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Um kurz zu sei», ich erhielt eines Tages
einen Brief von ihr — ich saß gerade mitten
im Examen — in welchem sie mir, weise, wie
sie zuweilen sein konnte, auseinandersetzte, daß
es für uns Beide, da ans keiner Seite nennens-
werthes Vermögen sei, besser wäre, das Ver
hältniß zu lösen, und daß sie im Begriffe stehe,
sich mit dem Banquier Müller zu verloben.
Die Stunden, die sie mit mir verlebt, seien so
schön gewesen, wie sie nie wiederkehren würden,
das wisse sie, aber ihr grane vor der Misöre
des Lebens. Ihr letztes Wort war ein heißer
Dank für alles Gute, was ich ihrer Seele
gethan habe." „Welch' ein bodenloser Egoismus",
ging es verächtlich über die Lippen Bernhard's.
„Bei Gott, sie verdiente eine exemplarische
Züchtigung."
Hans schwieg. Die Zeit, die er eben herauf
beschworen, war längst verblaßt in seiner Er
innerung, auch die seiner kurzen, in fahrender
Zerissenheit geschlossenen Ehe. Es war nicht
die Eva Bosse, die sich damals in egoistischem
Wahne von ihm abgewandt, die heute seine Seele
umfaßt hielt — es war das bleiche, abgehärmte
Weib, welches das Leben später auf seinen Weg
geworfen.
Er griff unwillkürlich mit der Hand nach
seinem Herzen. Ach, das Bild, das selbst ernste
Studien und Probleme nicht bannen konnten,
hatte sein Bestes in ihm vernichtet
SH
Kein; vo« Liidrr. (1547)
Nun Gnade Gott, dir mein Ziegenhaiu!
Der Speerwald der Feinde schließet dich ein.
Des Kaisers zahlloses Heer;
Laut brüllt vor den Thoren das Sturmgeschrei,
Wie brandende Meerfluth wogt es herbei,
Der stehest du nimmermehr!
Als Alte- wankte, — du hieltest fest, —
Wer bringt dir nun Rettung, trutziglich Nest,
Todesmuthige, hessische Braut?
WaS half dir wildkühne, männliche Wehr?
Gefangen der Fürst und zerbrochen der Speer;
In Banden, dem du vertraut!
Mein Hessenland, — verlorenes Land!
Wer hat deinen zornigen Leuen gebannt,
Getreten in den Staub?
Mein Hessenbanner, das nie besiegt
In tausend Schlachten sich hat gewiegt,
Sag' an, wem fielst du zum Raub? —
Gefangen ist Philipp! — Der anstrische Aar,
Stürzt würgend herab auf die hessische Schaar,
! „Und wann sahst Du sie wieder?", fragte
! Bernhard, mit beinahe andächtiger Scheu vor
! dem Schmerze, der so ausgeprägt auf dem
Gesichte Hubers lag.
„Wann?" Vor Jahren, als mich der Zufall
hier durch Eure Stadt führte. Es war ein
Regentag, wie heute — kalt, stürmisch — trotz
der Sommerzeit — und sie, — sie kam aus
dem Pfandhause.
Er war aufgestanden und ging mit hastigen
Schritten hin und her.
„Ich glaube, es ist Zeit nach Hause zu gehen,
Bernhard", sagte er endlich mit klangloser
Stimme, „der Regen hat aufgehört."
Bernhard antwortete ihm nicht, ihm graute
vor der fahlen Blässe in seines Freundes Gesicht.
Draußen angekommen, ergriff er dessen Hand,
mit feinem Takte fühlend, daß keine Unterhaltung
mehr möglich sei.
„Bis morgen, Hans", sagte er „ich werde
Dich in Deinem Hotel abholen."
Hans blieb einen Augenblick stehen und sah
gegen den sternhellen Himmel. „Komm morgen
lieber nicht, Bernhard, ich will doch erst nach
Nachstadt fahren und die Angelegenheit mit
meiner Kleinen in Ordnung bringen. So Gott
will, bin ich bis übermorgen wieder zurück,
gute Nacht!"
(Schluß folgt.,
Erbarme sich Gott der Noth! —
Er rüttelt gewaltig an Ziegenhaiu's Thor:
„Hei Lüder! du kecker Geselle, hervor!
Ergieb Dich auf Leben und Tod!"
Der Heinze von Lüder tritt auf den Wall,
Und ruft hinab in der Feinde Schwall,
Seinen Spruch, voll Treu und voll Muth: —
„Herr Kaiser! der Fürst hat mich ernannt
Zü der Festung Ziegenhain Kommandant,
Ihm dien' ich mit Leben und Blut! —
— Kann Euch drum offnen die Thore nit, —
Ohn' des Fürsten Verlaub! (wär' närrische Sitt'!) —
Und ergeben mich nimmermehr! —
Wollt Ihr berennen das Nest auf gut Glück,
Ich jag' Euch mit blutigen Köpfen zurück —
— Das merk' dir, du kaiserlich Heer!'■' —
Und der Feind drängt an in schäumender Wuth;
Die Hessen um Lüder stehn fest und gut
Und trotzen dem Stürmen und Dräun;
Es klirrt das Schwert, es kracht das Geschoß
Und sterbend zusammen sinkt Mann nnd Roß:
i So ringet der Aar mit dem Leu'n.