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stört bei Licht und Wärme studiren zu können. End
lich gelang es den vereinten Bemühungen der Mutter
und der Lehrer, welche letzteren die eminenten Fort
schritte des jungen Gatterer nicht genug loben konnten,
den Vater zu bewegen, daß er der Wahl seines
Sohnes, sich der Gelehrsamkeit zu widmen, zustimmte.
Der junge Gatterer bezog die Universität Altdorf,
habilitirte sich dort nach absolvirtem Studium, als
Privatdozent und wurde 1752 als Lehrer desGymnasiums
zn Nürnberg angestellt. 1759 erhielt er durch den
hannoverschen Minister von Münchhausen den ehren-
vollen Ruf, an des verstorbenen Professors Köhler-
Stelle, in Göttingen den Lehrstuhl für Geschichte
und die verwandten Disciplinen zu übernehmen.
Gatterer leistete diesem Rufe Folge und zählte bald
zu den hervorragendsten akademischen Lehrern der
Georgia Augusta.
Kaum drei Jahre alt war Philippine, als ihr
Vater von Nürnberg nach Göttingen übersiedelte. Nach
ihren Kinderjahren wurde sie von dein Vater wissen
schaftlich und von der Mutter, Helene Barbara, geb.
Schubert aus Nürnberg, zu strenger Häuslichkeit
erzogen. Das außerordentlich glückliche Gedächtniß
ihrer Eltern, der lebhafte Verstand des Vaters, der
Witz und die frohe Laune der Mutter waren ihr
Erbtheil und wachten es ihr leicht, ihre poetischen
Empfindungen in Verse zu kleiden. Niemand aber
machte sie zürn Vertrauten ihrer dichterischen Ver
suche, selbst ihre ältere Schwester nicht, mit der sie
Zimmer und Lager theilte. Ein Zufall verrieth es
endlich, und es nahm der Herausgeber des Göttinger-
Musenalmanachs , Heinrich Christian Boje einige
ihrer Gedichte unter dem Namen „Rosalia" auf, wie
sie uns selbst in dem, in der ersten Nummer unserer
Zeitschrift mitgetheilten anmuthenden Gedichte, „Wie
ich zur Dichtkunst kam", erzählt. Der Hang, uur
verstohlen zu schreiben, begleitete sie dnrch's Leben,
und nie hat ihre Umgebung sie eigentliche Aufsätze
verfertigen gesehen. Zwischen jeder Art von Ge
schäften, — so schreibt ihr Biograph A. von
Schindelin seinem Buche „die deutschenSchriftstellerinnen
des neunzehnten Jahrhunderts" — und als sie nachher
ihre Kinder am Busen nährte, sie trug und pflegte,
uud in der Nacht vorzüglick, arbeitete sie selbst weit
läufige Gedichte ans und schrieb sie endlich, sobald
ihr ein wenig Einsamkeit gegönnt war, nieder. Der
Lärm kleiner spielender Kinder störte sie nicht, nur
die Gegenwart Erwachsener beängstigte sie.
Ueber die Aufgabe, welche sich Philippine Gatterer
als Dichterin gestellt, gibt dieselbe in dem Gedichte
„Mein poetischer Lebenslauf" Auskunft. Ist dieses
Poem aus ihrer Jugend auch nichts weniger als
formvollendet, so ist es doch immerhin charakteristisch.
Wir lassen daher nachstehend einige Verse desselben
folgen:
In Kinderjahren schon fühlt' ich Beruf zum Dichten
Und hohe Gluth in meiner Brust:
.Kein Spiel, kein Puppentand konnt' ihn in mir pernickten,
Den Trieb zu edler, bess'rer Lust \
Las ich dann Dichter — Wie, dacht' ich, in lauter Reimen ?
Und doch bemerkt man keinen Zwang! —
Und schon versucht' ich's selbst, am besten ging's in
Träumen;
Denn wachend — dacht' ich nur Gesang.
Kaum wuchs ich auf und sah in mannigfachen Bildern
Die immer wechselnde Natur,
So seufzt' ich: Könnt' ich sie, wie meine Dichter schildern!
Doch noch blieb es beim Wunsche nur.
Schon wagt' ichs! — Unschuldsvoll sang ich geheime Lieder
Dem silbertöncnden Klavier;
Sang edler Freundschaft Glück, und, kam der Frühling
wieder,
Der Blumen sanft erneute Zier.
Jetzt ganz erwachsen — zwar mit wenig Reiz beglückte
Das Schicksal mich und mein Gesicht;
Unschuld'ges Lächeln war's, das Wang uud Lippen
schmückte,
Und zu gefallen sucht' ich nicht.
Doch fand ich, daß allein nicht Schöne nur gefallen,
Sah Männerherzen mir sich weih'n,
Ich hörte um mich her der Liebe Töne schallen,
Da stimmte sich die Leyer drein.
Nur werd' in süßes Gift ich nie den Pinsel tauchen,
Nie frischen Reiz der Wollust leih'n,
Nie heimlich glühend Feuer in junge Seelen hauchen:
Mein Lied sei, wie mein Leben, rein.
Der Edlen Beifall nur such' ich mir zu erwerben,
In denen Geist und Tugend wohnt;
Und wär's der Lieder Loos mit mir zugleich zu sterben,
Bin ich durch ihn genug belohnt. —
Im Sommer 1779 reiste Philippine Gatterer nach
Kassel, um sich von dem berühmten Künstler Johann
Heinrich Tischbein malen zn lassen. Es sollte nem-
lich dem Göttinger Musenalmanach das Brustbild
der Dichterin als Schmuck beigegeben werden, so be
scheiden auch Philippine selbst von ihrer Person dachte.
Das Bild war sehr ähnlich, sie dankte dafür dem
Künstler in einem sinnigen Gedichte. Anders ver
hielt es sich mit dem Kupferstiche; dieser, von der
Hand eines Anfängers angefertigt, fiel grob, alt und
verzerrt aus. Die Eltern der Dichterin wollten ihn
unterdrückt wissen, doch das wollte die gutmüthige
Philippine dem Kupferstecher nicht zu Leide thun,
und lachend ließ sie das Bild in die Welt gehen.
Bei Tischbein lernte sie den drei Jahre älteren Kriegs
sekretär Philipp Engelhard kennen, beide fühlten sich
von inniger Zuneigung zu einander beseelt, der
Philipp hatte seine Philippine gefunden und bald