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des Poeten! Der Poet umfaßt die ganze Welt
in Sehnsucht und Liebe; er ist gleichsam das
Herz der Menschheit! Das Leib von Millionen
dringt auf ihn ein! Was Millionen empfinden
— er spricht es aus! Und darum rührt er
Millionen! Ach, könnt' ich doch, frei von den
Sorgen für die kleinen Bedürfnisse dieses Da
seins, nur meinen Träumen, meinen Idealen,
meinen künstlerischen Entwürfen leben! Heimath,
Vaterland, Eltern, Geschwister, Freunde — alles
hab' ich verloren um der Dichtkunst willen!
Und wie wenig fehlte daran, daß ein Sprung
von der Sachsenhäuser Brücke meinem Erden
leben überhaupt ein Ende würde bereitet haben!
Da war sie es, Frau von Wolzogen, die im letzten
Augenblick der grenzenlosesten Verzweiflung mir
die rettende Hand gereicht und mir dies herrliche
Bauerbach zum Asyl angeboten. Der Guten,
die die Kunst beschirmt, soll nie vergessen sein!
Zweiter Auftritt:
Zudith (einen Korb auf dem Rücken, tritt auf durch
dis Thor.) Voriger. Dann Frau Bogt.
Judith: Grüß Gott, Herr Doktor —!
Schiller: Ah, die Judith —! Nun, haben
Sie etwas für mich aus Meiningen mitge
bracht? —
Judith: O ja —! (nimmt den Korb ab und
prustet) Der weite Weg — und der schwere Korb
— und so früh schon diese Hitze —! Der Athem
geht einem aus —! (Trocknet sich die Stirn mit
einem Tuch.) Ach — !
Schiller: Also — ! (Will am Inhalt des Korbes
kramen.)
Judith: (hält Schiller davon zurück.)
Schiller: Haben Sie Bücher für mich —?
Judith: Ja —!
Schiller: Und haben Sie den Herrn Biblio
thekar Reinwald selbst gesprochen — ?
Judith: Ja - selbst -!
Schiller: Ich will Ihnen behülflich sein. —
Judith: Nein, lassen Sie nur —! Ich habe
auch zerbrechliche Sachen im Korb —! Also —
einen schönen Gruß soll ich bestellen vom Herrn
Bibliothekar Reinwald an den Herrn Doktor
Ritter —
Schiller: Danke schön. —
Judith: Und hier sind die Bücher. — (Reicht
Schiller mehrere Bücher aus dem Korb.)
Schiller: (schlägt die Bücher auf und liest die
Titel.) „Robertson — Geschichte von Schottland."
— Brauch ich nicht mehr! Eine Maria Stuart
schreib ich vielleicht später einmal — ! Bereits am
Don Carlos angefangen —! „Lessing, theatralische
Bibliothek" — Sehr erwünscht! — Und hier
seine „Dramaturgie". — Weiter nichts, Judith — ?
Judith: O ja — hier noch etwas — ein
halb Pfund Schnupstobak. —
Schiller: (riecht an der Düte.) Marokko —
meine Lieblingssorte. Ah —!
Frau Vogt: (ruft hinter der Scene) Judith! —
Judith: Und eine Rolle Papier. —
Schiller: (erstaunt.) Wie — ? Papier — ?
Ich habe Ihnen ja doch kein Geld dafür mit
gegeben — ?
Judith: Der Herr Bibliothekar giebt es
Ihnen von seinem Vorrath — sowie dies
Fläschchen Tinte — und dies Packet Federn. —
Schiller (freudig): Wie? Federn, Tinte und
Papier — ? (zum Publikum). Nun kann ich meinen
Don Carlos ja schreiben! —
Judith: Er schenkt es Ihnen. —
Schiller: Ein Dichter schlägt niemals Ge
schenke aus! Geschenke sind ihm die sichtbaren
Zeichen der Werthschätzung. — (leichthin.) Wir
schenken der Menschheit überhaupt mehr, als sie
uns wieder schenken kann.!
Frau Vogt «hinter der Scene): Judith —!
Judith: Ich komme schon —!
Frau Vogt (erscheint in der Hausthür): Judith,
muß Sie denn immer noch schwatzen? Ich warte
ja auf Sie —!
Judith: Gleich — gleich —!
Schiller: Haben Sie weiter nichts für
mich — ?
Judith: Nein, weiter nichts —! Das Uebrige
ist für die Herrschaft. —
Frau Vogt (wirst einen zornigen Blick auf Schiller
und tritt zurück.)
Schiller: (mit Beziehung auf Frau Vogt): Haus
drache —! (Er setzt sich und blättert in den Büchern).
Dritter Auftritt:
Vogt und zwei Mägde (einen großen Kranz und ein
aus Blättern und Blumen hergestelltes „Willkommen"
tragend, treten auf aus dem Haus). Vogt und Frau Vogt.
Schiller.
Vogt (stellt sich in die Mitte der Scene und betrachtet
ringsum das Arrangement.)
Frau Vogt (ist den Mägden behülflich).
Vogt: So —! Nun noch den Kranz über
die Thür und das „Willkommen"! — Elise —
den Kranz etwas mehr nach rechts — immer
noch mehr — halt — so! — Endlich —! Nun
geht hinein und lest die Blätter auf, die im
Hausflur noch herum liegen.
Die M ä g d e (ab ins Haus).
Vogt: Wir stören Sie wohl, Herr Doktor?
Schiller: Nein, durchaus nicht. —
Frau Vogt: Heute muß sich der Herr
Doktor das schon einmal gefallen lassen — nichts
für ungut —!
Vogt: Haben Sie schon die Hauptstraße an
gesehen? Lauter Maienbüsche — einer an dem
anderen —! Kommen Sie doch —!
Schiller: Danke, Herr Verwalter —!