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Auf den Wunsch dieser vaterländischen Zeit«
schrift soll nun versucht werden, das lauge frucht
bringende Leben Georg Ferdinands an der Hand
der von ihm hinterlassenen Aufzeichnungen, von
denen einige im Original als Anhang") folgen
werden, zu schildern.
Es handelt sich darum, das Bild eines her- !
vorragend begabten und unterrichteten, streng '
rechtlichen und echt patriotischen Mannes, der
unerschütterlich fest bei dem verharrte, was er
einmal für recht erkannt hatte — zu zeichnen,
und zu berichten, wie es diesein Manne beschicken
war, bei wichtigen und hochinteressanten Ereig
nissen seines Zeitalters Augenzeuge und Mit
arbeiter zu sein. !
Georg Ferdinand von Lepel wurde am 27. 1
November 1779 zu Spangenberg, dem damaligen ,
Garnisonsort seines Vaters, geboren. Er war j
ein so wenig kräftiges Kind, daß der Gedanke, !
ihn dereinst dem Militärdienste zuzuführen, früh- !
zeitig aufgegeben wurde und die Eltern beschlossen '
den geistig begabten Knaben dem Studium zu ;
widmen. Die Versetzung des Vaters nach Kassel <
gestattete den Besuch des dortigen Lyceums, in '
welches Georg Ferdinand im Herbst 1788 ein
trat. und welches er zu Ostern 1796 verließ, »m
an den Universitäten Marburg und Göttingen
Jura und Staatswissenschaft zu studiren.
Selten mögen die Räume der Kasseler Schule
einen fleißigeren Besucher gehabt haben, der mit
größerer Leichtigkeit das Vorgetragene erfaßt ,
und behalten hätte. Hand in Hand mit der Er
ziehung durch die Lehrer ging die des Eltern
hauses.
Vor allem pflanzte die vortreffliche Mutter
den Keim eines ernst religiösen Sinnes in das
jugendliche Herz und stählte es dadurch gegen
manchen Angriff der Verführung. Der Vater
verstand es den schwächlichen Körper durch Ab
härtungen zu kräftigen und allmählich die Be
fürchtungen der gefährdeten Widerstandsfähigkeit ,
desselben zu vermindern.
Im Jahre 1798 bat der hessische Legations
sekretär am Reichstage zu Regensburg, von
Starkloff um Abberufung und ganz unerwartet !
wurde der noch nicht 19 Jahre alte Jüngling •
Georg Ferdinand zu seinem Nachfolger ernannt.
Er mußte seine Studien in Göttiugen in raschester
Weise zum Abschluß bringen und schon am 6.
Oktober seinen Dienst antreten.
Die ziemlich geringen Geschäfte am Reichstage
gestatteten ihm indessen sich wissenschaftlich weiter
*1 Der hochinteressante Inhalt des Anhanqs betrifft „Tic !
Unterzeichnung der deutschen Bund-satt- vom I«. Juni I«l5 zu Wien, I
totme die Bekanntschaft und die B-rhandlnnqe« G. FchcPel's «jt !
dem Minister Freiherrn von und znm Stein." Anm. d. Red.
jetzt erst sein Wachs
thum volle' . in reichen! Maße zu gute.
Sechs un halbes Jahr dauerte diese Ver
wendung in ,,-tgensburg. Gerade als sich gegen
Ende der Zeit erhebliche Verbesserungen des
sehr mäßigen Gehaltes, welcher dem auf jede
Zulage aus dem Elternhause verzichtenden jungen
Manne gar inanchc Entbehrung auferlegte, durch
Uebernahme der Vertretung neu hinzutretender
kleiner Fürsten darboten, erfolgte seine Ernennung
zum Geschäftsträger in Wien, wo sich der inzwischen
Kurfürst gewordene Landgraf durch eine Ge
sandtschaft vertreten lassen wollte. An der Spitze
derselben stand der Rcichstaxsgesandtc Freiherr
von Günderode. Derselbe kehrte jedoch bald
nach Regensburg zurück und Lepel blieb allein
in Wien.
Als im Spätherbste des Jahres 1805 der
österreichische Hof bei Annäherung der französt-
scheir Arinee die Hauptstadt verließ, folgten die
Vertreter der befreundeten und präsumtiv alliirten
Staaten demselben nach Ollmütz und von da
nach Troppa». Nach dem Preßburger Frieden
konnte dann im Januar 1806 die Rückreise nach
Wien stattfinden. Nach Vernichtung des preußi
schen Heeres bei Jena und Auerstädt im Herbste
dieses Unglücksjahres wurde das kurfürstliche
Haus Hessen durch Napoleon von der Liste der
Regierenden. gestrichen und der Friede von Tilsit
zerstörte jede Hoffnung auf Wiedereinsetzung des
selben.
Lepel, der glänzende Anerbietungen, in den
höheren diplomatischen Dienst des neuen König
reichs Westphalen einzutreten, abgelehnt hatte,
verblieb seinein angestammte» Herrn treu >md
beharrte in seinem Dienste zunächst als Privat-
Geschäftsträger. Er selbst sagt als „Geschäfts
mann des Kurfürsten" bei der österreichischen Re
gierung.
Als der Kurfürst Wilhelm I. im Frühjahr
1809 bei der Erhebung des Kaiserstaates gegen
seinen Bedränger ein kleines Truppenkorps ver
schiedener Waffen in Prag zu errichten begann,
begab sich Lepel dorthin und wurde zu mehreren
Missivllen in das österreichische Hauptquartier
verwendet. Nach Abschluß des Wiener Friedens
»ahm er seine Thätigkeit als Privat-Geschäfts-
träger wieder auf.
Er vermählte sich jetzt mit einer Wittwe
Christiane Hille, geb. von Stubenrauch, die ihm
aber nach kurzer Frist durch den Tod wieder ent
rissen wurde.