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Km Molybuch des Kurfürsten Wilhelm I.
von W. Kogge-Ludwig.
n dem Nachlasse eines ohnlängst Verstorbenen,
dessen Familie mit den drei letzten Kur
fürsten in näherer Beziehung gestanden, hat sich
ein Büchelchen vorgefunden, welches eigenhändig von
Kurfürst Wilhelm I. während seiner Verbannung
in Itzehoe und Prag in den Jahren 1806 bis
1813 geschriebene Befehle an seine Beamten und
außerdem einige für die Geschichte dieser Zeit
beachtenSwerthe Angaben und Bemerkungen ent
hält. Den Anfang machen in bezeichnender Weife
Abschriften aus Zerrenners „Morgen und Abend
feier" mit der Ueberschrift „Leiden nach Gottes
Willen," welche auch das Büchelchen selbst auf
seinem sehr einfachen Umschlag von blauer Pappe
trägt. In dem von dem Kurfürsten gewählten
Abschnitt aus dem Buche Zerrenners wird darge-
legr, daß Leiden gar mancher Art des Menschen
Loos seien, wobei dann kein Gedanke mehr Trost
verleihe, als der: „Wir leiden nach Gottes Willen."
ein Gedanke, welcher aber nur dann für uns recht
beruhigend und erfreulich sei, wenn wir das Be
wußtsein hätten, daß wir uns nicht die Leiden
als natürliche Folgen unserer Unbesonnenheit
selbst zugezogen hätten. Der Umstand, daß der
Kurfürst in der von ihm genommenen Abschrift
es keinmal versäumt hat, die darin vorkommen
den Worte: wir, uns, unsere mit großen An
fangsbuchstaben zu schreiben, zeigt, daß er den
Inhalt der Schrift gänzlich auf sein eigenes
Schicksal bezogen hat. Eine am 20. Juli 1808
erfolgte Instruktion an den Major v. Thümmel
bei der Abreise von Itzehoe und eine Disposition
bei der Abreise von Prag lassen erkennen, mit
welch' peinlicher Sorgfalt der Kurfürst auf die
Sicherheit seines mitgeführten Geldschatzes und
aller Effekten bedacht war. In der Disposition
zu „Meine Abreise von Prag" wird u. a. Fol-
endes bestimmt: „1. Das sämmtliche Depot,
efiehend aus drei Kisten mit Coupons, sieben
Koffern mit Obligationen und zwei Kisten mit
Pretiosen, wozu der große Frachtwagen bestimmt
ist, bleibt unter der Oberaufsicht des Kriegsraths
Schminke und des KriegskommiffarS Kn atz
in Prag, die Inspektion wird Dellbrueck und
dem Pedell Scharfer anvertraut.
2. Ist während des hiesigen Aufenthalts eine
prompte Verrückung nöthig, so wird das Depot
eiligst durch Dellbrueck und S ch a e f e r über
Königsgrätz und Nachod nach Glatz gebracht,
vom Kriegskommissar Kn atz aber dahin zur
Ueberlieferung an den Preußischen Gouverneur
oder Kommandanten mit einem Handschreiben
gebracht.
3. Blos in dem Falle, wo Heffen schon von
alliirten Truppen besetzt wäre und der Zwischen
raum gänzlich sicher sei, gehen die Kisten mit den
Coupons und Pretiosen mit Mir ab, das übrige
Depot der sieben Obligations-Coffres erwartet
Meinen Befehl gleich nach Meiner Ankunft in
Heffen.
6. Die beyden Chatouillen gehen gleich mit
Mir ab.
7. Bei der zurückgelaffenen Hofhaltung cessirt
die eigene Küche gänzlich und wird xr. töte das
Effen aus einem Gasthofe bezahlt.
8. Sämmtliche Equipage an Pferden und Leu
ten geht gleich ab mit Mich.
9. Alle Meubles werden nach dem Jnventario
zum Höchsten Preiß verkauft, wozu vielleicht
bei Gr. Ledebur oder durch aueticm Gelegen
heit ist.
Der Kurfürst hat sodann in dem Buche spe
ciell die 54 Tage angegeben, an welchen er in
Itzehoe und Prag an Podagra und Chiragra
gelitten hat, auch alle seine hessischen Militair-
stellen, welche im Jahre 1749 mit seinem Ein
tritt als Cadett und Unterofficier bei dem 1.
Bat. Garde-Grenadiere beginnen, sowie daneben
auch seine Ernennungen im preußischen Müitair-
dienst aufgeführt. In letzterem ist er im Jahre
1778 zum Generalmajor, 1797 zum General
feldmarschall, 1800 zum Gouverneur von Wesel
und 1801 zum General-Inspecteur in Westphalen
ernannt.
In einem in französischer Sprache geschriebenen
Aufsatze hat er ferner »kriueixalee Epoques de la