Gespräch. Es kommt vor, daß er einen
Freund zugleich als Gast zum Essen und um ein
Darlehen von zwei Gulden bittet. Da Eoban das
Bier als ein schädliches Getränke scheute, so hielt er
sich desto mehr an den Wein. Nichts ermunterte ihn
so sehr zunl Fortfahren in dem frommen Werke
seiner Psalmenübersetzung, als daß sein Erfurter
Mäcenas, der reiche Arzt und Bergwerksbesitzer
Georg Sturz, ihm jedesmal einen Krug Wein vor
setzte, so oft er ihm eine neue Nummer brachte.
Oft erbittet er sich von diesem auch etwas von dessen
Wermuthwein, um nach dem gestrigen Rausche sein
„königliches Haupt" wieder in den Stand zu setzen.
Denn aus Anlaß einer Aeußerung Reuchlin's, der
sein H688U8 durch das griechische ’Eaarjr, d. h. König,
gedeutet hatte, hieß er nun im Kreise seiner Freunde
Rex, und mit diesem Königsmantel weiß er sich
fortan in seinen Briefen auf das Drolligste zu
drapiren. Er gebietet den Freunden als König,
warnt, sie mögen ihn nicht nöthigen, den Tyrannen
herauszukehren, grüßt von seiner Königin, berichtet
von seinen Prinzen (reguli), datirt seine Briefe aus
der armen Königsburg, verlangt eine Salbe für seine
königliche Nase, die der Wein etwas zu färben an
gefangen hätte" u. s. w. —
Das Trinken war bei ihm freilich zur Leidenschaft
geworden und wenn er auch gegen die Liebe zum
Trinken öffentlich redete und schrieb — wir führen
hier nur seine im Jahre 15! 6 erschienene Elegie
gegen die Trunkenheit („Helii Eobani Hessi de
vitanda ebrietate elegia“) und seine Scherzrede:
Von den Arten der Betrunkenen und von der Ver
meidung der Trunksucht, eine Abhandlung von Possen
und Witz, mit den schönsten Blumen der besten
Autoren angefüllt, beim Schlüsse des Erfurter Quod
libet im Jahre 1515 um das Herbstäquinoctium
nach akademischer Sitte vorgetragen *) („de gene-
ribus ebriosorum et ebrietate vitanda. Quaestio
facetiarum et urbanitatis plena, atque pulcher-
rimis optimorum scriptorum Üosculis referta,
in conclusioue Quodlibeti Erphurdiensis. Anno
Christi MDXV. Circa auturanale aequinoctium
scalastico inore explicata“) an —, so machte er
doch, was ihn selbst betraf, wie bereits oben er
wähnt, gar kein Hehl aus seiner Vorliebe für das
*) „Wir haben in dieser Rede," schreibt Karl. Krause
in seinem Werke über Helios Eobanus Hessus, „ein Stück
des akademischen Humors vor uns, wie ihn das Mittelalter
auch bei ernsthaften Dingen so sehr liebte. Oeffentliche
Redeübungen vor den Magistern und den Vätern der Stadt
gehörten zu den feierlichsten Akten der mittelalterlichen
Universitäten. Diese „Quaestiones Quodlibeticae“, wie
sie barbarisch genug hießen, d. h. Reden über einen belie
bigen Gegenstand (Disputationes de quolibet, Quod-
libeta), dauerten in der Regel mehrere Tage und ent
falteten die scholastische Disputirkunst in ihrem vollen Glanze.
Nach den: Ernste und der Anstrengung beanspruchte aber
auch der Scherz und die Erholung ihr Recht. An Stelle
des pedantischen Schulernstes schlug einmal für kurze Zeit
die Narrheit ihre Herrschaft auf. So machte denn eine
scherzhafte Rede öfters den Beschluß des ganzen ernst
feierlichen Aktes. In diesen Scherz- und Possenreden
waren alle Derbheiten und Späße erlaubt, wenn sie nur
auf die Lachmuskeln einwirkten, Niemandem persönlich zu
nahe traten und eine sittliche Tendenz verhüllten," sie glichen
in mancher Beziehung den „Bierreden" in unserem heu
tigen akademischen Leben.