28
Als Kirchen sich auf Plätzen ehemaliger Hei
ligtümer erhuben, endete das Verlangen darum
nicht, in geweiheter Erde zu ruhen, indem die
Kirche zugleich übersinnlichen, und in kriegerisch
bewegter Zeit ebenwol leiblichen Schutz ver
sprach. Was manche Eindrücke betrifft und
höhere Ansicht göttliches Sinnes, die sich etwa
von Verehrung Gottes in Mitten irdischer Ver
wesung abkehrt, so hat doch solche Erwägung
auch ihre zwei Seiten. Ein versöhnender Aus
gleich auch für gesundheitlich bange Gemüter
möchte aber darin gefunden werden, daß man
alle neue Kirchen an ein Ende des Dorfes er
baue, wie schon Landgraf Wilhelm IX. empfahl
und zu Kirchditmold z. B. tat, sie jedoch wieder
um auch zum Horte ihrer toten Gemeine
mache. Diß läßt jeder Bauer sich lieber ge
fallen denn eine Verlegung des Toten-Hofes
alleine.
Die hessischen Kirchen sind zu größestem Teile
sehr alt; der Tnrm erhebt sich an vorderer
Seite herauf, oder ist ein bloßes hölzernes
Glocken-Haus auf dem Dache. Manches uralte
Gemäuer bestehet aus unbehauenen Steinen,
meistens aus Wacken; diß ist aber besonders bei
Kirchhofs-Mauren der Fall, die in vielen Dörfern
nur ehrwürdige Trümmer noch sind, und doch
einst zur Verteidigung eingerichtet waren. An
Glocke und llhre fehlt es höchst selten den Dörfern:
doch sind Uhren von geringem Nutzen, zumal
viele die Zeit nur so in Pausch und Bogen be
stimmen, wie man es auf den, Lande anch nach
der Sonne kann. Man findet in zweien, unferne
von einander liegenden Dörfern wol einen Unter
schied von leichtlich einer halben Stunde; also
daß Karls V. Wahrzeichen für einen geregelten
Stat hier doch nicht passen will. Alter Scherz
war, daß der Schulmeister die llhre vorstelle,
wann er Kartoffeln austue.
Die ältesten und geringsten Hütten lehnen sich
gewöhnlich an die Kirchhofs-Mauer, oder stehen
ihr doch zunächst. Diß deshalb zum Teile, weil
ihre frühesten Jnsaßen noch Zinsleute der Kirche,
vielleicht eines Klosters oder geistlicher Stiftung
waren. Aus gleichem Grunde ursprünglicher
Zugehörigkeit stunden bisweilen auch die Schul
gebäude in solcher Umfaßung, und der Toten-
Hof war für den Lehrer zugleich Hünkel-Höf
und Platz des Loftholzes.
An derlei stieß sich jedoch die unfeierliche,
gleichwol gediegene Fröinmigkeit der Menschen
nicht. Schule, Pfarre, Schenke stunden über
haupt vielerwärts, und so auch heute noch, alle
drei der Kirche nahe, und somit selbst traulich
beisammen. —
(Schluß folgt.)
Beiträge zur Geschichte der trurtzesstfcheu Artillerie.
Bon
August uolu Bcruurduch.
1. Sie Artillerie unter de« Zaudgrafe« Philipp dem Krußmuthize».
1509—1567.
f andgraf Philipp, der bis zum Jahre 1519
unter der Vormundschaft seiner Mutter,
Anna von Mecklenburg stand, ver
fügte, im Verhältniß zur Größe seines
Landes, über eine ganz bedeutende Zahl von
Geschützen aller Ast, die auf die Zeughäuser der
Festungen und festen Schlösser vertheilt waren,
wo sie unter Zengwarten standen, denen die
erforderlichen Ge schütz- oder Büchsenmeister
und Constabler beigegeben waren. Den Ober
befehl über die gesqmmte landesherrliche Artillerie
führte ein Ober-Zeugmeister.
Die hessischen Städte, die ihre eigene Artillerie,
damals Gezeug oder Arckoley genannt, be
saßen, und deren Büchsenmeister und Con
stabler eine Zunft bildeten, mußten mit ihren
kleineren Stücken, den „Feldstücken", den hessischen
Landgrafen Heeresfolge leisten, wie dies auch im
Jahre 1460, in der „Pfälzer Fehde", von
Schmalkalden und anderen Städten geschehen war.
Die landesherrliche Artillerie, die in Hessen
zuerst unter dem Landgrafen Philipp vorkommt,
bestand aus Stücken aller Kaliber, von der 60-
pfündigen „scharfen Metze" bis zu dem '/zpfün-
digen „scharfen Tintlein".*) Die großen Stücke,
außer „scharfen Metzen" auch „Doppelkarthaunen"
genannt, bedurften zu ihrer Fortbewegung 24
und mehr Pferde. Unter ihnen befand sich der
„Teufel" und seine „Großmutter", die beide vom
Landgrafen Philipp im Jahre 1534 dem Bischof
*) Zeitschrift für hessische Geschichte und Landeskunde. Neue Folge.
Band 1.