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schuß an vier Stellen zugleich verwundet und fiel, von
den Seinigen getrennt, nach tapferer Gegenwehr in
französische Gefangenschaft. Der sorgsamen Pflege,
welche er auf der Citadelle im Hospitale fand, —
eine Kugel hatte ihm die Sehne des rechten Fußes
zerrisien — verdankte er seine Rettung, auch wurde
er durch die bald darauf erfolgte Übergabe der Festung
an die Engländer aus der Gefangenschaft befreit, doch
blieb ihm eine lebenslängliche Lähmung, die ihn nöthigte,
im Jahre 1814, als das Corps den englischen Dienst
verlaffen hatte und nach Braunschweig zurückgekehrt
war, seinen Abschied zu nehmen. Er erhielt denselben
vom Herzoge, nachdem ihn dieser vorher zum Haupt
mann befördert hatte. —
Nach Kassel zurückgekehrt, nahm Ludwig Schwarzen
berg die Advokatur wieder auf und entfaltete als
Obergerichtsanwalt ein umfangreiche Thätigkeit. Im
Jahre 1833 wurde er in die kurhessische Ständekammer
gewählt, der er bis zu Anfang der fünfziger Jahre
angehörte. Er zählte zu den hervorragendsten Mit
gliedern derselben und wiederholt war ihm das Amt
des Präsidenten übertragen worden. Im Jahre 1848
sandte ihn seine Vaterstadt Kassel in das deutsche
Parlament zu Frankfurt. Strenge Rechtlichkeit, stets
bewährter freier Muth, treues Festhalten an seinen
Grundsätzen waren Eigenschaften, die seinen Charakter
zierten und die ihm die Liebe und Hochachtung seiner
Mitbürger in hohem Grade eintrugen. Auch seine
politischen Gegner erkannten bereitwillig die Verdienste
dieses außergewöhnlichen Mannes an, der sich ebenso
ausgezeichnet hatte auf dem Felde der Ehre, wie auf
dem Gebiete des Rechts. Bis an sein Ende thätig,
starb er am 26. Oktober 1857. Die Stadt Kassel
verlor in ihm einen ihrer edelsten Söhne und allgemein
war die Trauer um den Hingeschiedenen, dessen
Andenken stets ein gesegnetes bleiben wird.
Zk. I.
Hemperla und seine Bande. Im Novem
ber 1726 wurde zu Gießen eine große Räuberbande,
meist aus Ziegeunern bestehend, die Bande des Hem
perla genannt, hingerichtet. Fünf, unter ihnen der
Anführer Johann la Fortune, gewöhnlich Hemperla
genannt, wurden gerädert, neun gehängt, elf, darunter
acht Weiber, enthauptet. Diese Bande hatte wie
Vilmar in seiner »Hessischen Chronik« berichtet, die
ganze Wetterau sieben Jahre lang unsicher gemacht,
ganze Dörfer fz. B. Hosenfeld bei Fulda) am hellen
Tage überfallen, mit den Landreitern förmliche Treffen
geliefert und eine Unzahl von Räubereien, auch viele
Mordthaten begangen, z. B. den Pfarrer zu Dörs-
bach im Naffauischen, Heinsius, nebst dessen Frau,
sowie, den Hessen-Darmstädtischen Landlieutenant
Emmeraner ans der Glashütte bei Hirzenhain er
schossen. Im Januar und Februar gelang es end
lich, diese Bande einzufangen. Die Exekution wurde
an zwei Tagen am 14. und 15. November vollzogen.
Hemperla selbst wurde am zweiten. Tage hingerichtet.
Als an ihn die. Reihe kam, rief er von der Richt
stätte herab: „er sei allzeit ein guter katholischer Christ ge
wesen, und wenn gute Katholische unter den Zuschauern
wären, möchten sie etliche Seelenmessen für ihn lesen
lassen, und davon, daß sie solches thun wollten, ein
Zeichen mit Schwenkung des Hutes geben/ welches
auch von mehreren Zuschauern geschah. Am Tage
vor der Exekution wurden den Weibern die Kinder
weggenommen, worüber sie in die äußerste Ver
zweiflung geriethen und die Drohung ausstießen, sie
wollten nach ihrer Hinrichtung wiederkommen und
mit ihren abgehauenen Köpfen in ganz Gießen die
Fenster einwerfen. —
Obige Räubergeschichte aus dem Anfang des
vorigen Jahrhunderts erinnert uns an eine in den
30er Jahren dieses Jahrhunderts gleichfalls zu
Gießen erfolgte Hinrichtung eines Raubmörders,
namens Heß, die einen ganz eigenthümlichen
Verlauf nahm. Wiederholt war der Delinquent zur
Richtstätte auf dem Armensünder-Wagen geschleppt
worden, jedesmal erklärte er, dort angekommen, daß
er noch weitere Geständnisse über die Mitschuld
Dritter zu machen habe. Dies bewirkte, daß er in
das Gefängniß zurückgebracht wurde, um weitere
Verhöre mit ihm anzustellen. Seine Angaben er
wiesen sich jedoch lediglich als leere Ausflüchte, um
eine Aufschiebung seiner Hinrichtung zu erwirken.
Auch als der Raubmörder zum drittenmal zum
Richtplatze gebracht wurde, wiederholte er sein früheres
Verfahren. Als aber seinen Versicherungen, Mit
schuldige zu nennen, kein Gewicht mehr beigelegt
wurde, da geberdete er sich so rasend, daß die Henkers
knechte seiner nicht Herr werden konnten, bis ihn ein
einziges Wort des ihn zum Schaffst begleitenden
Geistlichen, des s. g. Galgenpaters zur Ruhe brachte
und er willig sein Schicksal über sich ergehen ließ.
Dieser Geistliche war der Kirchenrath Engel,*) eine
der populärsten Persönlichkeiten Gießens, der einen
außerordentlichen Einfluß auf die dortige Bevölkerung
auszuüben vermochte. Kirchenrath Engel trat un
verzagt zu dem armen Sünder und sprach zu ihm
im echt Gießener Dialekt: „Was wachste für Sache,
laß dich köppe, Heßche, thu mir's zu Gefalle."
Augenblicklich legte sich die Raserei des Delinquenten,
ruhig und zerknirscht antwortete er: „Ihne zu Lieb,
*)Kirchenrath vr.Zoha nnPhilippZakob Engel,
geb. am 27. Februar 1790 zu Gießen und daselbst vor
etwa 20 Jahren hochbetagt gestorben, war ein Original im
wahren Sinne des Wortes. Der geistreiche, stets schlagfertige
und gelehrte Mann bediente sich mit Vorliebe des Gießener
Idioms, und unzählig find die Anekdoten, die von ihm
umgehen. Auch als Schriftsteller ist er thätig gewesen,
a. hat er eine Hebräische Grammatik geschrieben,