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und sollte für ihre Bezahlung Sicherheit geleistet
werden.
Der 12. Artikel gestattet die Freizügigkeit
eines Bürgers, wenn er seinen Gläubigern genug
gethan und etwaige Strafe erlegt hat. Bürger,
welche sich in Kassel niederlassen wollen, sollen
ehrenhaft aufgenommen werden.
Der 13. Artikel verbietet, den rechtmäßigen
Nähererben eines Bürgers in der Antretung der
Erbschaft zu hindern.
Der 14. Artikel verbietet allen Vorzug beim
Einkauf der Lebensmittel auf öffentlichem Markt.
Der 15. Artikel verspricht, das liegende Eigen
thum, Höfe und Ländereien, welche nach Recht
von der Stadt aus bebaut werden, mit keinen
Kontributionen und Auflagen zu beschweren.
Der 16. Artikel bestimmt, daß Keiner aus
der Bürgerschaft zum Schultheiß ernannt werden
solle, damit nicht aus Haß oder Gunst die Un
parteilichkeit des Gerichts verletzt werde.
Der 18. Artikel erklärt, daß die Beamten im
Gericht, wo Strafen zuerkannt werden, mit dem,
was die Schöffen für recht und billig erkennen,
zufrieden sein sollen.
Der 19. Artikel verspricht den geliebten und
treuen Bürgern Kassels, sie in keiner Hinsicht
gegen die Gerechtigkeit zu beschweren. —
Der merkwürdigste unter diesen Artikeln ist
jedenfalls der 16., nach welchem der Schultheiß,
d. h. der oberste Beamte der Bürgerschaft, nie
mals aus deren Mitte gewählt werden darf. Es
sollte ausgesprochenermaßen dadurch jeder Partei
lichkeit, der Furcht, daß Familienverbindungen
auf die richterlichen Entscheidungen einwirken
möchten, vorgebeugt werden.
Diese Statuten wurden in den Jahren 1425
und 1444 noch erweitert. In dem Nachtrage
zu denjenigen vom Jahre 1425 wird festgesetzt,
„wie man kiese und setze den Rath zu Kassel,"
wobei u. a. der sehr richtige Satz aufgestellt
wird, daß „vil Verwandlung nicht gut sey in
dem Rathe". —
In die ersten Jahre der Negierung Ludwigs
fällt ein Streit mit dem Grafen Johann mit
der Haube, dem kriegerischen Sohne Johann's I.
von Nassau-Dillenburg. Derselbe hatte noch zu
Lebzeiten des Landgrafen Hermann das Land
an der Lahn (Oberheffen) überfallen und ver
heert, auch den landgräflichen Hofmeister von
Riedesel gefangen genommen. Landgraf Ludwig
sandte ihm einen Streithaufen unter Werner
von Elben und Konrad von Wallenstein ent
gegen. Während die Heften in dem Stippacher
Thale an der Dill, unweit Herborn, verweilten,
erschien Graf Johann von Siegen, um sie zu
umzingeln. Nur eine außerordentliche Kriegslist
konnte, wie Rommel in seiner Geschichte von
Heften nach den alten Chronisten berichtet, dem
weit zahlreicheren Feinde den Sieg entreißen.
„Zu diesem Zwecke wurden die Troßbuben in
einem nahe gelegenen Walde versteckt, mit dem
Befehle, so bald sie das Zeichen zur Schlacht
vernähmen, in die Hörner zu stoßen und durch
lautes Kriegsgeschrei den Feind zu verwirren.
Diese Kriegslist gelang. Die Naffauer, welche
einen Hinterhalt vermutheten, wurden in Un
ordnung gebracht und bis nach Herborn getrieben.
Das Panier des Grafen wurde erbeutet und zu
Marburg in der Kirche der hl. Elisabeth aus
gehängt. Die Niederlage der Nassauer war so
bedeutend, daß zur Aufnahme der Gefangenen
die Thürme von Marburg, Biedenkopf, Blanken
stein und Königsberg geöffnet werden mußten."
Unter den Gefangenen war auch ein Heffe, Fritz
Galgenholz, der als Kundschafter des Grafen
seinen Landesverrath mit dem Leben büßen mußte.
An seinen an sich schon ominösen Namen mag
sich wohl auch das Sprichwort „Falsch wie
Galgenholz" knüpfen. — Durch jenen Sieg hatten
die langjährigen Fehden mit Nassau ihr Ende
gefunden.
Nach geendigter Vormundschaft begab sich Land
graf Ludwig in Begleitung von 400 Rittern
nach Kostnitz zum Kaiser Sigismund. Hier
empfing er am 25. Mai 1417 die Reichsbelehnung
mit dem Fürstenthume der Landgraffchast Heften,
auch wurde ihm seitens des deutschen Kaisers
der ehrenvolle Auftrag, in deffen und des Reiches
Namen den Herzog Otto von Braunschweig und
Göttingen, seinen andern Schwager, zu belehnen.
An dem Hoflager zu Kostnitz war böswilliger Weise
vor seiner Ankunft das Gerücht verbreitet, daß
Landgraf Ludwig wegen seiner körperlichen
Schwachheit unfähig zum Regieren sei. Auch um
dieses Gerücht zu widerlegen, hatte er die Reise nach
Kostnitz unternommen und der Kaiser soll, wenn
anders die Schilderung eines Chronisten richtig
ist, beim Anblick und dem Verkehre mit ihm die
Aeußerung gethan haben, daß man Jünglinge
und junge Pferde nicht sogleich verwerfen dürfe,
indem immer noch gute Männer und tüchtige
Rosse daraus erwachsen könnten. Die natürlichen
Fähigkeiten des jungen Regenten waren dem
scharfen Auge des Kaisers nicht verborgen ge
blieben.
Als 1419 der Hussitenkrieg ausbrach, begleitete
Landgraf Ludwig den Kaiser auf deften erstem
Zuge nach Böhmen. Später begnügte er sich,
seinen Bundestheil dahin zu senden. In jener
Zeit begann er auch seine gesetzgeberische Thätigkeit,
mit welcher wir uns in dem nächsten Artikel
beschäftigen werden. Fortsetzung folgt.)