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in Hessen lagernde französische Armee, in wel
chem 80,000 Säcke Mehl, 50,000 Säcke Korn
und Hafer, eine Million Rationen Heu, und
eine große Masse Stroh aufgehäuft waren.
Mit Ausnahme des Heues und des Strohes,
welches in den Stiftsgärten im Freien aufge
schichtet war, lagerten die übrigen Vorräthe in
der geräumigen Stiftskirche — jener großartigen
und schönen Pfeiler-Basilika, die aus der Blüthe
zeit des romanischen Banstils herstammt. Die
selbe ist 358 Fuß lang und im Querschiff 196
breit; unter dem lang gestreckten, runden Chor ,
befindet sich eine Säulen-Krypta, in welcher vor- ;
mals die Gebeine dreier Heiligen, des Wigbert, i
Witta und Lullus, ruhten. Der vordere Theil ,
der Kirche hatte drei Schiffe, wovon die beiden
Seitenschiffe niedriger als das Mittelschiff waren.
Die beiden Kreuzesarme und das Chor hatten j
gleiche Höhe mit dem Mittelschiff. Die Kirche !
nebst Chor war nicht gewölbt, sondern hatte !
flache Holzdecken. In der Mitte der Kreuzarme
erhob sich über dem Dache ein sechseckiger hoher
Thurm mit Kuppel, und auf der Giebelspitze
des hohen Chors im Osten war eine mächtige
von Kupfer gefertigte und vergoldete Hand an
gebracht, welche die Finger zum Schwur empor
streckte, als Zeichen des kaiserlichen Schutzes, den ;
einst Karl der Große dem Stifte Hersfeld zu
gesichert hatte. Nach Westen befand sich eine !
gewölbte großartige Vorhalle, über dieser eine 1
große Halbrotunde in welcher eine der größten
und schönsten Orgeln stand, bei deren Spiel ein
über ihr angebrachter großer silberner Stern —
ein Geschenk der Gemahlin Kaiser Heinrich IV.
— sich bewegte. Neben dieser Vorhalle standen 1
zwei Thürme, von denen der eine noch erhalten
ist. Im Inneren der Kirche sah man zahlreiche }
prachtvolle Monumente, und die Wände waren ;
mit schönen Fresko-Gemälden geschmückt, deren !
Spuren noch sichtbar sind. Und dieser schöne,
durch sein Alter ehrwürdige Dom sollte in
Staub und Asche sinken, wie das Folgende er
geben wird. !
Die in und bei Kassel lagernden Franzosen !
zogen sich nach dem Verlust von Fritzlar, nach- !
dem sie in Kassel eine starke Besatzung zurück- I
gelassen hatten, auf Hersfeld zurück, verschanzten j
in aller Eile die Höhen um die Stadt und !
trafen alle erforderlichen Anstalten, um das er- ,
wähnte Nagazin nicht in die Hände der Ver- *
bündeten fallen zu lassen. Schon am 19. Febr. .
langte der Herzog von Braunschweig, von Fritz- j
lar kommend, in Schwarzenborn an, und seine !
Vorposten gelangten ungehindert bis Oberngeis,
zwei Stunden von Hersfeld, während preußische ,
Husaren unter General Luckner bereits bis
Vacha, sechs Stunden von Hetsfeld, vorgerückt
waren. Es drohte also den Franzosen inHers-
fcld ein Angriff, sowohl von Osten als von
Westen, und der Rückzug auf Fulda wäre ihnen
leicht möglich ganz abgeschnitten worden. An
fangs gedachten sie zur Vertheidigung ihres
Magazins das Aeußerste zu wagen, selbst auf
die Gefahr hin, daß die Stadt Hersfeld dabei
iu Brand geschossen werde.
Auf dringendes Bitten des Magistrnts von
Hersfeld wurde dieser unheilvolle Plan endlich
aufgegeben, aber die Vernichtung de- Magazins
durch Brandlegung beschlossen. Hier half kein
weiteres Bitten und Flehen: Am 19. Februar
1761 wurde die Brandfackel in die herrliche
Stiftskirche geschleudert und die massenhaften
im Freien lagernden Stroh- und Heuvorräthe
angezündet. Im Nu stand in dem alt-ehrwür
digen Stifte alles in lichten Flnmmen. Riesige
Fcuersäulen stiegen hoch gen Himmel empor und
drohten die dicht angrenzende Stadt mit ins
Verderben zu ziehen. Die Angst und Noth der
unglücklichen Bewohner wuchs von Minute zu
Minute. Durch eine Plünderung der Stadt,
seitens der Franzosen wurde das Elend und der
Jammer der unglücklichen Hersfelder noch ge
steigert. und wären nicht die Verbündeten in
Eilmärschen herangekommen, so wäre wohl ganz
Hersfeld ein Schutt- und Trümmerhaufen ge-
r-orden.
Nachdem die Franzosen die Stadt verlassen
hatten und die Verbündeten in dieselbe einge
rückt waren, athmete die schwer bedrängte Bürger
schaft wieder auf und traf sofort die erforder
lichen Anstalten, um dem riesigen Brand im
Stifte, wenigstens nach der Stadt hin, Schranken
zu setzen. Die Verbündeten konnten sich mit der
Rettung der Stadt von Feuersgefahr nicht be
fassen, sondern überließen dieses der Bürger
schaft und setzten die Verfolgung der Franzosen
auf der Straße nach Fulda unaufhaltsam fort.
Dem großen Brande gegenüber waren die Hers
felder machtlos. Mit Thränen in den Augen
standen sie viele Tage vor dem Stifte und
sahen ein Gebäude nach dem anderen eine Beute
des Feuers werden. Am schmerzlichsten wurden
sie berührt, als der schöne Thurm auf der Stifts
kirche mit seiner Kuppel und seinem herrlichen
Geläute in den Feuerschlund prasselnd hinabsank.
Der damalige Oberschultheis von Hersfeld,
Rath Hartert, erstattete unter dem 25. Februar
1761 an den Landgrafen Friedrich II. über
das große Unglück, welches die Stadt HerSfeld