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Philipp Ludwig II.
Ein Lebensbild ans -er Hanauer Grafen-Gel'chichte.
Von
F. M. Aurrttvirrrs.
Hinter den Regenten des 1736 mit Johann
M Reinhard ausgestorbenen Geschlechts der
Grafen von Hanau ragt eine Gestalt um
eines Hauptes Länge über alle anderen hervor:
Philipp Ludwig IL, der Gründer Neu Hanaus.
Von der Natur ausgestattet mit trefflichen An
lagen des Geistes, welche nach einer sorgfältigen
Jugenderziehung auf den hohen Schulen zu
Herborn und Heidelberg weiter ausgebildet wurden,
und im Besitz eines hohen Verständnisses für
Kunst und Wissenschaft, ein geborener Regent
und Staatsmann, verstand er es die kleine Stadt
Hanau zu einer hohen Blüthe zu bringen und
würde vielleicht an der Spitze eines größeren
Staats eine Rolle auf der Bühne der Weltge
schichte gespielt haben. Ohne seine staatsmännische
Weisheit würde jedenfalls Hanau nicht das ge
worden sein, was es jetzt ist, und würde vielleicht
noch heute wie Windecken, die frühere Residenz
der Grafen oder das alt-hanauische Städchen
Steinau den Rang einer unbedeutenden Landstadt
einnehmen.
Philipp Ludwig wurde geboren im Schloß zu
Hanau den 18. November 1576. Die Grafschaft
Hanau-Münzenberg hatte das Unglück, daß fast
alle ihre Regenten schon in frühem Alter starben.
Als Philipp Ludwigs Vater, Philipp Ludwig 1. >
dessen schönes Marmordenkmal im edelsten Styl
der deutschen Renaissance, den Chor der Marien
kirche ziert, das Zeitliche segnete, war unser Graf
erst 4 Jahre alt. Da seine Mutter Magdalene,
eine geborene Prinzeß von Waldeck, sich bald
nach dem Tode ihres Mannes in zweiter Ehe
mit dem Grafen Johann von Nassau-Siegen
verheirathcte, so kam der junge Graf an den 1
Hof zu Dittenburg, wo er im Geist des reformirten
Bekenntnisses erzogen wurde. Sehr früh schon >
bezog er die hohe Schule zu Herborn, welche !
eben errichtet war, und widmete sich dort neben '
den humanistischen Studien dem Studium der
Rechtswissenschaften und der Theologie, welche
damals ebenwohl zur Ausbildung eines künftigen
Regenten für nöthig gehalten wurde. Bon hier
begab er sich auf die Universität Heidelberg, wo
er nach damaliger Sitte honoris causa zum
Rektor magnificns ernannt wurde. Bei seiner
Rückkehr nach Hanau im Jahre 1596 zeigte er
seine Vorliebe für die Einrichtungen der reformirten
Kirche schon dadurch, daß er die Einführung der
Lobwasserschen Psalmen, einer gereimten Be
arbeitung des Psalmbuchs mit den in der reformirten
Kirche üblichen Melodien des Claude Gondimel,
in der Hanauer Kirche veranlaßte. Zugleich be
trieb er die Errichtung einer Druckerei in seiner
künftigen Haupt und Residenzstadt. Man war
früher der allgemeinen Ansicht, daß die Wechelschen
Erben Ktaudius Maruius und Johann Aubry
die ersten Hanauer Drucker gewesen seien, die
von 1594 an eine ganze Reihe von schönen
Drucken unter dem Druckzeichen des fliegenden
Pferdes von Hanau haben ausgehen lassen. Allein
neuere Forschungen haben nachgewiesen, daß vor
ihnen schon ein anderer Drucker, Wilhelm An
tonius, in Hanau thätig war. Der erste Druck
dieser bis 1614 bestandenen Officin, ein Plc.kat
vom Jahre 15)96, befindet sich im Staatsarchiv
zu Marburg. Mithin wird es dieser Wilhelm
Anton oder Guillauine Antoine gewesen sein,
welchen der junge Graf nach Hanau berief. Nach
kurzem Aufenthalt in der Vaterstadt begab sich
Philipp Ludwig nochmals zu seiner weitern Aus
bildung auf längere Meisen. Die große Tour
führte ihn erst über Breinen nach den Niederländer,
wo er ein halbes Jahr in Leyden weilte, d'em
niederländischen Sitz der Gelehrsamkeit. Von
hier kehrte er durch Braunschweig und Hessen
nach Hanau zurück. Kurz darauf trat er eine
zweite größere Reise an. Zuerst nach Rege-':-
bürg, wo er dem Kaiser Rudolf II. vorgestellt
wurde und sich eines ihm von dem Wetterauer
Grafenkollegium gegebenen Auftrags entledigte,
dann durch Oesterreich, Ungarn, Böhmen, Po'en
und Schlesien nach Italien, dem Land der Künste,
dessen berühmte Universitäten noch immer Ae