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nisse das Vertrauen des Landgrafen. Er wandte
den Ertrag seiner geistlichen Vergünstigungen der
St. Martinskirche zu, und so konnte mit den
weiter eingegangenen Gaben die Wiederherstellung
des Domes in Angriff genommen und ausgeführt
werden. In dem oben angeführten „Congeries“
heißt es:
„1440. Als an dem Gebäude der St. Mar
tinskirche zu Cassell das gewoelbe nieder
gefallen, welches etliche Personen todt ge
schlagen und viele Leute verlähmt, ist ein
Jude, welcher ein Rabbi gewesen, der hatt
sich taufen lassen, derowcgen ihm pabst
Martinus aus gnaden einen brief gegeben,
daß er alles verkausfen moege. Dieser Jude
hieß Meister Leonhard von Schweinfurth,
war ein arzt. Landgr. Ludwig lies ihn
deshalbe kommen, daß er geld die kirche zu
erbauen durch den alles zusammenbracht."
Dem schließt sich in der „Congeries“ noch fol
gende Notiz an:
„1441. Ist die große Glocke zu Cassel auf
dem Altstaetter kirchthum gegossen, ward
genannt OsanllL, als die kirche Hernachmals
abgebrochen, ist dieselbe auf den freyheiter
Thurm gehangen und wird zur uhr und
sturmglocke gebraucht. Ist 3'/« Ehlen weit."
Wir bemerken hier, daß die alte Osanna der
Martinskirche zu Ende des Jahres 1818 in der
Stück- und Glockengießerei des Stückgießers Georg
Carl Henschel hier in Kassel eingeschmolzen und
in die jetzige größere und schönere Glocke um
gegossen worden ist, welche am 1. Januar 1819
zum erstenmal mit ihrem Geläute die Gemeinde
zur Kirche rief. (Vergl. Piderit, Geschichte der
Stadt Kassel, in erweiterter Auflage heraus
gegeben von I. Hoffmeister, Anm. S. 68.)
Besondere Sorgfalt widmete Landgraf Ludwig
dem Münzwesen. Er regelte daffelbe nach dem
Beispiele der rheinischen Kurfürsten und in Ueber
einstimmung mit dem Hause Sachsen. Gewicht
und Gehalte der Marken wurden genau bestimmt
und zur Beförderung des kleineren Verkehrs
wurden damals schon die geringwerthigen Münz
sorten: Groschen, Weißpfennige, halbe Weiß
pfennige, Heller geprägt, die sich bis in das ge
genwärtige Jahrhundert erhalten haben. —
In unserem nächsten Artikel, dem Schlußartikel,
werden wir uns mit Landgraf Ludwig in seiner
Eigenschaft als Staatsmann beschäftigen,
folgt.)
llrichstein im Wogelsberg.
Von Dr. August Dorschen.
m Vogelsberg, unweit der Quelle der Ohm,
ragt ein gewaltiger Basaltkegel empor, aus
dem wir das kleine Gebirgsstädtchen Ulrich
stein finden. Noch über diesem Orte erhebt sich
der 640 Meter hohe „Schloßberg", von dem wir
eine entzückende Fernsicht auf den übrigen Vogels
berg, auf Taunus und Rhön genießen. Doch
nicht nur um dieser Fernsicht willen besuchen wir
den Schloßberg von Ulrichstein. Mehr noch
zieht uns die geschichtliche Bedeutsamkeit dieses
Berges an, auf dessen Gipfel einst eine gewaltige
Feste prangte. Nur noch geringe Reste von
Mauern und Kellergewölben sind vorhanden;
doch selbst diese wenigen Spuren zeugen noch von
der einstigen bedeutenden Ausdehnung und Festig
keit dieses Schloffes.')
Mehr, denn sechs Jahrhunderte, bis in die Zeit
der Gründung unseres Fürstenhauses führt uns
die Geschichte zurück.
') Eine genaue Beschreibung der einstigen Anlage
dieses Pergschlofses liefert uns Landau: Hessische Ritter
burgen, IV, 10!) ff. —
Zum ersten Male wird Ulrichstein urkundlich
genannt 1279, in welchem Jahre Ritter Johann
und Mengoz von Merlau mit „Gerlach, dem
edlen Herrn, gen. Neitz von Bruberg" einen Ver
gleich schließen und demselben ihr Schloß öffnen
gegen alle Feinde, den Landgrafen ausgenommen.
Unter den Zeugen dieses Vergleichs finden wir
einen Loäo svnltetus äs Illriolisteins. Wir sehen
in dieser Urkunde das feindselige Verhältnis des
Landgrafen Heinrich I. von Hessen gegen
einzelne Ritter ausgesprochen, mit denen derselbe
wegen derer Räubereien in vielfache Fehden ver
wickelt wurde. So sehen wir denn auch diesen
„Enkel der heiligen Elisabeth" im Jahre 1293
das Raubschloß zu Ulrichstein zerstören.')
Nach einer drei Jahre späteren Urkunde, vom
4. Juli 1296, vergleicht Kaiser Adolf den
’) Ueber die Zerstörung dieses Raubschlosses, mit dem
noch dasjenige von Petershain fiel (woran noch heute der
„Petershainer Hof", */ 4 Meile in südwestlicher Richtung
von Ulrichslein gelegen, erinnert) vgl. Landau, a. a. O.
110, sowie Schmincke, Mon. Hass. II, 434. —