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gust Lewald redegirten Zeitschrift Europa in
mehreren Artikeln den Eindruck, welchen die Stadt
auf ihn. den 22jährigen Gymnasiallehrer, nach
kaum halbjährigem Aufenthalt in derselben ge
macht hat, in einer sehr pikanten, aber vielfach
übertriebenen und durchaus nicht vortheilhasten
Weise geschildert habe. Die Artikel riefen daher
in Kassel großen Unwillen und zahlreiche Ent
gegnungen in auswärtigen Blättern hervor, in
welchen dargethan wurde, daß er namentlich für
die politische Bewegung des Jahres 1830 und
das seit dieser Zeit viel reger und freier in der Stadt
gewordene Leben gar kein Verständniß gehabt habe.
Der Dingelstedt gemachte Borwurf war für die
Zeit, in welcher er die Artikel schrieb, nicht un
gerechtfertigt, sie paßten bester für die hier in Rede
stehende Zeit der zwanziger Jahre, für welche
sie viel Wahres und Zutreffendes enthalten.
Es möge deshalb hier zum Schluß Einiges
daraus seine Stelle finden:
„Keine Stadt ist schöner im Herbst und herbst
licher in ihrer Schönheit, als Kassel, sie ist,
wie eine versteinerte Elegie. Kein Laut, als
Klage, kein Licht, als eine ferne Abendröthe.
Ich wandele oft durch die nächtlichen Gasten,
von einem nächtlichen Lärm und dem späteren
Vergnügen einer Residenz weiß man hier nichts,
man ist in Kaffel häuslicher, als in den meisten
Städten dieser Größe. Die Thüren und Fenster
schließen sich fein bürgerlich mit dem zehnten
Glockenschlage, und wenn nicht hier und da der
Ruf einer Schildwache an Civilisation erinnerte,
würde kein Laut, kein Licht die wohlthuende
Illusion stören, als wandle man in einer ver
schütteten Stadt durch eine hallende Katakombe.
Ueberall in der schönen Stadt, wie in der schönen
Umgebung fehlt die lebendige Staffage, es ist
nichts, wie Natur, ein landschaftliches Stillleben
ohne eine Idee von Residenz. Bouterwek taufte
Kassel einen Tempel des Schweigens. Schön
ist dieser Tempel allerdings, aber verteufelt lang
weilig; wo er eine Merkwürdigkeit besitzt, da steht
auch ein Schilderhaus mit einem bewachenden
Krieger und vor jedem schönen Punkt hängt
sicher ein obrigkeitliches Vorhängeschloß. Eine
Wolke, ein Nebel von Befangenheit und Träg
heit, eine theilnahmlose Gewitterschwüle lagert
über der Stadt. Alles muß ä'aeeorä sein, voll
ständige Ruhe, Ruhe des Grabes."
Wie ganz anders hat sich jetzt das Leben in
der Stadt, deren Einwohnerzahl seitdem auf das
doppelte gestiegen ist, gestaltet, und wie unendlich
ist der Fortschritt, der auf allen Gebieten des Lebens
seine so segensreichen Wirkungen erkennen läßt!
Aber nicht Alles ist bester geworden, auch manches
Gute der alten Zeit hat sein Ende genommen
und ist schwer zu vermissen, vor Allem der häus
lichere Sinn, die größere Einfachheit und Ge
nügsamkeit in der Lebensweise und was am
meisten zu beklagen ist, die neidlose Zufriedenheit
der Menschen mit dem ihnen zu theil gewordenen
bescheideneren Lebensloose, ein Umstand, welcher
setzt die Gemüther Aller mit um so schwereren,
ihnen früher unbekannten Sorgen für die Zu
kunft erfüllt, als Heilmittel dagegen so schwer
zu finden sind.
Von Joseph Schwank.
(Fortsetzung.)
II. In dem Kriege Kaiser Leopold's
gegen die Türken.
1664 4t.3fufitj Die von der Landgräfin, Regentin
und Vormünderin Hedwig Sophie dem
Kaiser Leopold nach Ungarn gesandten
Hilfstruppen zeichneten sich sehr aus uud
erfochten den Sieg bei St. Gotthard mit.
III. In dem Kriege zwischen Oesterreich,
Dänemark und Brandenburg gegen
Frankreich.
1676 Nach dem Regierungsantritt des Land
grafen Karl zogen 3 neugeworbeue Com-
pagnieen Reiter und 1 Regiment Infan
terie zur Reichsarmee und nahmen an der
Belagerung von Philippsburg theil.
1677 zogen diese Truppen als dänische Hilfs
truppen nach Dänemark.
1677 14. Juli Treffen bei Landskron und Hel
singborg in Schonen.
1678 8. Januar Treffen bei Warksow auf Rügen
egen die Schweden. Glänzender Angriff
er Hess. Reiterei. In dieser Zeit erschie
nen zuerst Grenadiere im hessischen Dienst.
Auch wird zuerst die Uniformirung des
Hess. Landesausschuffes erwähnt: lange,
weite graue Tuchröcke, breite Aermel mit
*) S. Nr. 19 des „Hessenlandes", S. 269 flg.