sich der Schwierigkeiten bei Anlage der nicht von
allen Seiten Vortheilhaften Lage dieses Gebäudes
wvhl bewußt war. Die daneben befindliche
nach der Altstadt führende Straße hatte in einer
Länge von 120 Fuß eine nicht zu ändernde
Tiefe von 20 Fuß, und mußte deshalb die Lage
des Hauses nach dieser Seite viel höher werden
als die nach den andern Seiten. Ein weiterer Miß
stand war es, daß die Seite des Platzes, auf welcher
die Vorderseite des Hauses zu errichten war,
von der Königsstraße nach der Aue hin in einer
Länge von 1100 Fuß 26 Fuß Fall hatte und
das Haus daher 12 Fuß tiefer als die Häuser
iu der Königsstraße, dagegen 18 Fuß höher,
als die Häuser in der Altstadt, zu stehen kam.
Dazu kam noch, daß der Grund für das Gebäude
auf dem zugeworfenen Festungsgraben in einer
Tiefe von 30 Fuß gesucht werden mußte. Und
doch entstand ein Gebäude, welches zu jeder Zeit
die größte Anerkennung bei allen Sachverständigen
gefunden hat, und erkennen läßt, daß der Erbauer
ein Meister seiner Kunst war. Eines solchen
bedurfte auch der im Jahre 1785 zur Regierung
gelangte Landgraf Wilhelm IX. bei seinen groß
artigen Bauten und Anlagen auf der nach ihm
genannten Wilhelmshöhe. Doch war es Du Ry
nur noch vergönnt, die , beiden Flügel an dem
prächtigen Schloßbau zu vollenden. Am 17.
August 1799 endete er als Oberbaudirektor mit
den Titeln Rath und Professor sein reich gesegnetes
Leben. Auch ihm hatte dieWoffnung "geblüht,
in seinem Sohne einen Erben des von ihm und
seinen Vorfahren erwvrbeuenJRuhmsjals Meister
der Baukunst zu hinterlassen, als ein plötzlicher Tod,
welcher den'-talentvollen Sohn auf einer Kunst
reise nach Italien in Neapel ereilte, diese Hoff
nung vernichtete und die letzten Lebenstage des
Vaters um so schwerer und kummervoller machte, als
auch dessen geliebte Gattin dem Sohne im Tode
vorangegangen war. Tröstend standen ihm aber
zwei Töchter zur Seite, durch welche in zder Fa
milie Rothe und Grandidier das Geschlecht der
Du Rys in weiblicher Linie noch fortlebt. Das
Verdienst aber, welches die Familie Du Ry durch
die vielen von ihnen herrührenden Baudenkmäler
für die Stadt Kassel erworben hat, wird für
alle Zeiten unvergessen bleiben.
(Er^äsjfung von Wilhelm Dennecke.
(Forlsetzung statt Schluß.)
Er setzte den Cylinder auf und man sah ihn kurz
darauf über den weitlüusigen Hof nach seinem
Comptoir schreiten. Dasselbe bestand aus drei
iueinandergehenden Zimmern; in dem ersten
befand sich einer der Lehrlinge, welcher sich beim
Eintritt seines Chefs ehrfurchtsvoll von dem Pult
erhob, wo er mit Lesen eines handelswissen
schaftlichen Buches beschäftigt war; Herr Daniel
schritt, den Hut auf dem Kopf behaltend, in das
zweite Zimmer. Dort schrieb er ein Telegramm
mit Rückantwort, übergab dasselbe dem Lehrling
mit der Weisung es sofort nach Oeffnung des
Telegraphen-Bureaus aufzugeben und entließ
sodann den jungen Menschen, auf dessen Pünkt
lichkeit er sich verlassen konnte. Als er sich allein
sah, begab Herr Daniel sich iu das dritte, kleinere
Gemach, welches er für seine eigene Person
reservirt hatte, schloß dort einen ziemlich ver
borgenen Wandschrank auf und holte eine der
darin befindlichen Flaschen heraus, mit deren
Inhalt er sich eingehend zu beschäftigen begann.
Der Lehrling hatte sich während dessen, da das
Telegraphenamt erst Nachmittags wieder geöffnet
wurde, auf dem Hofe das Vergnügen gemacht, die
dort zahlreich im Sonnenschein herumspazierenden
Tauben mit den Ueberresten seines Frühstücks
zu füttern und wollte dann das Haus verlassen.
Auf dem Corridor kam Herr Wiesthaler hinter
ihm her. „Wohin gehen Sie schon so frühe?"
herrschte der Geschäftsführer den jungen Menschen
an. „Wissen Sie nicht, daß Sie bis ein Uhr zur
Verfügung stehen sollen?" — „Herr Schröder
hat mich nach Hause geschickt", erwiderte der
Lehrling bescheiden. „Ich soll später ein Telegramm
für ihn aufgeben." — „Ein geschäftliches?" fragte
Wiesthaler. — „Ich habe es, nicht gelesen." —
„So zeigen Sie es doch einmal" sagte der Ge
schäftsführer und zögernd reichte der Lehrling,
welcher dem gefürchteten ^ Vertreter des Hauses
nicht zu widerstreben wagte, das Papier. Wiesthaler
las Namen und Bestimmungsort und sodann:
„Ist meinem Sohne etwas zugestoßen? Habe
seit vierzehn Tagen keine Nachricht erhalten.
Umgehende Rückantwort. Schröder." Einen Augen
blick stutzte er,zdann gab er das Telegramm zurück
und sagte gleichgültig: „Es ist gut. Sie können