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Ebene Niederhessens, begrenzt von nahen und
fernen Waldgebirgen, eine für ein Lustschloß sehr
geeignete Stelle gewählt. Aus seiner Regierungs
zeit und der seiner nächsten Nachfolger, Friedrich I.,
König von Schweden und Wilhelm VIII. ist
von dem Schlosse nichts Bemerkenswerthes bekannt
geworden. Ersterer hat nur einmal bei seinem
Regierungsantritt seine Stammlande besucht und
Letzterer schenkte ihm keine Beachtung, da sein
Augenmerk nur auf die Gründung von Wilhelms
thal, für welches er über eine halbe Million
Thaler verwendete, gerichtet war.
Die Glanzzeit des Schlosses beginnt erst mit
dem Regierungsantritt des Landgrafen Friedrich
II. Dieser prunkliebende Fürst, welcher in Nach
ahmung des am französischen Königshofe herrschen
den Glanzes alle andern von gleichem Streben
erfüllten deutschen Fürsten übertraf, hatte alsbald
nach seinem im Jahre 1760 erfolgten Regierungs
antritt Anordnung getroffen, das schon etwas
verfallene Schloßgebäude durch seine vollständige
Wiederherstellung und Erweiterung durch Neu
bauten zu einem glänzenden Höfiager herzu
richten. Aus dem im Jahre 1764 zuerst erschienenen
hessischen Staats- und Adreßkalender ergiebt sich,
daß schon in diesem Jahre die Falkonerie dort
ini Sommer während der Baizzeit ihren Sitz hatte.
Das dazu gehörige Personal bestand aus einem
Ober-Falkenmeister (von Kanitz und dann von
Osterhausen), einem Falkenpagen, einem Falken
meister, vier Falkenknechten, drei Falkenburschen
und einem Reiherwärter zur Aufsicht über das
in der Nähe des Schloffes gelegene und seit
einigen Jahren abgeholzte Reiherwäldchen.
Zu dem Hoflager, welches Friedrich II. jedes
Jahr im Juni im Schlosse hielt, wurden außer dem
sehr zahlreichen Hofgefolge, zu welchem namentlich
viele Officiere gehörten, den Jagdbeamten rc.
auch das sämmtliche Personal des ftanzöfischen
Theaters, des Ballets und der Hofkapelle heran
gezogen und alle fanden in den mehr als
fünfzig Zimmern des Schlosses ihre Unterkunft.
Für das gesammte Hofgefolge, Herren und Damen,
war für die Zeit ihres Aufenthalts im Schlosse
die Kleidung genau vorgeschrieben. Sie bestand
für die Herren in Röcken von Scharlachtuch mit
Ermeln und Kragen von hellblauem Sammet,
verziert mit silbernen Tressen; für die Damen
in Kleidern von derselben Farbe und in mit
einem Reiherbusch geschmückten Hüten. Den Herren
durfte in damaliger Zeit bei schön gepuderter
Frisur der Zopf nicht fehlen, indem die Haare
in einem sehr breiten und fast fußlangen
schwarzseidenen Haarbeutel getragen wurden.
Reiherbaizen, Falkenjagden, Schauspiele, Kon
zerte, großartige ländliche Feste, splendide Hostafel
brachten dann ein glänzendes und an Abwechslung
reiches Leben in das Schloß, welches noch dadurch
erhöht wurde, daß für diese Zeit auch mehrere
Regimenter in die nächste Umgebung zusammen
gezogen wurden.
Landgraf Friedrich stand, wie Heinrich Koenig
schreibt, „unter dem Meridian der französischen
Sprache und Literatur, welche durch Voltaire
bezeichnet wird und auch in gewissen Kreisen der
Gesellschaft etwas vom Dufte volltairischer Denkart
verbreitet hatte." Damit steht auch im Zusammen
hang, daß Voltaire einmal selbst in dieser Zeit
auf einer Reise von Berlin nach Paris zu den
Gästen des Landgrafen in Wabern gehört hat.
Bei solchem Geiste der Zeit konnte es dem
üppigen Hofleben auch an interessanten Vorfällen,
Intriguen u, s. w. nicht fehlen, von welchen
zahlreiche Beobachter, welche sich aus Kassel und
anderen Städten in dieser Zeit in Wabern
einfanden, mancherlei pikante Anekdoten zu er
zählen wußten.
Unter den galanten Damen des Hofes zeich
neten sich besonders aus die unvermählte Prin
zessin Charlotte, Tochter des Prinzen Maximilian
von Hessen, und eine bei dem Landgrafen in
besonderer Gunst stehende Gemahlin eines Generals.
Allen diesen ftanzöfischen Herrlichkeiten wurde
wie mit einem Zauberschlage ein jähes Ende
bereitet, als der echt deutsch gesinnte Landgraf
Wilhelm IX. im Jahre 1785 den Thron seines
Vaters bestieg. Schloß Wabern gerieth während
der 36 Jahre seiner Regierung fast vollständig
in Vergessenheit, da dieser kunstsinnige Fürst
vor Allem darauf bedacht war, die nach ihnl
benannte Wilhelmshöhe durch Erbauung des
Schloffes und der Löwenburg, Anlegung des
Steinhöferschen Wafferfalls und des Aquaeouktes
zu dem „schönsten Garten Europas" zu erheben.
Auch König Jerome ließ das Schloß in Wabern
ziemlich unbeachtet, hat es aber mit der Königin
bald nach seinem Regierungsantritt besucht.
Diese schrieb am 7. März 1808 an ihren Vater
aus Kassel:
„Wir haben einen Ausflug nach Wabern, einer
6 Stunden von hier entfernten Domaine des
Königs gemacht. Es war aber ein wegen der
großen Kälte wenig angenehmer Aufenthalt, da
in den großen Zimmern keine Oefen, sondern nur
schlecht konstruirte Kamine sind. Das Schloß
ist ein gefälliges Gebäude, aber nur zum
Rendezvous für die Jagd im Sommer geeignet,
ich glaube nicht, daß wir es noch einmal im
Winter besuchen werden."
Erst unter der Regierung Wilhelm II. begann
wieder eine Glanzzeit des Schloffes. Nachdem
dieser baulustige Fürst das neue Schloß in
Kassel gebaut und dieses, sowie das Schloß auf
Wilhelmshöhe mit der größten Pracht im Innern