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im April d. I. begleitete. Aber schon im Mai
erkrankte sie selbst und seitdem verließ sie das lebens
volle Krankenlager in Halle nicht mehr.
Fürstin Auguste Marie Gertrude, Prin
zessin von Hanau und Gräfin von Schaum
burg, war die älteste und zugleich die Licblings-
tochter des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I.
von Heften und trug ihre Bornamen von der Mutter
des Kurfürsten, der Kurfürstin Auguste, von der
Schwester des Kurfürsten, der Herzogin Marie
von Sachsen-Meiningen, sowie ihrer eigenen Mutter
der Fürstin Gertrude von Hanau. Geboren am
21. September 1829, vermählte sich Prinzessin
Auguste am 17. Juli 1849 mit einem hessischen
Standesherrn, dem damaligen Grafen Ferdinand
Maximilian zu Isenburg und Büdingen-
Wächtersbach, welcher später in des Kurfürsten
thums erblichen Fürstenstand erhoben wurde. In
ihrer Jugend, gleich ihrer Mutter, eine auffallende
Schönheit, war die Fürstin selbst noch in älteren
Jahren eine schöne Dame, die Aller Herzen nament
lich dadurch gewann, daß sie sich stets ein jugend
frisches, munteres Gemüth zu bewahren wußte, welches
ihre reichen Geistesanlagen in einem nur um so
schöneren Lichte erscheinen ließ. Der Gedanke an
den Tod lag ihr daher so ferne wie nur etwas, und
doch — er hat sie rascher ereilt, als irgend Jemand
es ahnen konnte, der ihr nahe stand, und es ist des
halb nicht nur die Bestürzung eine große, sondern
auch die Trauer um die Entschlafene eine sehr tiefe.
Nicht nur die Stadt Wächtersbach, sondern die sämmt
lichen zu dem ehemaligen Isenburgischcn Ländchen
gehörigen Ortschaften verlieren an ihr eine Wohl
thäterin, die stets und überall zu'helfen bereit war
und die erst vor zwei Jahren an ihrem Geburtstage
die Kleinkinderschule in Wächtersbach, sowie das nach
ihr benannte Augusten-Hospital für Kranke dort in's
Leben rief. Aber auch das fürstliche. Haus Isenburg-
Wächtersbach selbst verliert an der Fürstin Auguste
eine treue und sorgsame Stütze, und indem sie eine
Dame von seltenen Geisteseigenschaften, eine Frau
von hohem Verstände und, man möchte fast sagen
männlicher Energie war, wird sie selbst in den übrigen
Isenburg'schen Häusern vermißt werden, mit denen
sie das Band' inniger Liebe und Freundschaft ver
knüpfte. Was die verstorbene Fürstin im Leben
wollte, wollte sie stets voll und ganz und dies be
wies sie namentlich in den schweren Tagen des Jahres
186b, als sie von der Nachricht ereilt wurde, daß
ihr Vater, der Kurfürst, in die Kriegsgefangenschaft
nach Stettin abgeführt worden sei. In diesen Tagen
wollte sie den Vater nicht allein wissen und begab
sich sofort, ohne jegliche Begleitung, auf den Weg
nach Stettin. In dem Kriegsgetümmel aber stieß
sie^überall auf Hindernisse, und endlich doch in Berlin
angekommen, wies man sie zurück. Trotz alle dem
erreichte sie jedoch in einer von ihr gewählten Ver
kleidung das Ziel ihres Willens und theilte dann
die Kriegsgefangenschaft ihres Vaters, von dem sie
manchen Zug geerbt hatte und den sie noch über
seinen Tod hinaus hoch verehrte. Nur Eins hat sie
nicht mehr erlebt: den Erfolg ihrer Bemühungen,
daß man den Kindern des Kurfürsten auf Grund
des Beschlagnahme-Gesetzes das sequestrirte Privat-
Vermögen zurückgab, was die Sorge für ihre eigenen
Kinder sie unausgesetzt wünschen ließ, zumal die
politischen Erben des Kurfürsten bei Auflösung des
kurhessischen Hausfideikommiftes reichlich bedacht waren.
Aus ihrer Ehe entsproffen vier Kinder: der Erbprinz
Friedrich Wilhelm, der Träger des letzten vom
Kurfürsten verliehenen goldenen Löwen-Ordens, und
vermählt mit Anna, Gräfin Dobrzensky, die Prin
zessin Alexandra, vermählt mit dem Württem
bergischen Ulanen-Premier-Lieutenant Baron von
Pagenhardt, die Prinzessin Gerta, vermählt mit
dem Prinzen Wilhelm von Sachsen-Weimar,
und Prinz Max, Seconde-Lieutenant im kgl. sächsischen
Garde-Reiter-Regiment.
Wenn schon das Andenken an die Hingeschiedene
Fürstin in allen hessischen Kreisen fortleben wird, so
wird sie doch vor Allem Denen unvergeßlich bleiben,
welche das Glück halten, ihr nahe zu stehen und Zekge
ihrer Liebenswürdigkeit, sowie ihres hohen Sinnes
für alles Schöne und Gute zu sein.
Das Leichenbegängniß gestaltete sich zu
einer imposanten Kundgebung der größten Verehrung
und Anhänglichkeit, welche die Hingeschiedene genoß.
Denn als am 20. September der die Leiche von
Halle nach Wächtersbach überführende Personenzug
Nachmittags x / 2 5 Uhr unter Glockengeläute der Stadt
auf dem Bahnhöfe einfuhr, wurde der Sarg von,
einer dichtgedrängten Menscheumafte erwartet und in
die zahlreichen Kränze, welche den kunstvoll gearbeiteten
Metallsarg zierten, floß gar manche Thräne. Der
Weg vom Bahnhof nach der Stadt und durch die
selbe über den Markt war mit frischem Sand und
grünen Fichtenreisern bestreut; den Zug eröffneten
die Lehrer mit der Schuljugend, dann folgte der
Männer-Gesang-Verein mit umflorter Vereinsfahne,
hierauf die Geistlichkeit aller Patronaiskirchen, dann
kam der reich mit Blumen gezierte Leichenwagen,
von vier Rappen gezogen, welche von vier Stall-
leuten an weißen Servietten geführt wurden, den
Sarg umgaben die in schwarze Livree gekleidete
Dienerschaft sowie das Isenburgische Forstpersonal,
welches die zahllosen Kranzspenden trug. Hierauf
folgten die Leidtragenden, die Frauen der Beamten re.
in tiefer Trauer, die Staatsbeamten, die Isenburgischen
Beamten, Freunde, die Kirchenältesten, Bürgermeister
mit Stadtrath und die Bürgerschaft, alles in Schwarz
gekleidet. Die Stadt, und namentlich die Häuser der
Straßen, durch welche sich der Zug bewegte, hatten schwarz
geflaggt. In der Kirche war, umgeben von grünen