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Poet ist faulten, abex durch das leiseste Wort wird
er gereizt." Dann war er wieder zu anderen Stunden
und in anderen Stimmungen von herzgewinnender
Freundlichkeit. Hutten war durchaus eine zum Kampfe
angelegte Natur, bei welcher freilich Ruhe und Milde
nicht erwartet werden durste. Die ursprünglichen
Anlagen seines Geistes erfuhren durch die ungewöhnlich
harte und rauhe Schule des Lebens, welche er nach
seiner Flucht aus dem Kloster durchlief, andere Ent
wickelung, als es bei regelmäßigem Bildungsgänge
zu sein pflegt.
Ernst faßte Hutten jede Aufgabe an, die sich ihm
darbot, das viele Nebele, welches er fand und bekämpfte,
reizte ihn zu loderndem Zorne. Da mußte es denn
sich ereignen, daß er auch wohl über das Ziel hinaus
schoß und sich allein sah. Aber was er sagt, trägt
das Gepräge der Wahrheit, rücksichtsloser Offenheit
und Ehrlichkeit und hat stets große, einfache, die all
gemeine Theilnahme fortreißende Bestrebungen. In
diesem mannhaften, furchtlosen Auftreten ist er mit
Luther zu vergleichen.
Als Dichter begann er seine Bahn, Vaterlands
liebe trieb ihn zu den politischen Schriften an, er
wurde Agitator für die Neugestaltung des Reiches,
zuletzt ein begeisterter Streiter für die Kirchenkesserung.
Der Gegner, der hierbei angegriffen wurde, war
der mächtigste, den es gab und der noch nie unter
legen; das verbarg Hutren sich nicht, seine Familie
hielt ihren Besitz für gefährdet, die fromme Mutier
weinte, wie er berichtet. Aber er schwankte nicht,
riß sich los und trat an die Seite Luthers. Doch
unterscheidet ihn das von Luther, daß dieser die
weltliche Macht durchaus von seinem Werke fern
gehalten wissen wollte, Hutten dagegen gleichzeitig
die Kirche und die Staatsordnung umzubilden strebte.
Dabei hat wohl das politische, nationale Element in
ihm immer die Oberhand behalten.
Bei aller Freiheit und Kühnheit der Anschauungen
streifte er doch bis ans Ende den Ritter nicht ganz
ab; die Hoffnung, im Bunde mit Sickingen dem
Ritterthume zu neuem Aufschwünge zu verhelfen, er
wies sich als Täuschung, da jenes sich ausgelebt hatte
und Neueren, für die Entwickelung der Nation mehr
Geeignetem, dem Fürstenthume, die Gewalt und Herr
schaft allein überlaffen mußte. Die Täuschung war
eine begreifliche und verzeihliche und groß war einen
Augenblick die Gefahr, daß das unbändige Ritterwesen,
welches vielerorten in wilden grausamen Fehden von
neuem sich erhob, die Oberhand gewinnen möchte, zum
höchsten Schaden des großen Vaterlandes. Hutten
hatte sie durch das Schwerste zu büßen, was ihm
auferlegt werden konnte — er mußte dem Boden
Deutschlands den Rücken kehren. In diesem tiefsten
Unglücke, zum Tode krank, von Allem entblößt, sodaß
er Freunde um Hilfe ansprechen mußte, erscheint er
am größten. Der Bettler, welchen Deutschland von
sich stieß, weist das glänzende Anerbieten des franzö
sischen Königs zurück, weil er dort nicht Deutschland
dienen konnte.
Wer durfte ihm doch mit Recht einen Vorwurf
machen, wenn er angenommen hätte!
Als er den letzten Athemzug verhaucht hatte, nur
35 Jahre 4 Monate des Alters zählend, fand sich
in seinem Besitze nichts vor, als eine Schreibfeder;
aber es war die Feder Huttens!
Schwächen hatte auch er und Fehler hat er be
gangen, doch er strebte zum Höchsten und war ein
ächt deutscher Mann der sich ganz einsetzte und so
unterging. Möchte es unserem theueren großen Va
terlande in kommenden schweren Zeiten nicht an Hel
den fehlen, wie dieser war!
E~äH-
Jus engem Khal.
Novellelle v. Nk. Herberk.
(Fortsetzung.)
Wie Großmutter hat ein schmales faltiges Gesicht
Niund kluge, strenge Augen — die Haare sind vom
straffen Emporziehen nud vom „Betzeltragen"
abgebrochen, nur ein kleiner Kranz steht noch um
die gefurchte Stirn, dennoch ist gewissenhaft der
Versuch gemacht, von dem Rest die kleine, runde
Krone mitten auf dem Kopfe herzustellen. Sie
trägt einen bräunlichen Biebcrrock, auf welchen
ein Stück schwarzen Sammet's gesetzt ist und eine
blaue Kattunjacke mit seltsam gefältelten, weiten
Ärmeln, die eng um das Handgelenk schließen.
Tag aus, Tag ein sitzt sie vor dem Spinnrocken
und dreht das schnurrende Rad. „Brautlinnen"
für die Kathrinlies soll's geben und manchen
lieben, langen Winterabend haspelt sie die Spulen
ab und legt Strang auf Strang in die hölzerne
Truhe. Wenig Worte macht die Großmutter,
sie ist mit dem Alter noch sparsamer geworden,
als sie arm ist, eng ist sie und genau, aber auch
streng und redlich. In ihrer Stube steht auf
einer Pritsche ein großes, breites Himmelbett
mit baumwollenen Vorhängen, em brauner Tisch,