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es, seine Zuhörerschaft, gleichviel, ob alt oder
jung, zu spannen. Daß er dabei ab und an et
was derbes Jägerlatein mit hinein flocht in die
Schilderung seiner Jagdabenteuer, je nun, das
machte die Sache nur lustiger.
Da hatte er auch ein Mal zwei durchpassiren-
den Fremden im Gastzimmer der „Post" einen
tüchtigen Bären aufgebunden, und davon erzählte
er später noch mit kindlicher Freude. Es war
zur Zeit, als noch die Thurn und Taxis'sche
Personenpost eine Hauptstation in dem Dorfe
gehabt. Eine Hauptstation jedoch nur insofern,
als man bei der drallen Wirthin in der „Post"
sehr gut speiste und trank. Daher kam es, daß
fast sämmtliche Reisende die heißen, unbequemen
Wagen verließen, und der berühmten Küche der
„Post" die gebührende Ehre anthaten.
Für den alten Herrn war es eine angenehme
Unterbrechung des täglichen, sich eigentlich ereig-
nißlos abwickelnden Lebens, wenn er ab und zu
ein Stündchen in der Post verbrachte, so um die
Zeit, wenn die abendliche Personenpost eintraf.
Man hörte doch zuweilen etwas von der Welt
da draußen. Zu jener Zeit, da das Dampfroß
noch nicht schnaubend die Lande durchflog, unter
nahm man ja weit seltener eine Reise, besonders
Leute vom Schlage des alten Försters haßten
das Reisen als etwas höchst Widerwärtiges.
Aber einmal Fremde sehen, ihnen einige Jagd
abenteuer erzählen, welche die Leute dann in ihrer
ganzen Ungeheuerlichkeit an andere Menschen
weiter berichten mochten, das war für unsere
guten Alten gewiß ein harmloses Vergnügen.
Da waren auch ein Mal zwei junge Reisende
dem staubigen Wagen entstiegen und in das
große, luftige Gastzimmer gekommen. Unser alter
Freund hatte an einem Tische sitzend den „Jäger
aus Kurpfalz" gepfiffen und mit den Fingern
den Takt auf der Tischplattte getrommelt. „Sind
das zwei schwanke, lang aufgeschossene Jungen,"
dachte er, als die Beiden laut lachend über die
Schwelle schritten.
Die überflogen mit schnellem Blicke den Raum
und steuerten dann, nachdem sie sich durch einen
leichten Stoß mit den spitzen Ellenbogen verstän
digt, direkt auf den Tisch des alten Herrn zu.
Es waren junge Kaufleute aus der freien
Reichsstadt Frankfurt.
Mit einem ironischen Schmunzeln betrachtete
der Alte diese Jünglinge aus der Großstadt.
Sie trugen so enge Beinkleider, daß ihm bange
wurde, es werde ihnen unmöglich sein, sich zu
setzen. Zu seinem Erstaunen brachten sie jedoch
dies schwierige Kunststück mühelos fertig. Die
Ärmel der Röcke wetteiferten im Raummangel
mit den Beinsutteralen, und die- Halsbinden um
schloffen die dünnen Hälse so fest, daß der Weid
mann, — welcher nur selten bei großer Kälte
ein Halstuch trug, sich aber nimmermehr zu sol
cher „Erstickungsmaschine" bequemt haben wür
de — ganz ängstlich mit dem Finger unter seinem
Hemdkragen herfuhr; gleichsam als mangele ihm
schon beim Anblick eines solchen Folterinstruments
die nothwendige Luft zum Athmen.
Die beiden Jünger Merkurs hatten alsbald,
mit der allen Handlungsreisenden angeborenen
— sagen wir — Kühnheit, eine Unterhaltung
begonnen, und der alte Herr hatte es auch so
fort heraus bekommen, daß sie sich über seine Er
scheinung, - die so ganz verschieden war von
ihrem eignen geschniegelten Äußern, — lustig
machten. Es war unverkennbar, sie wollten dem
schlichten, alten Manne imponiren, ihn gewisser-
maßen verblüffen. Da waren sie aber an den
Unrechten gerathen.
Eben brachte das saubere Mädchen, — Kellner
hatten sie im Dörfchen nicht, — zwei Portionen
köstlich duftenden Schwalmhechts, nach den be
rühmten Edderhechten die besten im Hessenlande.
Daher mußten die Frankfurter hier unbedingt
„Hecht" essen. Ein schelmisches Lächeln zuckte
um den Mund des Alten, als er sah, wie die
Reisenden nunmehr ihr ganzes Interesse den
Fischen zuwendeten; umsomehr, da die Zeit drängte,
denn der Postillon machte sich schon bemerklich,
um die Fahrgäste zur möglichsten Eile zu mahnen.
„Wartet" dachte er „Der Hecht soll Euch keine
Magenbeschwerden machen;" dabei gab er dem
ruhig unter seinem Stuhl am Boden liegenden
Dachshund einen leichten Stoß mit dem Fuß.
Der Hund hob den Kopf und sein Herr, sich zu
ihm niederbeugend, raunte leise: „Waldmann,
leid's nicht, die wollen essen."
Mit einem jähen Satze setzte der braune,
schiefbeinige Geselle unter dem Tische hervor, und
Made als die Reisenden die ersten Biffen zum
Munde führten, sprang er knurrend und zähne
fletschend auf einen zwischen den Beiden stehenden
teeren Stuhl mit der unverkennbar deutlichen
Absicht, im nächsten Augenblick auf den Tisch
vorzudringen.
(Schluß folgt.)