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Kin Kürst des Krieöens.
Historische ZkiW von F. Sw eng er.
(Schluß.)
Am 27. Oktober 1439 starb der deutsche Kaiser
Albrecht II. aus dem Hause Oesterreich nach einer
nur zweijährigen Regierung. Die Kurfürsten des
deutschen Reiches richteten ihr Augenmerk auf den
Landgrafen Ludwig und brachten denselben als
Reichsoberhaupt in Vorschlag. Namentlich war
es der Kurfürst von Brandenburg, welcher für
die Wahl des Landgrafen von Hessen zum deutschen
Kaiser eintrat. Aber Ludwig, bekannt mit der
traurigen Lage des Reichs, war entschlossen, wie
der bereits citirte Aeneas Sylvius, der größte
Staatsmann seiner Zeit und nachmalige Papst
Pius II., schreibt, lieber den kleinen ererbten
Staat glücklich zu machen, als den Zwiespalt oder
die Verminderung eines großen ihm anvertrauten
Reiches zu erleben, und lehnte, seine Unkunde in
Sprachen und Wissenschaften vorschützend, beschei
denen Sinnes die Annahme des kaiserlichen Amtes
ab. *)
Obgleich einer der mächtigsten Fürsten Deutsch
lands, war Ich Landgraf Ludwig doch bewußt,
daß seine Hausmacht nicht ausreichend sei, um
als Kaiser der schwierigen Verhältniße, welche
damals im deutschen Reiche bestanden, Herr zu
werden und ein gesegnetes Regiment führen ru
können. Die Ablehnung der kaiserlichen Würde
war ein Beweis der großen staatsmännischen
Klugheit des Landgrafen, wie andererseits das
Anbieten der Kaiserkrone Zeugniß davon ablegte,
in welch' hohem Ansehen derselbe bei den deutschen
Fürsten stand.
*) Die bezügliche Stelle bei Aeneas Sylvins (Historia
de statu Europae. De Hassia et aliquot rebus
gestis in ea, cap. XXXVII) lautet: Inter Vuestphales
ac Francones Hassia iacet, montana regio, quae a
Rheno in septemtrionem porrecta, Thuringiae iun-
gitur. Princeps gentis, Ludovicus Landgravius,
aetate nostra ad imperium vocatus imparem se esse
dixit, quae tantae rei molem sustinere posset. Ma-
luitque parvo imperio a parentibus sibi relicto
utiliter praeesse , quam magnum accipiens dissipare.
Id cpioque sibi obstare ad rem Ohristianam gerendam
dixit, quod literares ignoraret.
Einen nicht minder beachtenswerthen Akt seiner
staatsmännischen Klugheit können wir aus dem
Jahre 1430 verzeichnen. Am 4. August des
letztgenannten Jahres war Herzog Philipp von
Brabant gestorben. Als nächster Agnat desselben
hatte Landgraf Ludwig wohlbegründetes Recht
auf die Erbschaft des Herzogthums Brabant.
Und dieses Recht war auch von dem deutschen
Kaiser Sigismund anerkannt worden. Landgraf
Ludwig zog nach Aachen, um von hier aus sich
in den Besitz des Herzogthums zu setzen. Aber
Herzog Philipp II. von Burgund, „der Gute"
zubenannt, war ihm schon zuvorgekommen. Die
Brabanter Stände hatten dessen auf frühere Erb
verträge gestützten Anspruch anerkannt und ihm
am 5. Oktober 1430 die Huldigung geleistet.
Ein schwerer Krieg stand in Aussicht, wenn Land
graf Ludwig auf seinem Rechte beharrte, ein
Krieg, der nach Lage der Verhältnisse nur zu
seinen und seines Landes Ungunsten ausfallen
konnte. Landgraf Ludwig zog sich zurück, um sein
Land vor den Greueln eines solchen aussichtslosen
Krieges zu bewahren. Aber indem er den Frieden,
das Glück und die sichere Herrschaft Hessens der
zweifelhaften Eroberung eines Erblandes vorzog,
behielt er alle Rechte auf dasselbe sich und seinen
Erben vor.
Aus der Zeit des Aufenthaltes des Kurfürsten
in Aachen stammt eine Legende, die wir hier dem
Chronisten nacherzählen wollen:*)
„Von einem Miracel so Landtgraf
Ludewigentzu Oche(Aachen) wiederfahren.
Uff der Wiederkehr käme der Fürst Landtgraf
Ludwig gehn Oche in die Stad, und herbergte
eine Nacht darinnen, nun was ein Grave (als
ich glaub) einer von Hengstberg, der war dem
Landtgrasen feind und gehas, vielleicht der Nieder
*) S. Anonymi Chronicon Thurin#. et Hass, bei
Senckenberg, Selecta juris et historiarum. Tom. III
pag. 418 sqq. Vergl. außerdem J. Nohii Chronicon
llassiacum bet Senckenberg, tom. V. pag. 443.