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Charakter Wilhelm I. aufgefaßt hat, wenn er von
ihm sagt:
„Was den Kurfürsten Persönlich angeht, so ist er
ohne Widerrede ein Regent von vielen vortrefflichen
Eigenschaften und einer der vorzüglichsten deutschen
Fürsten. Seine Ordnungsliebe, seine Thätigkeit, seine
Gerechtigkeit und seinen Sinn für fürstliche Würde
könnte nur leidenschaftliche Persönlichkeit verkennen.
Man wirft ihm vor, daß er das Geld zu sehr liebe.
Für das praktische Wirken ist aber das Nachteiligste,
daß er, was freilich bei seinem hohen Alter nicht
auffallen kann, mit dem Geist der Zeit nicht fort
gegangen ist und gänzlich außer dieser Zeit steht.
Die großen volksthümlichen Entwickelungen des öffent
lichen Lebens sind ihm fremd und widerwärtig, deshalb
hat er die Popularität verloren. Fast alle diejenigen
Männer von einiger moralischen oder geistigenBedentung,
die während der fremden Unterdrückung Vaterlands
liebe und Freiheitssinn bewährten, werden auch jetzt
mit Mißtrauen und Argwohn betrachtet". Der Ver
fasser bespricht dann mit der größten Anerkennung
die Bestrebungen des Landtags vom Jahre 1815,
wobei er nur beklagt, daß sich in Heffen so wenig
Menschen finden, die die öffentlichen Verhandlungen
und Angelegenheiten vor die Publicität bringen,
„denn gewiß wäre der Muth und die Standhaftigkeit
der Landstände vermehrt, ihr Standpunkt erhöht und
ihre Ansicht erweitert worden, wenn die Verhandlungen
einem größeren Publikum bekannt geworden wären
Er sagt von ihnen dann weiter:
„Die Stände haben ihren Landtag auf eine recht
schöne und lobenswerthe Weise begonnen, sie haben
mit Bescheidenheit und großer Standhaftigkeit die
Hauptbeschwerden des Landes entwickelt und um deren
Abstellung gebeten, insbesondere haben sie mit Nach
druck auf einer Trennung des Staatsvermögens von
dem des Fürsten bestanden. Das ist für Heffen ein
sehr wichtiger Punkt, da dieses Land sich in einem
von den andern deutschen Ländern verschiedenen Ver
hältniß befindet. Sowie diese mit Schulden überhäuft
sind, so besitzt jenes bedeutende Geldmittel und
Kapitalien. Die Stände glauben nun mir dem größten
Recht, daß die seit Jahren gesammelten Ueberschüffe
der öffentlichen Einkünfte, sowie die mit hessischem
Blute erworbenen Subsidiengelder als wahres Staats
eigenthum anzusehen und unter ihrer Mitaufsicht zu
den Bedürfnissen des Landes zu verwenden seien.
Die Entscheidung dieser Frage ist aber wichtiger für
die kommende, als für die gegenwärtige Regierung,
da der ökonomische Sinn des Kurfürsten nicht besorgen
läßt, er werde die vorhandenen Gelder und Kapitalien
verschwenden und verschleudern. Die Heffen haben
immerhin Ursache, die Gottheit um noch ein langes
Leben für ihren Regenten zu bitten, denn sie sehen
unter dieser Regierung des 73 jährigen Greises einem
geordneten Gange der Geschäfte, dagegen keinem
Ausbruch der Willkür und Laune und keinem Eingriff
in die Verhältnisse Einzelner entgegen". Am Schluffe
seines Artikels erklärt dann der Verfasser, daß er
längere Zeit aus Hessen entfernt gewesen und jetzt
freudig überrascht worden sei, als er deutlich gesehen,
wie der mächtige Geist, der in diese Zeit getreten,
sich auch in Heffen so schön und kräftig zu entwickeln
anfange, er habe dies aus der ganzen Art und Weise,
wie sich alle Menschen geben und darstellen und
hauptsächlich an zwei Erscheinungen, dem hessischen
Landsturm und der Jahresfeier der Leipziger Schlacht
erkannt.
Bon dem ersteren schreibt er:
„Der Landsturm ist ein zu neues und volks-
thümliches Institut um in dem Sinn der hessischen
Regierung zu liegen. Diese hat daher für denselben
auch weiter nichts gethan, als daß sie die großen
Grundzüge angab, die sie anzugeben genöthigt war.
Dem ohnerachtet hat sich der hessische Landsturm in
Zeit von etwa anderthalb Jahren recht zweckmäßig
und tüchtig ausgebildet. Diese Ausbildung ist ganz
von dem Volke ausgegangen und war der Widerspruch
gegen die damit verbundenen Lasten und Kosten nur
unbedeutend und selten. Ja man hat gar häufige
Beispiele, daß die zur Uebung zusammengezogenen
Mannschaften nach Ablauf der festgesetzten Zeit ihre
Anführer nöthigten, diese Uebungen noch .mehrere
Stunden fortzusetzen. In den Städten haben sich
freiwillige Reiter- und Schützengilden gebildet, die in
der ganzen kriegerischen Haltung oft sehr wenig gegen
das Militair zurückstehen.
Von der Feier des 18. Oktober wird dann gesagt:
Das Fest ist mit einer Allgemeinheit, mit einem
inneren Sinne und mit einer Erhebung der Herzen
gefeiert worden, wie in keiner anderen Provinz des
gesammten Vaterlandes. Das Schöne war dabei,
daß auch hierbei nichts angeordnet war, sondern Alles
vom Volke ausging. Jedoch muß man der Regierung
zum Ruhme nachsagen, daß sie dem Beispiele der
Darmstädtischen nicht gefolgt ist und nichts verhindert
und verboten hat. Im Gegentheil hat der Kurfürst
auf eine schöne, rührende Weise ausgesprochen, welchen
Antheil er an den Gefühlen seiner Unterthanen nimmt.
In dem Augenblick, als in Kaffel der Zug zu den
Feuern bei der kurfürstlichen Residenz vorüberging,
erschien dort ein schönes Transparent mit der sinnigen
Inschrift „Heil meinem Volke". Dieser Zug beweiset,
daß der Kurfürst da, wo er selbst und ohne Ein
wirkung handelt, einen richtigen Takt hat. Den eigen
thümlichen Charakter dieses Festes macht das Anzünden
der Feuer auf den Bergen. In Heffen ist kein
Dorf so klein und arm, das nicht sein Feuer ange
zündet hätte; ja hin und wieder brannten dergleichen
vor einzelnen einsam stehenden Häusern. Am Werra
strom boten einzelne Punkte einen besonders erfreulichen
und erhebenden Anblick dar. Man sah da außer
denen in Heffen noch mehrere Feuer auf den Anhöhen