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Symbole des Kampfes für den Glauben geschmückt
und ausgezeichnet; sein Neffe, Landgraf Philipp,
gegen welchen die Umgebung des geistesumnach-
teten Fürsten ihn noch einmal mit dem An
sprüche auf die Herrschaft im Lande erfolglos
aufstellte, wurde der Gegner des Papstthums.
Doch das erlebte Landgraf Wilhelm I. nicht mehr,
er starb 1515 mit 49 Jahren. Sem aus frommem
Glauben unternommenes Werk hatte ihm ein
Leben voll Leid und Schmerz eingetragen —
westen Gemüth sollte nicht beim Gedenken des
so früh Geknickten zur Wehmut gestimmt werden!
Kchrller in Kauerbach.
Historisches Lustspiel in 5 Aufzügen
von
Julius W. Braun.*)
Personen des ersten Aufzugs:
Frau Geh. Legationsrath von Wolzogen, Wittwe.
Friedrich Schiller, defertirter Regimentsmedieus aus
Stuttgart, unter dem Namen Dr. Ritter.
Bibliochekar Reinwald aus Meiningen.
Vogt, Gutsverwalter und Dorfschullehrer.
Dessen Frau.
Henriette, Pflegetochter der Frau v. Wolzogen.
Wärm st ein, Dorfschulze.
Sen steig, Barbier.
Judith, Botenmädchen.
Bauern und Bäuerinnen.
Ort der Handlung: Bauerbach in Meiningen auf dem
Gut der Frau v. Wolzogen.
Zeit: Juli 1783.
Freier Platz. Links das Wohnhaus. Treppe vor der
Thür. Rechts und im Hintergrund Bäume und Zier
sträucher. Eine Staketenwand trennt hinten das Grund
stück von der Straße. Das geöffnete Thor ist mit Tannen
zweigen und Blumen zu einer Art Triumphbogen umge
wandelt. Links vorn am Haus Tisch und Bank.
Erster Auftritt:
Schiller (sitzt am Tisch und schreibt mit einem Gänse
kiel, den Kopf leicht aus die linke Hand gestützt. Nach
einer Weile steht er auf und geht, die Feder in der Hand,
in Gedanken versunken, längere Zeit hin und her. Er
bleibt öfter stehen, entweder vor sich hinstarrend, oder,
wie geistesabwesend, einen beliebigen Gegenstand, ein Blatt,
eine Blume betrachtend. Dann geht er nach hinten und
wendet sich, immer in Gedanken, langsam wieder nach vorn.
In der Mitte der Bühne bleibt er stehen, steckt die Feder
hinter das Ohr, zieht seine Schnupftabaksdose und schnupft
*) Von unserm als Schillerforscher rühmlichst bekannten
Landsmann erscheinen in aller Kürze vier Werke auf ein
mal. Der früher schon von uns erwähnte Roman „Um
sonst gelebt!", 3 Bände, ein zweiter Roman „Erste
Liebe", 2 Bände, dies Lustspiel, dessen ersten Akt der
Herr Verfasser so freundlich war, uns zum Abdruck zu über
laffen, und ein Sammelwerk: „Luise, Königin von
Preußen, in ihren Briefen." Letzteres wird nament
lich eine große Anzahl bisher unbekannter Briefe der Königin
Luise bringen, die sich im Besitz des Hohenzollern-Museums,
des königlichen Hausarchivs, der königlichen Bibliothek zu
Berlin, der Magistratsarchive mehrerer Residenzstädte der
altpreußischen Monarchie u. s. w. befinden. Auch Fürst
lichkeiten, Autographensammler haben dem Herausgeber
reiches Material zur Verfügung gestellt.
mit sichtlichem Behagen.) Hazi! Ich hab's benossen!
Es wird gelingen! «Tritt an den Tisch, nimmt ein
Blatt Papier zur Hand und liest):
Die schönen Tage in Aranjuez
Sind nun zu Ende. Eure Königliche Hoheit
Perlaffen es nicht heiterer. Wir sind
Vergebens hier gewesen. Brechen Sie
Das räthselhafte Schweigen, öffnen Sie
Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz! Zu theuer
Kann der Monarch die Ruhe seines Sohnes —
Des einz'gen Sohns — zu theuer nie erkaufen.
(Legt das Papier hin.) Es geht — hm! Aber ich
bin jetzt zu unruhig — ich kann nicht mehr
schreiben! — Heute soll sie kommen, meine
Freundin, meine Beschützerin, meine gütige
Wirthin — sie, der ich alles, die Sicherheit
dieses verschwiegenen Aufenthalts und die Mittel
zu meiner gegenwärtigen Existenz verdanke! Und
auch Lotte, die Angebetete meines Herzens, kommt
mit! — Ach, während meine „Räuber" ganz
Deutschland in einen wahren Taumel des Ent
zückens versetzen, während mein Name bewundert
auf Aller Lippen schwebt, währenddem muß ich
mich, verfolgt von der Laune eines despotischen
Fürsten, und in der Furcht, wieder gefaßt und
zu schweren Strafen verurtheilt zu werden —
währenddem muß ich mich hier in Bauerbach,
wie ein Ausgestoßener, fast vor jedem Strahl
der Sonne verbergen! Bis an die Sterne er
schallt mein Ruhm und ich selbst muß glücklich
sein, im Dunkel des Thüringer Waldes nebst
andern Krüppeln der Schöpfung überhaupt noch
— vegetiren zu dürfen. (Er setzt sich.) Dichter
loos ! — Die Tage des gewöhnlichen Sterblichen
schleichen dahin in ewigem Einerlei. Seine
Sorgen und Mühen — was sind sie? das leichte
Kräuseln eines friedlichen Sees! Die Stürme
der Zeit, der Geschichte, des allgemeinen Elends
rauschen über ihn dahin, derweil er im sichern
Thal seinen Geschäften nachgeht! Er lebt nur,
um — zu sterben. Wie anders das Schicksal