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Dabei wurde den Majestäten von dem Zunft
meister folgendes Gedicht überreicht.
Freude herrscht in Kassels Hallen,
Freude in des Volkes Brust,
Jubeltöne hört man schallen
Zu der schönen Fastnachtslust.
Und nach hergebrachter Sitte
Wallet fröhlich Schaar auf Schaar,
Selbst aus armer, niedrer Hütte
Bringt die Freud' ihr Opfer dar.
Vater, König! freudig schlagen
Unsere Herzen nur für Dich
Doch mit Worten dies zu sagen,
Mühen sie vergebens sich.
Wenn die Brust von Lieb erfüllet
Für den besten König schlägt,
Sie die Wonne gern enthüllet,
Die sie trunken in sich trägt.
Um des heutigen Tages Freuden
Schön und festlich zu erhöhen,
Hatte Pan von seinen Weiden
Auch ein Opfer ausersehen.
Doch wir opfern unsere Herzen
Euch erhab'nem Königspaar,
Und der Freude Flammenkerzen
Lodern auf dem Dankaltar.
An Gedichten ähnlichen Inhalts hat es während
der sieben Jahre der westfälischen Herrschaft zu keiner
Zeit gefehlt; kaum aber waren die Franzosen abge
zogen, als auch zahlreiche Flugblätter erschienen,
welche mit Recht die in solchen Gedichten ausgesprochene
undeutsche Gesinnung auf die schärfste Weise rügten und
verspotteten. So z. B. folgendes Gedicht mit der
Ueberschrift:
Der Lhrf -ev deutsch-französischen Lande.
Ihr lieben Freunde höret an!
Ich habe was zu sagen:
' Es hat sich viel und mancherlei
Bei uns jetzt zugetragen.
Inserviendum Tempori!
Das lernt ich in der Jugend,
Den Mantel hänget nach dem Wind!
Das ist die erste Tugend.
So lange Sr. Exellenz
Der Graf Marienrode
MstLoäies die Bürger schund,
Da macht ich manche Ode.
Er machte mich und manchen Wicht
Zu Rittern von'der Elle;
Auch saß ich wie ihr alle wißt,
So ziemlich an der Quelle.
Die Katzenpfoten konnt ich da
Oft tückisch appliciren,
Und doch dabei den Biedermann
Stets klüglich simuliren.
Selbst jenes Fürsten schont ich nicht,
Der ehdem mich gehoben,
Frech lästert ich sein deutsches Thun
Anstatt ihn hoch zu loben.
Jetzt aber nehmt die Larve vor
Und spielt die Patrioten!
Machts so, wie meine Wenigkeit,
Zieht ein die Katzenpfoten.
Ich wette tausend gegen eins
's wird sich ein Aemtchen finden,
Dann sind wir wieder hagelweiß,
Vergessen unsere Sünden.
N.-L.
Es ist kein erfreuliches Bild, das uns in obigem
Artikel „loeervieväum tempori" vor die Augen
tritt, wir können aber gottlob demselben aus der Zeit
der für unser engeres Vaterland so verhängnißvollen
Fremdherrschaftgleichem lichtvolleres Bild entgegenstellen,
ein Bild, das das Herz erwärmt und den Muth
stärkt, und zu diesem Bilde liefert uns Stoff und
Farbe die Erinnerung an den feurigen deutschen
Patrioten, den unbeugsamen Kämpfer für Recht und
Wahrheit Ludwig Schwarzenberg den „Mann ohne
Furcht und Tadel", wie ihn seine Mitbürger nannten,
dessen hundertjähriger Geburtstag auf
den 2 7. November fiel und den nun seit dreißig
Jahren die Erde deckt.
Ludwig Schwarzenberg war hier in Kaffel ge
boren. Er war der Sohn des Metropolitans Schwarzen
berg und deffen Ehefrau, geb. Knyrim. Er genoß
eine sehr sorgfältige Erziehung. Nachdem er 1840 das
hiesige Lyceum absolvirt hatte, studirte er zn Marburg
und Göttingen Rechtswissenschaft. In seinem zwanzigsten
Lebensjahre begann er in seiner Vaterstadt als An
walt seine bewegte Laufbahn. Die schmachvolle
Unterdrückung seines Vaterlandes durch die Franzosen
war dem deutschgesinnten Mann unerträglich und
lebhaft betheiligte er sich an der von Dörnberg ge
leiteten Erhebung gegen die Fremdherrschaft. Nach
dem unglücklichen Ausgange dieser Bewegung trat er
als Freiwilliger in das berühmte Corps des helden-
müthigen Herzogs von Braunschweig-Oels, machte
den glorreichen Zug nach England mit und theilte,
zum Lieutenant im Jägerbataillon ernannt, alle Schick
sale der Legion bis zur Belagerung von San Se
bastian im August 1813. Am Vorabend der Schlacht
von Salamanca, 20. Juli 1812, wurde er bei Er
stürmung des Dorfes Val de Morisco durch den rechten
Arm geschossen, wodurch er für einige Zeit kampfunfähig
wurde. Später nahm er an der zweimaligen Belagernng
von Badajoz, an den Schlachten von Fuentes d' Orno
und Vittoria, sowie an der Belagerung von Burgos
und San Sebastian Theil. Hier wurde er bei einem
heftigen Ausfalle der Franzosen durch einen Kartätschen-