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ophLe von KLlfa.
Gm hessisches Dichkerbilö von Jos. Grinesu.
<*{m Maimonat d. I. waren acht Jahrzehnte ver-
fflossen seit der Geburt einer hessischen Dichterin.
Lange schon ist zwar ihr Erdendasein abge-
schlosten, und die Geschichte der Literatur hat ihren
Namen nicht vor der Vergessenheit bewahrt, um so
mehr aber möge es nun diese Zeitschrift als Ehren
pflicht betrachten, eine beinahe Verschollene, die
doch durch und durch eine 'echte Dichternatur
gewesen, in das Andenken des hessischen Volkes
zurückzurufen und ihr hier ein schlichtes Denk
mal zu setzen.
Im sogenannten „Löwensteiner Grund," einem
reichen und gesegneten Landstriche an der Schwalm,
liegt der Stammsitz der Freiherren von und
zu Gilsa, eines alten kraftvollen Geschlechtes,
)as dem Hessenland so manchen wackern Hau
degen ohne Furcht und Tadel zur Wehr ge
teilt hat; — erwähnt sei nur der General
ieutenant Eitel Ludwig Philipp von Gilsa, der
ich im siebenjährigen Krieg durch die glänzend-
ten Wasfenthaten hervorthat und die volle An
erkennung und Hochachtung Friedrich's des Großen
gewann. Doch nicht minder als die Söhne dieses
Hauses zeichneten sich auch seine Töchter durch
vortreffliche Eigenschaften und einen seltenen Adel
der Gesinnung aus, vorab diejenige, deren Gestalt
wir hier vorzuführen versuchen wollen.
Sophie Ernestine Marianne Dorothea Chri
stiane von Gilsa wurde zu Gilsa am 18. Mai
1807 geboren als Tochter des Oberstallmeisters
Karl Ludwig Philipp von Gilsa und dessen
Gattin Elisabeth Maria Frida, geb. von Buttlar.
Schon als Kind zeigte sie hervorragende Geistes
anlagen, welche in einem Erziehungsinstitute zu
Hanau eine sorgfältige Ausbildung erhielten.
Gleich ihrer älteren Schwester Karoline wurde
ihr dann frühe ein Platz in dem freiadeligen
Damenstifte Wallen st ern, jenem Stifte, das
seinen Namen so ruhmvoll in die Blätter der
vaterländischen Geschichte eingeschrieben hat, als
ebenfalls eine Freiin von Gilsa, in den Zeiten
von Deutschlands tiefster Erniedrigung, ihm als
Aebtissin vorstand, während Marianne von
Stein, die Lieblingsschwester des berühmten
deutschen Staatsmannes, — „Deutschlands Edel
stein!" — damals Dechantin war. Bekanntlich
mißlang der Aufstand der hessischen Helden, die
das Joch der fremden Zwingherrschaft zerbrechen
wollten, und wie Alle, auf denen der Verdacht
ruhte, dabei betheiligt gewesen zu sein, schwer
für ihren Patriotismus büßen mußten, so auch
jene edlen Frauen. Die schmählichste Behand
lung wurde ihnen zu Theil, die brutalen Gewalt
haber scheuten sich sogar nicht, sie in ein Gefäng
niß für gemeine Verbrecher zu bringen.
Im Jahre 1830 wurde das Damenstift von
Homberg nach Fulda verlegt, wo es im an-
muthigsten Theile der Stadt ein sehr geräumig
angelegtes Gebäude mit vielen Nebenbauten
käuflich erwarb; — es war das Palais, in
dem der Letzte von Fuldas geistlichen Fürsten,
nachdem er aus dem gegenüberliegenden Residenz
schlosse vertrieben worden, nachtrauernd einer
untergegangenen Zeit, seine Tage beschlossen
hatte. In den Räumen dieses schloßartigen
Hauses, das mit der Rückseite in einem großen
Garten steht und über grüne Baumreihen nach
der majestätischen Kathedrale hinblickt, verbrachte
Sophie von Gilsa nun ihr Dasein und strebte,
es möglichst befriedigend auszufüllen. Hier fand
sie hinlänglich Muße, ihr ästhetisches Empfinden
zu schulen und zu läutern, und um den Drang nach
intellektuellem Wirken in recht nützlicher und
fruchtbringender Weise zu bethätigen, ertheilte
sie selbst Unterricht in fremden Sprachen, wobei
ihr eifrigstes Bemühen stets darauf gerichtet war,
in die jungen Seelen ihrer Schülerinnen die
Keime des Edlen und Schönen zu senken. —
Aber auch an den geselligen Freuden der gemüth
lichen Stadt betheiligte sie sich gern; denn als
längst schon ihre Jugend erblichen war und an
dauernde Kränklichkeit düstere Schatten auf
ihr Leben warf, blieb ihr immer noch die Er
innerung an die „fröhlichen Tanzabende im
Odenwald'schen Garten" (jetzt Bellevue) ein lichter
freundlicher Nachglanz. Und doch, die reichsten
Stunden, die sie.lebte, waren jene, welche ihr
im dichterischen Schaffen aufgingen! Gewiß sind
die Beziehungen zu bedeutenden literarischen
Persönlichkeiten wie Heinrich Koenig und Franz
Dingelstedt, die damals in Fulda lebten, nicht
ohne Einfluß auf den empfänglichen Geist der
hochbegabten Stiftsdame geblieben und haben
sie zum literarischen Schaffen angeregt.
Mit welcher ihrer Geistesarbeiten sie zuerst
vor die Oeffentlichkeit getreten — für eine Frau
ja besonders ein gewagter Schritt — war
leider nicht mehr zu ermitteln, vielleicht war es
jene Schrift, welche vorzugsweise ihre hohe Ge
sinnung im hellsten Lichte zeigt. Es hatte sich
nämlich in Fulda in den dreißiger Jahren eine
Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom
Orden des hl. Vincenz von Paula festgesetzt,
aber — seltsam! — in der alten katholischen Stadt