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eröffnen. Der Batet wird als ein verschlossener
harter Mann geschildert, der von seinen Entschlüssen
nicht abzubringen war, in der engen und düsteren
Burg erklang in der Fehde- und raublustigen Zeit
mehr der Waffenlärm der Reisigen, als die Töne
eines befriedeten Daseinsdas rauhe einförmige
Leben brachte auch dem Kinde wenig Freuden, wenn
gleich die Mutter, Ottilie von Eberstein, weiblich und
sanft einiges Gegengewicht gegen den Vater bildete.
Der aufgeweckte Knabe zeigte rasche Faffungskraft
und Lernbegierde. Mit 11 Jahren brachte man ihn
nach Fulda, um Mönch zu werden; in der alt
berühmten Klosterschule daselbst entwickelten sich
Ulrichs Fähigkeiten, aber er erkannte auch, daß sein
Beruf nicht im klösterlichen Leben liege. Das war
auch die Ansicht Eitelwolfs v. Stein, welcher den
begabten widerwilligen Klosterinsaffen kennen lernte
und ihn für Höheres bestimmt hielt. Stein, ein für
die Zeit hochgebildeter Mann, wie die Ritterschaft
wenige aufzuweisen hatte, galt viel bei dem Mark
grafen Albrecht von Brandenburg, in dessen Diensten
er stand und bewog Hutten den Bater, die Ablegung
der Klostergelübde seines Sohnes noch hinauszuschieben.
Doch es sollte gar nicht dazu kommen. Ulrich entzog
sich einem Dasein, welches nach den in ihm sich ent
wickelnden Eigenschaften ihm entsetzlich hätte sein müssen,
im I. 15Ü4 oder 1505 durch die Flucht, wie es scheint
unter Mitwirkung seines Jugendfreundes Crotus Ru
bianus. Einige Monate hiernach, daß der künftige
Kämpfer gegen das Mönchthum seine freie Persönlich
keit sich. rettete, gab der andere künftige Kämpfer die
selbe auf, der Student Martin Luther trat 1505 in
das Augustinerkloster zu Erfurt ein, ein merkwürdiges
Zusammentreffen, welches das Wesen der beiden Cha
raktere kennzeichnet. Als der Sohn so dem Willen
des Vaters entgegen gehandelt hatte, zog dieser seine
Hand von demselben ab. Der etwa 16jährige sah
sich gänzlich mittellos in der Welt, doch mit frischem
Muthe nahm er den Kampf ums Dasein auf — es
sollte ein Kampf bis zum letzten Athemzuge sein.
Mit wiffensdurstiger Seele ging Ulrich an die Stu
dien, denen er auf den Universitäten Erfurt, Cöln
und Frankfurt a. O. 4 Jahre lang sich hingab, öfters
in Noth, mitunter von Gönnern unterstützt. Frühe
schon versuchte er sich poetisch, d. h. in der lateinischen
Sprache, welche damals. Gelehrten- und Weltsprache
war; doch erst aus dem Alter von etwa 18 Jahren
sind uns poetische Versuche Ulrichs aufbewahrt. In
diesem Alter wurde ihm der Ite philosophische Grad,
des Baccalaureus, in Frankfurt zutheil, es blieb dies
der einzige. Eoban Hesse lernte er zu Erfurt kennen,
mit ihm, welcher bald sich den Ruhm des ersten Dich
ters der Zeit errang, verband Hutten treue Freund
schaft, Eoban und Crotus blieben ihm bis zum Tode
innig verbunden.
Huttens unruhiger Geist trieb ihn hinaus ins Le
ben und nach wohlgenützter Studienzeit verließ er,
vermuthlich im Frühjahre von 1509, Frankfurt a. O.
Im Herbste nach erlittenem Schiffbruche auf der Ost
see, finden wir ihn in Greifswald, wo er mittellos
und krank von dem Bürgermeister Lötz und dessen
Sohne, einem Professor, ins Haus aufgenommen wird.
Nach einiger Zeit trübte sich das gute Verhältniß,
gewiß nicht ohne Schuld des heftigen, reizbaren jungen
Mannes. Er verließ Greifswald, wurde von Bewaff
neten aller seiner Habe, auch der Oberkleider beraubt
und mußte sich im elendesten Zustande bei strenger
Winterkälte wenig bekleidet durchbetteln. In Rostock
nahmen Professoren sich seiner an, er hielt einem
Kreise Studirender schon wissenschaftliche Vorträge.
Und nun machte sich der Zorn des Gekränkten Luft,
denn die Räuber, welche ihm Alles, selbst die Hand
schrift seiner Dichtungen genommen halten, waren von
den beiden Lötz ausgesandt worden. Die Querelae,
Klagen gegen die Lötz, welche im I. 1510 erschienen,
brachten die Vorwürfe des auch durch manches Andere
sich verletzt haltenden und begannen die lange Reihe
der Streitschriften Huttens, das ihm eigenste Gebiet.
Noch im selben Jahre hielt er sich in Wittenberg auf,
wo ihn im Februar 1511 des Freundes Crotus
Mahnung traf, zu den Aeltern zurückzukehren. Statt
dessen hatte Ulrich die Keckheit, das Kloster, dem er
entlaufen war, um Geld zu bitten; begreiflicherweise
kam kein Geld, aber doch freundlicher Zuspruch statt
gerechtfertigter Vorwürfe. Im Sommer von 1511,
nachdem er wahrscheinlich einige Zeit sich in Leipzig
aufgehalten, finden wir Hutten auf der Wanderung
durch Böhmen und Mähren, im erbärmlichsten Auf
zuge; Bischof Thurzo von Olmütz, ein großmüthiger
Förderer der Wissenschaft, stattete den geistvollen Bett
ler reichlich aus und so gelangte dieser nach Wien,
wo unter Kaiser Max der Humanismus eine Stätte
gefunden hatte. Hier, am Sitze des Oberhauptes des
Reiches, entwickelte sich in Ulrichs Geiste die Theil
nahme an den großen Angelegenheiten des Vater
landes; Schmerz über. den Verfall des Reiches, Zorn
gegen die Widersacher des Kaisers flössen in einem
Gedichte an Maximilian zusammen, in welchem er
die Idee des Kaiserthumes in der Hoheit erfaßt, wie
die großen Kaiser des Mittelalters ihr nachstrebten
und vorab die Republik Venedig gezüchtigt haben will,
da sie 1508 Maximilian den Durchzug zur Kaiser
krönung weigerte. So nahe Italien, lockte diese Hei
mat des Humanismus dessen eifrigen Jünger an,
Hutten zog dahin, und im April 1512 taucht er in
Pavia auf, wo er das Studium des Rechtes begann,
dem Wunsche seines Vaters sich fügend. Dieses galt
allein für eines Edelmannes würdig neben dem
Waffendienste, da es zu den Stellungen im Reiche
wie in den Einzelstaaten befähigte; auch trieb Hutten
hier das Griechische. Wieder gerieth er in die äußerste
Noth, sodaß er kaiserlichen Kriegsdienst nahm, obwol
er schwere Gebreste trug, z. B. das linke Bein kaum
gebrauchen konnte, gewiß ein maxtervolles Dasein.