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Lessing, nach dem kurzen Glücke beim Tode seiner Eva,
aussprechen: «ich wollte auch einmal glücklich sein
wie andere Menschen.- Unter verschiedenen Schriften,
mit denen er von dem Jahre 1519 auf 1520 be
schäftigt war, beendete er vermuthlich den Dialog, «For
tuna- zuerst, welcher seine Persönlichkeit, seine Wünsche
und Hoffnungen darlegt und die Anklänge seines
Liebestraumes ertönen läßt.
Trotz der entschiedenen Gegenwirkung des Papstes,
welcher die Krone des Reiches Franz I. von Frank
reich zuzuwenden wünschte, war sie am 28. Juni 1519
dem Könige Carlos von Spanien, Maximilians En
kel, übertragen worden. Kurfürst Albrecht hatte in
erster Linie für ihn gewirkt, Hutten gab sich um so
mehr der Hoffnung hin, der junge König werde der
römischen Fremdherrschaft in Deutschland Schranken
setzen; in den ersten Monaten des I. 1520 ist er
auf Steckelberg mit der Herausgabe seiner neuesten
Schriften beschäftigt, unter welchen der «Vadiscus-
oder die römische Dreifaltigkeit, die wichtigste ist.
Die Disputation zwischen Luther und Eck im Juli
1519 zu Leipzig hatte Hutten auf andere Gedanken
hinsichtlich der Sache Luthers gebracht und er sah sie
nicht mehr als ein Mönchsgezänk an. Er fühlte sich
bald mächtig von ihr angezogen und während er seit
her den Druck von jenseit der Alpen nur bekämpfte,
um seinem Vaierlande eine würdigere politische Stel
lung zu erringen, wurde jetzt aus dem ritterlichen
Dichter ein Gehilfe des Kirchenbesserers. Dieser Zeit
punkt ist als eine Wende in Huttens Leben anzusehen,
welche deffen zwei große Perioden scheidet. Noch im
Januar 1520 redet er auf Sickingen ein, um ihn
für Luther zu stimmen, der gewaltige Ritter sichert
auch dem Mönche eine Zuflucht zu. Im April er
scheint mit vier anderen Schriften Vadiscus, worin in
kühner rücksichtsloser Sprache die Vorwürfe gegen die
Herrschaft Roms der Welt dargelegt werden; der Wahl
spruch alea jacta est, welchen Hutten bereits einer
Streitschrift gegen Ulrich von Würtemberg vorgesetzt
hatte, erscheint hier mit weit mehr Berechtigung und
in weit großartigerer Bedeutung. Denn nach dieser
zugleich zur Aufstachelung des Königs angelegten Her
ausforderung durfte der Urheber derselben auf die
Milde der angegriffenen Weltmacht nicht mehr rechnen,
wollte dies wohl auch nicht. Er hatte die Brücke
hinter sich abgebrochen. Neben dem Vadiscus führte
er einen zweiten empfindlichen Schlag. In der Bib
liothek zu Fulda hatte er eine Schrift aus dem Jahre
1093 gefunden, in welcher der geistliche Primat des
Papstes anerkannt, jedoch seine Einmischung in die
weltlichen Dinge scharf verurtheilt und zurückgewiesen
wird. Bischof Waltram von Naumburg wird für
den Verfasser dieser das Recht Deutschlands und des
Kaisers kräftig vertretenden Schrift gehalten. Hutten
gab sie mit einer Vorrede heraus, über den Fund
jubelnd; er widmete sie des Königs Bruder Ferdinand
und mahnt, Karl V. möge sich Heinrich IV. zum Vor
bilde nehmen. Um persönlich auf den Erzherzog ein
zuwirken, machte der Hoffnungsreiche sich im Juni
1520 auf den Weg an deffen Hof zu Brüffel, er ist
wahrscheinlich gar nicht bis zu Ferdinand vorgedrungen
und kehrte ernüchtert, doch nicht entmuthigt heim.
Noch in den Niederlanden begegnete ihm ein tragi
komisches Abenteuer mit dem Ketzermeister Hoogstraten,
Reuchlins Todfeinde; er traf ihn auf dem Wege, er
kannte ihn und bedrohte ihn mit dem Tode für seine
Thaten, ließ ihn aber laufen, als der gefürchtete Ver
folger der Ketzer auf den Knien um Gnade flehte.
Man hatte Hutten schon todt gesagt, da es verlautete,
der Papst sei gegen ihn äußerst erbittert und Dolch
oder Gift damals leicht sich für Den fanden, welcher
der höchsten Macht sich unbequem erwies. Er wurde
als ein Geretteter in Mainz empfangen. Der Erz
bischof hatte ihn auf eigenen Wunsch schon 1519
aus dem Hofdienste entlassen, jedoch ihm den Gehalt
weiter verwilligt, sodaß er als Diener des Fürsten
ohne augenblickliche Verwendung anzusehen war.
Dieses Verhältniß könnte befremden, nachdem Hutten
dem römischen Hofe tödtliche Feindschaft erklärt hatte.
Wenn jedoch nach seinem Plane die Gewalt des höch
sten Oberhauptes der Kirche in Deutschland beschränkt
wurde, und deffen eigene eine selbständige Stellung
erlangte, mußten Macht und Einfluß des ersten deut
schen Kirchenfürsten naturgemäß wachsen. Albrecht
konnte also Huttens Thätigkeit gar nicht sehr gram
sein. Als ein päpstliches Breve vom 12. Juli ihm
zukam mit schweren Vorwürfen darüber, daß er einen
solchen Feind der Kirche im Dienste habe, wußte Al
brecht sich in einer fast erheiternd wirkenden Weise
damit zu entschuldigen, daß er den Missethäter ent
lassen habe und seine abscheulichen Schriften nicht
mehr in Mainz gedruckt werden dürften. Des Kur
fürsten Hofprediger, welcher die Rechtfertigung abfaßte,
war ein Freund Huttens.
Nach einem Besuche der Aeltern auf Steckelberg
ritt Ulrich zum Freunde auf der Ebernburg, im Sep
tember ; Sickingen wollte der König Karl empfangen,
Hutten gab ihm ein «Klagschreiben- mit, worin er
über die Nachstellungen gegen ihn an dem Hofe zu
Brttffel, vorab aber darüber, daß der Papst den Be
fehl gegeben habe, ihn gefangen nach Rom zu schaffen,
vor dem Richterstuhle des Königs bittere Klage er
hebt, deffen Rechte durch die päpstliche Weisung ver
letzt wurden. In der ihm eigenen offenen und küh
nen Weise gesteht er zu, auf Aenderung der bestehenden
Ordnung hinzuarbeiten, aber um die deutsche Freiheit
zu retten und des Kaisers Macht wiederherzustellen.
An die Kurfürsten von Sachsen und von Mainz
richtete Hutten Schreiben verwandten Inhalts und
Luther benachrichtigte er von dem ihn Bedrohenden
mit der Versicherung, daß er den Kampf fortsetzen
werde; der Brief machte liefen Eindruck auf Luther.
Gegen diesen erließ der Papst die Bannbulle vom 12.
Juni 1520 und durch seine Schrift «von der baby-