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Herr Kirchenrath, will ich's dann thue/ legte sein
Haupt auf den Block, das Beil fiel und sein
Kopf rollte in den Sand. Auf das anwesende Volk
machte diese Scene einen unbeschreiblichen Eindruck
und daß das Ansehen und der Einfluß des Kirchen
raths Engel durch diese Komotragödie in den
Volksschichten Gießens nur noch zunehmen konnten,
braucht wohl nicht erst versichert zu werden. — So
erzählte der frühere Gießener, seit 1852 Genfer Pro
fessor Karl Vogt vor einigen Jahren in der Wiener
«Reuen freien Presse-.
A. I.
Aus Heimath und Fremde.
Die Monatsversammlung des Vereins für hessische
Geschichte und Landeskunde am 28. November war
außerordentlich zahlreich besucht. Nachdem der Vor
sitzende Major C. von Stamford geschäftliche
Mittheilungen gemacht und mit warmen Worten der
seit der letzten Monatsversammlung verstorbenen fünf
Mitglieder des Vereins ehrende Erwähnung gethan
hatte, hielt Bibliothekar Dr. Hugo Brunner den
angekündigten Vortrag über «Öffentliches Leben in
Kassel unter König Jvröme-. Der Redner erntete
reichen Beifall für seinen nach Inhalt wie nach Form
gleich gediegenen, hochinteressanten Vortrag, der auf
der gründlichsten Forschung beruhte und sehr viel
Neues bot. Wir werden in einer späteren Nummer
auf diesen Bortrag zurückkommen.
Der «Allgemeine Deutsche Sprachver
ein- hat sich die sehr lobenswerthe Aufgabe ge
stellt, «1) die Reinigung der deutschen Sprache
von unnöthigen fremden Bestandtheilen zu för
dern, — 2) die Erhaltung und Wiederherstellung
des echten Geistes und eigenthümlichen Wesens der
deutschen Sprache zu pflegen — und 3) auf diese
Weise das allgenieine nationale Bewußtsein im deut
schen Volke zu kräftigen/ Auch bei uns in Hessen
haben der Verein und seine Bestrebungen Wurzeln
zu schlagen angefangen. Am 15. November hielt der
in Kassel bestehende Zweigverein im Saale von
Schaub's Garten seine erste Jahresversammlung ab.
Nachdem der 1. Vorsitzende, Herr Generalmajor
Sucro, mit einer kurzen, kernigen Ansprache die
zahlreich erschienenen Zuhörer und Zuhörerinnen be
grüßt hatte, gab der Schriftführer Herr Realschul
lehrer vr. Quiehl einen ausführlichen Jahresbericht,
dem wir das Folgende entnehmen. Nach etwa andert
halbjährigem Bestände zählt der Zweigverein 150
Mitglieder, darunter auch fast sämmtliche Spitzen der
in Kassel befindlichen Behörden. Der Vorstand hat
durch sehr zahlreiche persönliche und briefliche Ein
wirkungen auf Behörden, Vereine, Gasthofsbesitzer,
Wirthe, Geschäftsleute, Urheber von Zeitungsanzeigen
u. s. w. mit bald größerem bald geringerem Erfolge
sich bemüht, die Sprache des öffentlichen Verkehrs
von überflüssigen Fremdwörtern zu reinigen. Hun
derte von Anschlägen, welche in gefälliger Ausstattung
gedruckt den Wahlspruch tragen: «Kein Fremdwort
für das was gut Deutsch ausgedrückt werden
kann-, sind an öffentlichen Verkehrsstellen Kassels
und der Umgegend angebracht worden. Bei dem Be
streben, auch auf die Sprache der Tagesblätter ein
zuwirken, hat der Verein bei den Leitern und Besitzern
derselben meist ein wenigstens grundsätzlich freund
liches Entgegenkommen gefunden. Auf weitere Ein
zelheiten können wir hier nicht eingehen; manches
hat der Verein bereits erreicht, mehr natürlich bleibt
zu thun übrig, aber das seither Geleistete berechtigt
zu bester Hoffnung auf ein gedeihliches und erfolg
reiches Wirken in der Zukunft. — Es folgte der
Bericht über die am 8. und. 9. Oktober in Dresden
abgehaltene erste Hauptversammlung des Gesammt-
vereines, erstattet von Herrn Bibliothekar Dr. Loh
meyer. Redner gab den Hauptinhalt der Ver
handlungen kurz an, hob die warme Theilnahme her
vor, mit welcher die Versammlung seitens der Be
hörden, der Bevölkerung und der Presse Dresdens
begrüßt worden sei und glaubte den Dresdener Sprach
vereinstag als einen entschiedenen Erfolg der guten
Sache bezeichnen zu dürfen. Der Gesammtverein,
der gegenwärtig etwa 100 Zweigvereine und 7000
Mitglieder zählt, findet in ganz Deutschland immer
mehr Anerkennung und werkthätige Theilnahme, seine
Forderungen werden mehr und mehr zu Forderungen
der gesammten öffentlichen Meinung, eine nicht ge
ringe Zahl der bedeutendsten Schriftsteller und Ge
lehrten unseres Volkes haben sich für ihn erklärt oder
sind als Kämpfer in seine Reihen eingetreten. Frei
lich fehlt es auch nicht an Gegnern, aber irgend et
was Stichhaltiges gegen Grund und Wesen der
Vereinsbestrebungen hat keiner derselben vorzubringen
vermocht. Und so darf denn der Verein mit Genug
thuung zurück auf seine kurze Vergangenheit und mit
guter Zuversicht und Hoffnung vorwärts in die Zu
kunft blicken, zumal wenn er stets wie bisher daran
fest hält, daß die zwei starken Säulen seiner Kraft
sind und bleiben müssen -.Mäßigung und Beharr
lichkeit. Redner schloß mit einer warmen Auf
forderung an die Anwesenden, dem Vereine immer
zahlreicher beizutreten und in seinem Sinne und
Geiste zu wirken, im Dienste und zu Ehren der
deutschen Muttersprache und damit des deutschen
Volksthumes, des deutschen Vaterlandes.
Auf Antrag des Herrn Gymnasialdirektors Dr.
Wittich wurde der seitherige Vorstand durch Zuruf
wiedergewählt, worauf der Vorsitzende die Versammlung
schloß. — Auch wir wünschen von Herzen dem
Vereine gedeihlichste Weiterentwickelung und glauben